Sorgen in Slowenien

Von Jörg Paas · 06.04.2011
Jahrelang galt Slowenien als Musterschüler unter den neuen EU-Mitgliedsländern. Es glänzte mit Wachstumsraten, die kaum ein anderes Land aufwies. Doch die Zeiten haben sich geändert.
Heute blicken viele Slowenen eher sorgenvoll in die Zukunft. Gleich drei Faktoren tragen zur schlechten Stimmung bei: hohe Verschuldung, hohe Arbeitslosigkeit und eine heillos zerstrittene Regierung.

Im Zentrum von Sloweniens Hauptstadt Ljubljana laden die zahlreichen Cafés an beiden Ufern des Flüsschens Ljubljanica in diesen Tagen bei frühlingshaften Temperaturen zum Verweilen ein. Von Krise ist hier nichts zu spüren. Und doch hat das kleine Land auf der Sonnenseite der Alpen schon seit Monaten große Sorgen.

Im Nachbarland Österreich beobachtet die Slowenien-Expertin Hermine Vidovic vom renommierten Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche die Entwicklung sehr genau:

"Die Slowenen waren sehr verwöhnt in der Vergangenheit, weil alles eigentlich sehr smooth gegangen ist. Sie hatten wenig Probleme, hatten auch immer wieder sehr gute Bewertungen von außen. Und jetzt sind sie erstmals eigentlich seit Erlangung der Unabhängigkeit in einer Situation, wo sie ins Strudeln geraten sind."

Jahrelang galt Slowenien als Musterschüler. Als erster EU-Neuling führte es 2007 den Euro ein, glänzte mit Wachstumsraten und wurde von den Nachbarn regelrecht bewundert. Doch davon ist nicht viel übrig geblieben. Die internationale Finanzkrise hat das ehrgeizige kleine Land besonders hart getroffen:

"Slowenien war wirklich der best performer unter den neuen Mitgliedsländern bis zum Jahr 2008. Dann gab es einen enormen Einbruch, der eigentlich nicht erwartet worden war. Slowenien war dann nach den baltischen Staaten, die ja besonders stark von der Krise betroffen waren, das nächste Land, das einen sehr starken Einbruch im Wirtschaftswachstum gehabt hat."

Der tiefe Absturz hatte gleich mehrere Gründe. Zum einen hat das einstige Vorzeigeland seine Hausaufgaben in Sachen Privatisierung nur unzureichend gemacht. Im Vergleich zu anderen Reformstaaten fehlt Slowenien deshalb heute ausländisches Kapital und Know-how - und damit Produktivität.

Zum anderen waren die Sparziele der Regierungen in Ljubljana – sowohl unter konservativer als auch unter sozialdemokratischer Führung – in den letzten Jahren viel zu halbherzig. Von Haushaltskonsolidierung kann schon lang keine Rede mehr sein, sagt die Wirtschafts- und Finanzexpertin Hermine Vidovic:

"Slowenien hat sehr auf Pump gelebt, und das fällt ihnen jetzt auch auf den Kopf. Wenn man schaut, die ausländischen Schulden gemessen an dem Bruttoinlandsprodukt sind über 100 Prozent, und das ist bei Weitem höher als in den meisten anderen neuen EU-Mitgliedsländern."

Sloweniens Ministerpräsident Borut Pahor hängt seit Monaten in einem geradezu beispiellosen Umfragetief. Gerade mal 15 Prozent sind mit der Arbeit der Regierung noch zufrieden. Am beliebtesten ist immer noch die Rentnerpartei, aber das wohl auch nur, weil sie sich gegen die – nach Ansicht von Experten – dringend überfällige Pensionsreform stellt und damit den politischen Betrieb mehr oder weniger lahm legt. Viele Menschen fühlen sich mit ihren Sorgen allein gelassen:

"Die Arbeitslosigkeit liegt jetzt ungefähr zwischen sieben und acht Prozent, gemessen nach den Arbeitskräfte-Erhebungen. Und würden wir die registrierte Arbeitslosigkeit heranziehen, dann wäre das noch höher. Das heißt, auch ein Teil der Kaufkraft geht verlustig dadurch, dass sehr viele Leute arbeitslos geworden sind."

Verglichen mit den anderen EU-Neulingen steht Slowenien dennoch - trotz aller Probleme - auch heute immer noch gut da, sagt Hermine Vidovic vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche:

"Würden wir es jetzt messen EU-gesamt nach Kaufkraftparitäten, ist Slowenien sicherlich noch immer das neue Mitgliedsland der Europäischen Union, das am höchsten entwickelt ist."