"Songs & Dances" von Anne Hartkamp

Eine wortlose Virtuosin

Die Sängerin Anne Hartkamp.
Die Sängerin Anne Hartkamp. © Michael Hecker
Von Jan Tengeler |
Anne Hartkamp ist eine der vielseitigsten deutschen Jazz-Sängerinnen. Sie singt auf Englisch und Deutsch, besonders beeindruckt sie aber ganz ohne Text. Ihr ureigener Scatstil widmet sich menschlichen Lauten, nicht den Worten.
"So was wie 'Scatterd minds', das war schon sehr ausgefuchst. Diesen Sprechtext am Anfang und diese Melodie, erst Fragmentiert und wächst sich dann zu ihrer Gänze zusammen und dann gibt es die Solosection und dann gibt es noch ein anderes Thema über das Thema drüber. Das war schon ziemlich klar. Es gibt andere Sachen, wo die jungs mehr Input haben. Das sind nicht nur Abspieler, sondern auch kreative Musiker."
So wie der Titel "Scattered Minds" ("Verstreute Köpfe") – so auch die Musik: die nervös-komplexe Komposition von Anne Hartkamp kann auch als Allegorie auf eine Gegenwart verstanden werden, in der man vor lauter Einflüssen aus Kunst und Medien zuweilen den Kopf verliert oder hochvirtuos die Balance zu halten versucht. Dass die Sängerin, Komponistin und Textdichterin ihr Handwerk beherrscht, ist spätestens hier klar. Aber es geht nicht nur ums Handwerk - sie hat auch ihren eigenen Stil entwickelt, der sich insbesondere im Singen ohne Worte zeigt.

Zwei Extreme treffen sich

"Es sind zwei Extreme, die sich treffen. Der eine ist aus der Zeit, wo ich anfing, mich für Jazz zu interessieren, diese Komplexität, die jazz manchmal hat, so was wildes, abstraktes, die Improvisation und ich habe mich für manche Instrumentalisten sehr begeistert. Coltrane, Steve Lacy, Monk, Mingus, das abzubilden ging nicht eins zu eins sowieso nicht, aber mich anzunähern. Größtenteils mit Lauten und nicht mit Texten. Das ist die eine Seite.
Die andere ist…sagt dir Roy Hart Theater was? Roy Hart war ein Schauspieler in London. Da geht es darum, die Stimme nicht nur in den engen Grenzen des konventionellen, als schön geltenden zu benutzen, sondern alle Laute, die die Stimme machen kann mit einzubeziehen. Das ist eine Arbeit, die auf das Emotionale und Archaische zurückgreift und das ist ganz oft ohne Worte. Wenn man jubelt oder weint oder schreit, ist das wortlos. Irgendwie treffen sich diese beiden Extreme beim Singen ohne Worte für mich."
Singen ohne Worte ist nur eine von vielen Facetten der Anne Hartkamp. Mit der gleichen Neugier erforscht sie Texte. Nachdem sie sich mit dem Songprojekt "Hartkamp" der deutschen Sprache gewidmet hat, stehen jetzt wieder englische Texte im Mittelpunkt. Das Stück "The Moon a sphere" zeigt, wie ein und dieselbe Komposition in unterschiedlichen Sprachen auch unterschiedliche Formen annimmt.

Eine studierte Germanistin

"Für die Musik passt es besser auf Englisch. Wir haben auf der Scheibe hier, da ist ein Stück drauf: The Moon", die Ballade. Das ist auf der Hartkamp-Scheibe drauf, da heißt es: der Mond ist rund. Das ist das gleiche Stück, es klingt anders, wir haben es anders arrangiert. In dem andren Kontext, ich habe auch überlegt es auf deutsch zu singen, es wäre gewollt gewesen. Ich schließe nich aus, dass ich auch mal ein Jazz-Projekt mit deutschen Texten mache. Aber das ist noch mal eine andere Entwicklung."
Anne Hartkamp ist studierte Germanistin und Musikwissenschaftlerin. Sie hat sich auch intensiv mit klassischem Gesang befasst, bevor sie sich ganz dem Jazz widmete. In den 80er-Jahren begann sie, sich mit den Ausdrucksmöglichkeiten in diesem Genre zu befassen und stellte fest, dass ein ganz bestimmtes, eingeschränktes Klangideal die Köpfe beherrschte.

Auf der Suche nach hellen Jazz-Stimmen

"Eigentlich musste man eine schwarze Stimme haben. Möglichst rauchig und dunkel und dann kam ich mit 'Hallo, ich will Jazz singen.' Und es gab Leute, die gesagt haben, sing doch lieber was anderes. Ich weiß noch in der A-Capella-Gruppe Band mit Alexandra Neumann, die auch eine hohe Stimme hat, ich habe jetzt noch eine Kassette mit 'High is beautiful', wir haben nach hellen Stimmen im Jazz gesucht."
Mittlerweile gehört Hartkamp selbst zu den Sängerinnen Marke 'High is beautiful' eine hohe Stimme kann schön sein. Muss aber nicht schön sein - auch das gehört zu ihrer Kunst. Allerdings zeigt auch der Titel ihrer neuen CD "Songs and Dances", dass die freie und wilde Improvisationskunst im zumutbaren Rahmen bleibt. Es ist ein abwechslungsreiches Album, das vor allem durch die schönen Momente überzeugt. Und natürlich durch das Zusammenspiel der großartigen Mitspieler, die Hartkamp um sich schart. Mit Oliver Rehmann, Schlagzeug, Andre Nendza, Bass und Thomas Rückert, Klavier kann sie auf kammermusikalische feinsinnige Weise wunderbar kommunizieren.
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