Der Godfather aus Omaha
Wer in Omaha, Nebraska, Musik macht, kommt an Tim Kasher kaum vorbei. 20 Alben hat er mit verschiedenen Bands aufgenommen, so richtig berühmt ist er nicht geworden. Dafür hat er großen Einfluss auf andere Musiker wie Conor Oberst von den "Bright Eyes".
Klingt so ein Mann, der früher mal unter dem Begriff Hard- oder Emocore einsortiert wurde? Nein, diese Geigen, Flöten und kammerorchestralen Arrangements entstammen dem Film "No Resolution". Drehbuch, Regie und Musik: Tim Kasher, mittlerweile 42 Jahre alt. Menschen verändern sich, auch wenn die beste schlechte Stimme Amerikas - wie es mal ein Kritiker schrieb - auf diesem neuen Soundtrack Tim Kashers ebenfalls zu hören ist.
1993 veröffentlichte Tim Kasher sein erstes Album. Er führte zwei Bands an: die lauteren "Cursive" und die etwas leiseren "The Good Life" – das gute Leben. Bis 2003 lautete so übrigens auch das offizielle Motto des US-Bundesstaates Nebraska. Tim Kasher lebt seit einem Jahr in Los Angeles, was ganz gut passt, denn er arbeitet nebenbei als Drehbuchautor. Grund für den Umzug war jedoch: Seine Frau, die er kürzlich heiratete, bekam dort einen Job, weswegen man von Chicago an die Westküste zog. Und was ist mit Omaha?
Der Geschichtenerzähler
"Omaha liegt ziemlich zentral in der Mitte Amerikas. Der ideale Standort für eine Band. Außerdem ist das Leben dort billig. Etwas, das ich gerade sehr vermisse", sagt Kasher. Trotzdem komme er oft zurück nach Omaha, vier, fünf Mal pro Jahr. "Ich spiele dort mit Bands, beginne oder beende Tourneen und so weiter. Die Verbindung zu Omaha ist immer noch ziemlich eng."
Es gibt vieles, was man an Tim Kashers Kunst loben kann. Zum Beispiel, dass er ein Geschichtenerzähler im Songformat ist. Etwa wie Paul Simon oder Leonard Cohen, nur eben mit einer Schwäche für verzerrte Indierock-Gitarren und durchaus komplexe Arrangements.
Für die Verknüpfung von Musikalbum und Spielfilm interessiert sich Kasher schon länger. Zu einem Werk seiner Band "The Good Life" sollte schon einmal ein Film entstehen, dessen Finanzierung jedoch im letzten Moment scheiterte.
Tim Kashers Soundtrack zum Film über eine scheiternde Zweierbeziehung funktioniert aber auch ohne Bilder. Doch klingen die Lieder visueller als seine normalen Songs? "Ich bin nicht sicher", meint er. "Wenn man die Songs so wahrnimmt, weil man den Film gesehen hat und sich diese Erfahrung mit der Musik verknüpft - vielleicht ja. Ich fände das großartig." Trotzdem habe er keine Songs geschrieben, die spezifisch mit einem Film funktionieren sollen. "Ich glaube aber, dass sie sehr schön in diesen Film hineinpassen.
Songs über Rastlosigkeit, Frustration, Misstrauen
"No Resolution" ist ein kunstvoll emotionales Songwriter-Album, das eine gewisse Indierock-Attitüde mit orchestralen Arrangements vermischt. "No Resolution" erzählt eine dramatische Beziehungsgeschichte: ein verlobtes Paar, sie erwarten ein Kind, am Rand der Trennung.
Es sind Songs über Rastlosigkeit, Frustration, Misstrauen und Druck. Selbst wenn man nicht auf die Texte achtet, der Zuhörer spürt das Unbehagen in diesen Liedern. Tim Kasher brachte vor einigen Jahren selbst eine schmerzhafte Scheidung hinter sich. Man kann man davon ausgehen, dass Album und Film ein Stück weit biografisch sein könnten. Eine Biografie, die musikalisch 1993 in Omaha begann. Jenem Jahr, in dem auch das Label Saddle Creek gegründet wurde. Dort wurden kurze Zeit später Conor Oberst und seine Band "Bright Eyes" berühmt.
"Conor ist ein bisschen jünger als ich. Ich war ein guter Freund seines älteren Bruders", erzählt Kasher. "Als Teenager arbeiteten wir sehr ambitioniert an unserer Musik, da war Conor oft dabei. Er war sehr jung damals, vielleicht elf Jahre alt."
Die Band hätte Conor ein wenig unter ihre Fittiche genommen. "Was sicher dazu beigetragen hat, dass er als Songwriter reifte. Aber auch Ted Stevens von meiner Band Cursive hatte großen Einfluss auf ihn. Im Endeffekt sehen wir uns alle als Kumpels. Conor schreibt tolle Songs, deshalb können wir anderen ebenso sagen, dass wir von ihm beeinflusst wurden."
"Schreib, was du bist"
Es ist nicht zu erwarten, dass sich der Bekanntheitsgrad des ewigen Geheimtipps Tim Kasher durch sein neues Album schlagartig vergrößern wird. Dabei wäre er für Fans ambitionierter Songwriter wie Aimee Mann oder Ben Folds durchaus eine Entdeckung. Verbittert über die eigene Karriere ist Tim Kasher jedoch nicht. Für ihn war es nie eine Alternative, seine mitunter sperrig-kunstvollen Song-Kurzgeschichten in kommerziellere Formen zu gießen.
"So schreibe ich, das ist meine Musik", meint er. "Würde ich versuchen, kommerzielle Musik zu machen, wäre das nicht authentisch und deshalb wahrscheinlich auch nicht erfolgreich." Denn das Publikum würde so etwas sofort erkennen. "Ich gebe jüngeren Songwritern immer den Tipp: Schreib, was du bist. Und nimm die Dinge, wie sie kommen. Wenn es den Leuten gefällt, dann wird das großartig."