Sorgenvolle Schoko-Nikoläuse
Gerade noch rechtzeitig zum Nikolaus kommen Studien, die behaupten, Kakao und Schokolade würden vor Herzkrankheiten schützen. Sollten wir deshalb die Adventszeit zur Prävention nutzen und viel naschen?
Den meisten Appetit macht zum Glück die methodisch sauberste Studie. Sie kommt aus Schweden, federführend war das Karolinska Institut. Dort wurden über 1000 Herzpatienten nach ihrer Entlassung acht Jahre lang beobachtet und der Herzinfarkt mit der Naschhaftigkeit abgeglichen. Ergebnis: Wer sich keine Schokolade gönnte - vermutlich ein Ratschlag der Kardiologen – hatte Pech gehabt. Bereits ein Pausenriegel im Monat senkte das Risiko eines Herztodes um fast ein Drittel. Wer sich fast jede Woche Schokolade gönnte, dessen Herzinfarkt-Sterblichkeit sank um die Hälfte und bei mehreren Schokomahlzeiten pro Woche lag sie um zwei Drittel niedriger als bei den Schoko-Abstinenzlern.
Eine hübsche Studie, die auch ins bekannte Bild passt. Aber bitte nicht zu hoch hängen, denn auch die Gesamtsterblichkeit sank mit der Schokolade etwas, aber längst nicht so eindrucksvoll wie beim Herzinfarkt. Fazit: Wer Schokolade mag, kann sie auch weiterhin mit Vergnügen essen. Sorgen bereitet uns derzeit etwas anderes: Die Kakaopreise steigen unaufhaltsam. Sie neigen zwar generell zu starken Schwankungen, weil der Rohstoff aus politisch instabilen Regionen stammt: Die wichtigsten Lieferanten sind westafrikanische Länder wie Elfenbeinküste, Ghana oder Nigeria.
Neben Bürgerkriegen und Spekulanten spielt auch die wachsende Nachfrage eine Rolle, auf der anderen Seite sinken die Erträge - einfach deshalb, weil viele Plantagen überaltert sind. Schädlinge und Krankheiten haben leichtes Spiel. Dabei sind die Plantagen von Natur aus alles andere als robust. Kaum noch eine Region, die nicht schon mindestens einmal von einer Krankheit oder einem Schädling verwüstet worden wäre. Mal war es die Schwarzfäule, dann die Hexenbesenkrankheit, dann kamen die Wanzen oder die javanischen Kakaomotten.
Die Ernteverluste sind hoch, die landwirtschaftlichen Methoden ineffizient. Die Qualität des Kakaos könnte deutlich besser sein. Der Bürgerkrieg in der Elfenbeinküste, dem mit Abstand wichtigsten Lieferland, hat schlimmere Spuren hinterlassen als die Schädlinge. Weil die Infrastruktur zerstört ist, kommt die Ware verschimmelt in den Ausfuhrhäfen an.
Die Arbeitsbedingungen und Löhne in Westafrika sind indiskutabel. Da ist nicht mehr von Kinderarbeit die Rede sondern von Kindersklaverei - eine bittere Erkenntnis, die wir der Aufmerksamkeit von Greenpeace verdanken. Der Zwischenhandel im Land ist ebenso vielschichtig wie undurchsichtig. Mit den Erlösen aus dem "Braunen Gold" werden wiederum die Bürgerkriegsparteien finanziert. Eine ziemlich verzwickte Lage also.
Eine solche Melange ist für Unternehmen, die Kakao verarbeiten, ein einziges Minenfeld. Und genau das scheint inzwischen in den Chefetagen angekommen zu sein. Anfang 2010 soll ein groß angelegtes Programm eine grundlegende Änderung herbeiführen. Die Bill & Melinda Gates-Stiftung sowie 12 internationale Konzerne haben 90 Millionen Doller locker gemacht. Als erstes werden 60.000 Kleinbauern in Ghana geschult, es werden soziale Dienste eingerichtet und vermutlich soll auch der dubiose Zwischenhandel eingedämmt werden. Das Projekt wird auch vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt.
Ein weiterer Kakaoverarbeiter, nämlich Nestle, investiert in eigener Sache sogar über 100 Millionen Dollar. Damit sollen unter anderem zwölf Millionen krankheitsresistente Bäume gepflanzt werden – nicht nur um den Ertrag zu erhöhen sondern auch um den Einsatz von Pestiziden zu senken. Gratuliere! Es freut mich sehr, dass es offenbar doch noch unternehmerisch Sinnvolleres gibt als nur die Behandlung mentaler Blähungen mit probiotischen Joghurts. Mahlzeit!
