Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter

"Essen ist das wichtigste Designprodukt der Welt"

33:07 Minuten
Sonja Stummerer & Martin Hablesreiter
Sonja Stummerer & Martin Hablesreiter © stummerer / hablesreiter / akita / koeb
Moderation: Ulrike Timm · 24.04.2020
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Sie sind eigentlich Architekten, doch Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter beschäftigen sich seit mehr als zehn Jahren mit Essen. Sie fordern: Auch beim Design industriell hergestellter Lebensmittel müsse Nachhaltigkeit entscheidend sein.
Rote Gummibärchen sind in unserem Kulturkreis besonders beliebt und Menschen in Europa halten eher Tischmanieren ein als die Straßenverkehrsordnung. Das behaupten Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter.
"Jeder ist schon mal zu schnell Auto gefahren, obwohl das gesetzlich verboten ist und man auch dafür Strafe zahlen kann, aber an die Tischmanieren hält man sich mehr oder weniger freiwillig." (Stummerer)
"Bei den Tischmanieren essen wir alle wie die Königin von England. Diese Benimm-Bücher sind ja fast alle von Adeligen geschrieben. Wenn es um diese kulturellen Korsette geht, wird plötzlich dieses traditionelle Gelabere von höheren Kreisen (…) so wichtig – und wir halten uns wirklich alle dran!" (Hablesreiter)

Kulturelle Regeln mit spannender Vorgeschiche

Die beiden Österreicher sind eigentlich Architekten, die sich aber seit 2003 intensiv mit Themen der Alltagskultur beschäftigen – insbesondere mit Lebensmitteln und Essgewohnheiten. Als Künstlerduo "honey & bunny" haben sie mehrere ebenso informative wie witzige Fotobände und internationale Ausstellungen rund ums Thema Essen gestaltet. Sie halten Vorträge, drehen Videos oder zeigen durch Performances und Inszenierungen: Die Art unserer Nahrungsaufnahme ist kein Zufall, sondern Folge kultureller Regeln, die spannende Vorgeschichten haben. Ein längerer Japan-Aufenthalt ließ die beiden auch die eigene Kultur mit anderen Augen sehen und bestimmte festgefahrene Grundsätze hinterfragen.
"Wenn ich in einen Supermarkt reingehe, kann ich sehr gut erkennen, wie eine Kultur tickt. Das ist sehr interessant. (…) Wenn man in einer sehr sehr fremden Kultur ist, merkt man, wie absurd die eigene ist. (…) Wir nehmen unsere eigene Kultur als gottgegeben wahr und gehen ja davon aus, dass die ganze Welt so funktioniert wie unsere." (Hablesreiter)
Mit der Zeit gewöhne man sich aber an die fremde Umgebung und auch daran, dass diese mit einem selbst vertrauten Traditionen nichts anzufangen weiß und auch mal eine Sachertorte in kleine Würfel schneidet.
Martin Hablesreiter & Sonja Stummerer
Martin Hablesreiter & Sonja Stummerer© stummerer / hablesreiter / akita / koeb

"Design ist die Schnittstelle von Veränderung"

Ihr Wissen über die industrielle Fertigung von neuen Lebensmitteln hat Stummerer und Hablesreiter aber auch zu Kritikern des herkömmlichen food designs gemacht. Sie fordern: Auch beim Design müsse der Gedanke der Nachhaltigkeit eine entscheidende Rolle spielen. Denn: "Design ist die Schnittstelle von Veränderung."
"Den professionellen Food-Designer gibt es ja gar nicht. Es gibt eine Handvoll Leute, die sich mit diesen Phänomenen auseinandersetzen. Es ist sicher etwas, dass jetzt aufkocht ein bisschen, aber bei der Großindustrie arbeiten keine Food-Designer, da arbeiten höchstens Naturwissenschaftler und Marketing-ExpertInnen." (Hablesreiter)
"Aber in der Design-Branche entwickelt sich eine Food-Design-Szene. Es gibt Designer, die sich auf Essen spezialisieren, die aber nicht unbedingt für die Industrie arbeiten, sondern eher im kulturellen Bereich, mit Köchen oder mit Caterern oder für spezifische Design-Entwicklungen, auch in Restaurants." (Stummerer)
Sonja Stummerer & Martin Hablesreiter
Sonja Stummerer & Martin Hablesreiter© stummerer / hablesreiter / akita / koeb
Ulrike Timm spricht mit den beiden Künstlern, Food-Designern und Architekten über kulturelle Gewohnheiten, Nachhaltigkeit in der Lebensmittelbranche und darüber warum gerade beim Essen Design gefragt ist.
(Die Sendung ist eine Wiederholung von "Im Gespräch" am 15. Dezember 2017.)
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