Sorbische Volkslieder und DDR-Chorliteratur

Von Bettina Ritter · 19.11.2010
Der Chor "Cantemus" aus dem brandenburgischen Luckau ist ein relativ junges Ensemble: Drei der 30 Mitglieder gehen noch zur Schule, der älteste Sänger ist jung gebliebene 60 - viele von ihnen sind Pädagogen, Lehrer und Angestellte.
Silke Barteczko:"Unser sozusagen jüngstes Chormitglied ist die kleine Hanka, die ist ein viertel Jahr alt und ist also das Ergebnis einer langjährigen Chorbeziehung. Wie das manchmal so ist: Der Tenor, der eigentlich nur aushilfsweise hier gelandet ist, ist dann hier geblieben. Und jetzt haben wir eben ne kleine Hanka."

Hanka ist ein echtes Chor-Baby. In der Aula des Luckauer Gymnasiums, in der an diesem Wochenende geprobt wird, sitzt sie auf dem Schoß ihres Vaters und lässt sich von den 30 Chormitgliedern bestaunen. Benannt haben sie ihre Eltern nach dem gleichnamigen Volkslied des Komponisten Krawac-Schneider. Luckau liegt in einer Gegend in Brandenburg mit teilweise sorbischer Tradition, sagt Chorleiter Peter Lippold, deshalb gehören diese Volkslieder zum festen Repertoire:

"Die Arbeit an der Chorliteratur macht Freude. Besonderheiten des Werkes herauszuarbeiten, an den Stimmen zu feilen."

Peter Lippold leitet den Kammerchor "Cantemus" seit seiner Gründung vor 17 Jahren.

"Dass einem ein Schauer über den Rücken läuft, dass man ne Gänsehaut bekommt, das sind so Eindrücke und Erlebnisse, die man im normalen Alltag ja selten hat."

Wenn man den 49 Jahre alten Stadt-Angestellten mit dem freundlichen Gesicht und in seinem weiten, karierten Flanell-Hemd sieht, käme man nicht auf die Idee, dass er vor dem Chor sehr bestimmt agieren kann.

Silke Barteczko: "Mir gefällt seine Arbeit sehr. Auch wenn wir uns manchmal kabbeln, ne? Das ist eine Stilrichtung, die mir gefällt, eben auch Arbeit am Kleinen oder Sichtweisen, die man selber gar nicht sehen würde. Gerade ich, die ich in diesem Metier auch arbeite, sehe viele Dinge dann ganz anders und ganz neu und von einer ganz anderen Seite. Und das gefällt mir immer wieder."

Silke Barteczko ist von Anfang an beim Luckauer Kammerchor dabei. Die 41-Jährige arbeitet als Klavierlehrerin und schätzt vor allem den semi-professionellen Anspruch von Peter Lippold. Und seine Auswahl der Lieder. Bach und Schütz stehen regelmäßig auf dem Programm, aber auch moderne Stücke und DDR-Chorliteratur, vor allem von dem Komponisten Rolf Lukowsky.

Der Kammerchor "Cantemus" ist aktiv: Vier CDs haben die Sängerinnen und Sänger schon produziert. Konzertreisen führten sie an die Ostsee, nach Thüringen und andere Orte in Deutschland, so der Leiter Peter Lippold:

"Aber besonders stolz waren wir, als wir 2004 beim Brandenburgischen Chorsingen den ersten Platz belegen konnten, zwei Jahre später in Cottbus sind wir dann Zweiter geworden. Ja, das sind besondere Höhepunkte des Chorlebens."

Der Luckauer Kammerchor ist relativ jung – von 16 bis 60 reicht die Altersspanne. Das Ensemble rekrutiert seine Sängerinnen und Sänger auch gern mal aus Schulchören. Die Schülerin Lisa Jurke ist 18 Jahre alt und wurde durch ihre Klavierlehrerin Silke Barteczko angeworben. Seit drei Jahren ist sie nun dabei und findet im Chor zu singen gar nicht uncool, ganz im Gegenteil:

"Ich finde, es ist ne Leistung, da mitzusingen. Gerade auch, wenn die anderen Mitglieder eines Chores so erwachsen sind. Das finden meine Klassenkameraden auch, die finden es schon immer ziemlich begeisternswert, dass ich das durchstehe. Weil es ja mit Erwachsenen manchmal ein bisschen schwierig ist."

Für Lisa sind die Konzerte die Höhepunkte im Chorleben. Als sie das erste Mal vor ihrer Familie auftrat und die sie nachher lobte, das sei ein ganz besonderer Augenblick gewesen, erinnert sie sich. Und überhaupt ist sie fasziniert von dem Prozess, der aus ein paar Noten auf dem Papier ein klingendes Musikstück zaubert:

"Es ist schon anspruchsvoll. Da denkt man immer erst: Oh Gott, was entwickelt sich daraus, wenn man’s dann aber hört, dann ist das schon cool, was da herauskommt, aus so ein paar schwarzen Punkten."

Die Freude an der Musik und die Lust am Singen übertragen sich regelmäßig aufs Publikum, wenn die 30 Chormitglieder bei Konzerten auf der Bühne stehen. Und auch die Ergriffenheit, sagt Silke Barteczko:

"Wenn Leute im Publikum sitzen, die dann ihr Taschentuch ziehen, dann könnte ich manchmal mitweinen."

Zum Thema:
Internetseite des Luckauer Kammerchors "Cantemus"

Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.