Literatur:
Janszky I et al: Chocolate consumption and mortality following a first acute myocardial infarction: the Stockholm heart epidemiological program. Journal of Internal Medicine 2009; 266: 248-257
Haendler H: Elfenbeinküste – das Land kommt nicht aus dem Chaos. Süßwaren 1/2009
Guyton B: World Cocoa Foundation Announces Launch of Cocoa Livelihoods Program in Ghana. Pressemitteilung der WFC vom 19. Oct. 2009
GTZ: Förderung nachhaltiger Kakaoproduktion. Projekt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Nestle-Pressemitteilung: Nestle and sustainable cocoa: The Cocoa Plan.
Eine hübsche Studie, die auch ins bekannte Bild passt. Aber bitte nicht zu hoch hängen, denn auch die Gesamtsterblichkeit sank mit der Schokolade etwas, aber längst nicht so eindrucksvoll wie beim Herzinfarkt. Fazit: Wer Schokolade mag, kann sie auch weiterhin mit Vergnügen essen. Sorgen bereitet uns derzeit etwas anderes: Die Kakaopreise steigen unaufhaltsam. Sie neigen zwar generell zu starken Schwankungen, weil der Rohstoff aus politisch instabilen Regionen stammt: Die wichtigsten Lieferanten sind westafrikanische Länder wie Elfenbeinküste, Ghana oder Nigeria.
Neben Bürgerkriegen und Spekulanten spielt auch die wachsende Nachfrage eine Rolle, auf der anderen Seite sinken die Erträge - einfach deshalb, weil viele Plantagen überaltert sind. Schädlinge und Krankheiten haben leichtes Spiel. Dabei sind die Plantagen von Natur aus alles andere als robust. Kaum noch eine Region, die nicht schon mindestens einmal von einer Krankheit oder einem Schädling verwüstet worden wäre. Mal war es die Schwarzfäule, dann die Hexenbesenkrankheit, dann kamen die Wanzen oder die javanischen Kakaomotten.
Die Ernteverluste sind hoch, die landwirtschaftlichen Methoden ineffizient. Die Qualität des Kakaos könnte deutlich besser sein. Der Bürgerkrieg in der Elfenbeinküste, dem mit Abstand wichtigsten Lieferland, hat schlimmere Spuren hinterlassen als die Schädlinge. Weil die Infrastruktur zerstört ist, kommt die Ware verschimmelt in den Ausfuhrhäfen an.
Die Arbeitsbedingungen und Löhne in Westafrika sind indiskutabel. Da ist nicht mehr von Kinderarbeit die Rede sondern von Kindersklaverei - eine bittere Erkenntnis, die wir der Aufmerksamkeit von Greenpeace verdanken. Der Zwischenhandel im Land ist ebenso vielschichtig wie undurchsichtig. Mit den Erlösen aus dem "Braunen Gold" werden wiederum die Bürgerkriegsparteien finanziert. Eine ziemlich verzwickte Lage also.
Eine solche Melange ist für Unternehmen, die Kakao verarbeiten, ein einziges Minenfeld. Und genau das scheint inzwischen in den Chefetagen angekommen zu sein. Anfang 2010 soll ein groß angelegtes Programm eine grundlegende Änderung herbeiführen. Die Bill & Melinda Gates-Stiftung sowie 12 internationale Konzerne haben 90 Millionen Doller locker gemacht. Als erstes werden 60.000 Kleinbauern in Ghana geschult, es werden soziale Dienste eingerichtet und vermutlich soll auch der dubiose Zwischenhandel eingedämmt werden. Das Projekt wird auch vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt.
Ein weiterer Kakaoverarbeiter, nämlich Nestle, investiert in eigener Sache sogar über 100 Millionen Dollar. Damit sollen unter anderem zwölf Millionen krankheitsresistente Bäume gepflanzt werden – nicht nur um den Ertrag zu erhöhen sondern auch um den Einsatz von Pestiziden zu senken. Gratuliere! Es freut mich sehr, dass es offenbar doch noch unternehmerisch Sinnvolleres gibt als nur die Behandlung mentaler Blähungen mit probiotischen Joghurts. Mahlzeit!
Literatur:
Janszky I et al: Chocolate consumption and mortality following a first acute myocardial infarction: the Stockholm heart epidemiological program. Journal of Internal Medicine 2009; 266: 248-257
Haendler H: Elfenbeinküste – das Land kommt nicht aus dem Chaos. Süßwaren 1/2009
Guyton B: World Cocoa Foundation Announces Launch of Cocoa Livelihoods Program in Ghana. Pressemitteilung der WFC vom 19. Oct. 2009
GTZ: Förderung nachhaltiger Kakaoproduktion. Projekt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Nestle-Pressemitteilung: Nestle and sustainable cocoa: The Cocoa Plan.