Sorge um die Medienvielfalt

Von Michael Meyer · 22.11.2007
Westliche Medienkonzerne kaufen sich reihenweise in Osteuropa ein, oder Mogule aus den jeweiligen Ländern beherrschen den Markt. Für die Meinungsvielfalt ist diese Tendenz nicht förderlich. Im Auswärtigen Amt in Berlin fand der fünfte "European Television Dialogue" statt. Im Mittelpunkt stand die Medienentwicklung in Bulgarien und Rumänien, aber auch in Polen.
"Man weiß mehr über manche Mondlandschaft als über die Medienlandschaft in Osteuropa", scherzte Außenminister Frank-Walter Steinmeier zur Eröffnung des "European Television Dialogue". Und doch steckt in dieser Bemerkung ein Stück Wahrheit: Die weitgehend unbekannte Medienlandschaft Osteuropas rückt allenfalls zufällig in den Blickpunkt - wie etwa diese Woche. Der Grund: Zwei Zeitungen des WAZ-Konzerns in Bulgarien sind in die Kritik geraten, weil sie in geradezu zynischer Weise eine Hetzkampagne gegen eine Wissenschaftlerin gestartet hatten. WAZ-Geschäftsführer Bodo Hombach meinte daraufhin, dass man künftig bei den osteuropäischen Zeitungen des Konzerns genauer hinschauen müsse. Leider sagte ein Vertreter des WAZ-Konzerns die Teilnahme an der Tagung kurzfristig ab.

Das neue EU-Mitglied Bulgarien ist ein gutes Beispiel dafür, wie unbefriedigend die mediale Entwicklung in Teilen Osteuropas verlaufen ist, vor allem im Fernsehen. Zwei Fernsehsender teilen sich den Großteil des Marktes auf: B-TV, in der Hand von Rupert Murdochs News Corporation, und Nova-TV, das einem griechischen Medienunternehmen namens Antena gehört. Das öffentliche staatliche Fernsehen kommt mit 16 Prozent Marktanteil erst auf Platz drei. Für die Macher des öffentlichen Fernsehens ist es eine traurige Realität, das sich ein Großteil der Zuschauer lieber von den Privatsendern und deren amerikanischen Fernsehserien berieseln lassen. Allerdings, so Sevda Shishmanova, Vorstandsmitglied des bulgarischen Staatsfernsehens, gebe es durchaus auch guten Journalismus im Fernsehen - und das trotz des von der Politik dominierten Verwaltungsrates:

"Ich denke, dass freies Arbeiten, Recherchieren im Moment in Bulgarien nicht so sehr das Problem ist, zumindest nicht im öffentlichen Fernsehen. Heute befinden wir uns in einem ganz anderen Prozess als noch vor wenigen Jahren, denn wir werden immer erfolgreicher am Fernsehmarkt. Gerade durch die Konkurrenz mit den Privatsendern können wir es uns nicht mehr erlauben, auf dasselbe Niveau zu verfallen. Zum Beispiel sind die Nachrichtenprogramme, die politischen Sendungen bei uns sehr beliebt, sie haben sehr gute Einschaltquoten.""

Die Konkurrenz der übermächtigen Privatsender ist im Nachbarland Rumänien ähnlich stark. Hier haben sich in den 90er Jahren zwar nicht so sehr westliche Medienkonzerne eingekauft, aber das stark regionalisierte Fernsehen in Rumänien ist von der Gnade ihrer jeweiligen Eigner abhängig. Und das sind in der Regel Wirtschaftsbosse, die oft auch noch gleichzeitig in der Politik tätig sind nach dem Motto: "Tust Du mir einen Gefallen, bekommst Du auch eine gefällige Berichterstattung in meinem Fernsehsender". Für den Journalismus in Rumänien ist das fatal, beklagt Iona Avadani vom Zentrum für unabhängigen Journalismus in Burakest:

"Leider beobachten wir seit dem Eintritt am 1. Januar 2007 in die Europäische Union einen gewissen Rückwärtsprozess. Seitdem hatten wir - im Juni - einen Politiker an der Spitze des Öffentlichen Fernsehens, wir hatten im Oktober die Einführung eines Strafverfolgungsparagrafen für Journalisten - der ist sehr restriktiv -, und erst letzte Woche hatten wir einen Versuch, das Gesetz über die Freiheit der Presse stark einzuschränken. Liebe Leute, warum sind wir eigentlich der Europäischen Union beigetreten, wenn das das Ergebnis ist? Man muss wohl feststellen, dass sobald eine Übergangsphase vorüber ist, die Menschen zu ihren alten Gewohnheiten und Denkweisen zurückkehren."

Eine Gefahr für die Meinungsvielfalt im Fernsehen stellt auch die veraltete Übertragungstechnik dar. Kabelnetze sind wenig verbreitet - das Fernsehen kommt entweder terrestrisch oder per Satellit in die Haushalte, und das weitgehend analog. Wer die Umrüstung auf Digitaltechnik bezahlen wird, ist noch völlig unklar. Zu befürchten ist, dass wieder einmal große Konzerne einspringen und den Markt erneut nach ihren Vorstellungen umformen werden.

Themen wie dieses wären eigentlich ein Fall für die europäische Öffentlichkeit - jedoch nimmt Westeuropa die mediale und politische Entwicklung in den neuen Beitrittsländern der EU kaum zur Kenntnis. Gerade deswegen wäre eine stärkere, gemeinsame europäische Öffentlichkeit nötig, so meint jedenfalls Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement . Er kämpfe daher für ein gesamteuropäisches Fernsehprogramm:

"Und mir geht es dabei nicht um, um das mal klar zu sagen 'Arte mal 27', sondern es geht um ein vollwertiges, ein alleinstehendes, ein originäres, in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union empfangbares Fernsehprogramm, das Information, Meinungen, Services, Entertainment, Sport, Kultur, Wirtschaft, hör- und sichtbar aus und über unseren Kontinent kommuniziert, und so zueinanderbringt. Das ist meine Vorstellung von einem Qualitätsprogramm der Zukunft."

Doch der Plan eines paneuropäischen Programms, wie Clement es sich vorstellt, wird in naher Zukunft kaum realisierbar sein. Das liegt nicht nur am Geld, sondern vor allem an der mangelnden Akzeptanz von derlei Programmen: Euronews, CNN, BBC World, France 24 - all diese Programme verzeichnen in Europa eine eher schwache Akzeptanz unter anderem auch wegen der Sprachenvielfalt.

Erfolgversprechender ist da eher die kleine Lösung eines binationalen Programms, konkret zwischen Deutschland und Polen. Das gelegentlich belastete Verhältnis zwischen beiden Ländern könnte sich mittels eines Fernsehprogramms verbessern. Wolfgang Kenntemich, Fernsehchefredakteur des Mitteldeutschen Rundfunks, kann sich ein solches Projekt, ähnlich dem deutsch-französischen Arte, sehr gut vorstellen:

"Was ich schon denke ist, dass wir vergleichbar mit den Polen einiges auf den Weg bringen sollten. Es gibt zwar schon das deutsch-polnische Jugendwerk, es gibt vielfältige Austauschprogramme, es gibt Stiftungen, die sich auch kümmern, aber in der Tat im Medienbereich gibt es nichts, was Arte vergleichbar wäre, das auch genau diesen Beziehungen besser angepasst wäre und auch einen anderen finanziellen Rahmen bekommt, besser funktioniert. Sie Zeit ist ja auch fortgeschritten, wir haben ja inzwischen eine andere mediale Welt, nicht mehr das eindimensionale Fernsehen, was Arte letztendlich ist, sondern eine multi- oder transmediale Welt, in der vieles zusammenwächst. Und da sehe ich auch eine große Chance für Deutsche und Polen, sich so ein Projekt vorzunehmen."