Sorgerechtsstreit um den Hund

Zu Frauchen oder Herrchen?

07:03 Minuten
Ein Hund steht an der Leine auf einer Straße und schaut von der Kamera weg.
Wechselmodell: Einen Monat bei Herrchen, einen Monat bei Frauchen - darauf einigen sich manche Paare. © Getty Images / Dario Argenti
Von Julia Macher  · 01.10.2022
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Ob Hund, Katze, Hamster – für die meisten Menschen gehören sie zur Familie. Was aber, wenn die auseinanderbricht? In Spanien gibt es seit diesem Jahr ein geteiltes Sorgerecht für Haustiere. Die Hundemutter von Panda hat davon profitiert.
High Noon im Parque Isidro im Madrider Süden. Gut 40 Hunde tollen über die hügelige Grünfläche, spielen Stöckchen apportieren oder lassen sich von Herrchen oder Frauchen kraulen. Mittendrin: Maria Fernanda und Panda. Der schwarz-weiße Collie-Mischling springt fröhlich umher – und Maria Fernanda lächelt glücklich.
„Für fast alle gehört ein Haustier doch zur Familie. Egal, wen du hier im Park fragst – sie werden dir sagen, dass sie ihr Tier über alles lieben.“
Und sie ganz besonders. Für Panda ist Maria-Fernanda sogar vor Gericht gezogen, hat anderthalb Jahre gegen ihren Ex-Partner Jorge prozessiert, um das Sorgerecht für die Hündin zugesprochen zu bekommen.

Gemeinsames Aupäppeln des Welpen

Im Herbst 2019 hatten die beiden das Tier gemeinsam adoptiert. Maria Fernanda scrollt auf ihrem Smartphone. Sie zeigt Fotos, die ihr das Tierheim damals geschickt hat. Ein struppiger, verängstigter Welpe ist darauf zu sehen.
„Panda gehörte einem Schäfer, aber sie ist sehr ängstlich und taugt deswegen nicht als Hirten- oder Wachhund. Der Schäfer wollte sie loswerden. Sie war völlig abgemagert, als das Tierheim sie ausfindig machte und zu sich nahm. Statt den altersgemäßen zehn oder elf wog sie gerade mal sieben Kilo!“
Für das Paar war es Liebe auf den ersten Blick. Gemeinsam päppelten sie die Hündin auf, nahmen ihr die Angst vor Männern mit Stock, vor Müllautos und Großstadtlärm.

Besitzanspruch auf den Hund nach der Trennung

Dann kam die Pandemie, der Lockdown - und die Beziehungskrise. Maria-Fernanda und Jorge trennten sich. Im Streit. Sie zog aus. Aber Panda wollte er behalten. Die Hündin sei sein Eigentum. Schließlich steht sein Name auf dem implantierten Hunde-Chip. An ihm machte die Justiz bis dahin den Besitzanspruch fest. Ein Unding, fand Maria Fernanda.
„Ein Hund ist doch kein Auto, kein T-Shirt, kein Möbelstück, dessen Wert irgendwie geteilt werden kann. Panda ist ein Lebewesen. Für mich gehört sie zu mir, zu meinem Leben. Er hätte alles behalten können, aber nicht Panda.“
Nachdem eine Mediation scheiterte, wandte sich Maria Fernanda an eine auf Tierrecht spezialisierte Anwältin und zog vor Gericht. Der Richter befand: Wegen ihrer engen Beziehung zu dem Hund und der bereits geleisteten Sorgearbeit, hat nicht nur der offizielle Besitzer, sondern auch Maria Fernanda Anrecht auf Panda.

Wegweisendes Urteil in Spanien

Ein wegweisendes Urteil, sagt ihre Anwältin Lola García: Denn als Spanien Anfang des Jahres darauf sein bürgerliches Gesetzbuch reformierte, wurde auch dort der Anspruch auf die „Berücksichtigung der emotionalen Bindung zwischen Mensch und Tier“ festgeschrieben. Bei Trennung oder Scheidung müssen beide Parteien daher vor einem Familiengericht vertraglich festlegen, wer sich nun um das Tier kümmert, wer wie viel Zeit mit ihm verbringt und wer was zahlt – ähnlich wie bei einem gemeinsamen Kind.
„Die Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches fasst eigentlich genau das in Paragraphenform, was wir damals erstritten haben: Dass die Adoption damals eine partnerschaftliche Entscheidung war, vergleichbar der, ein Kind aufzuziehen – und dass deswegen auch nicht mit Eigentumsverhältnissen argumentiert werden darf, etwa mit der Frage, auf wessen Namen der Hundechip ausgestellt ist.“
Seit Januar hat die Anwältin knapp hundert Anfragen zum Sorgerecht beantwortet, meist haben sich beide Parteien am Ende einvernehmlich auf ein Modell geeinigt.

Ein Wechselmodell für Panda

Für Panda ordnete der Richter ein Wechselmodell an: Einen Monat bei Herrchen, einen Monat bei Frauchen. Übergabe an einem neutralen Ort: bei der Tierärztin.  
„Wir hatten vereinbart, dass sich für Panda so wenig wie möglich ändert: die gleiche Tierärztin, die gleichen Befehle, das gleiche Fressen, die gleichen Zeiten fürs Gassigehen. Die Arztkosten haben wir geteilt, Fressen und anderes hat jeder selbst bezahlt. Kommuniziert wurde immer per Mail, mit Kopie an die Anwältinnen.“

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An das erste Wiedersehen kann sich Maria Fernanda noch gut erinnern. Anderthalb Jahre hatte sie Panda damals nicht mehr gesehen.
„Ich war fürchterlich nervös und habe mich gefragt, ob sie mich wiedererkennen wird oder nicht. Aber Panda war fast verrückt vor Freude. Sie hat mich die ganze Zeit abgeschleckt. Das war sehr bewegend.“

Ex verzichtet überraschend auf Ansprüche

Auch jetzt kommt Panda wieder angestürmt, springt sein Frauchen an. Immer noch Wiedersehensfreude? Oder schon nahender Trennungsschmerz? Maria Fernanda lacht: Nach drei Monaten Hin und Her hat ihr Ex überraschend auf seine Ansprüche verzichtet und ihr das gesamte Sorgerecht eingeräumt. Panda gehört jetzt ganz zu Maria Fernanda. Woher der Sinneswandel kommt?
„Ich vermute, er will einfach nichts mehr mit mir zu tun haben. Für mich ist das in Ordnung. Aber mich schmerzt es, dass wir erst dieses langwierige Verfahren durchlaufen mussten, nur damit er dann seine Ansprüche abtritt.“
Und wie geht es Panda mit der Trennung vom Herrchen? Vermisst die Hündin ihn? Maria Fernanda denkt ein paar Sekunden nach. Ganz sicher ist sie sich nicht. Aber das Tier wirke glücklich.
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