Sonderlinge auf der Suche nach Wärme
Es geht um die Sehnsucht nach Halt, Freundschaft und Liebe: Ein wenig spöttisch, aber sehr ergreifend entfaltet Gwendoline Riley in ihrem Roman "Cold Water" eine Art Sozialstudie über die Nachtgestalten, die in einer Bar auf die Ich-Erzählerin Carmel treffen. Am Ende will man unbedingt wissen, wie das Leben der Protagonistin weiter geht, und hofft auf eine Fortsetzung.
Die zwanzigjährige Ich-Erzählerin Carmel McKisko arbeitet als Barkeeperin in Manchester. Feste Beziehungen geht sie nicht ein, schlagfertig und cool meistert sie den Alltag. Am Tresen ihrer Bar trifft sie die verschiedensten Nachtgestalten: einsame Melancholiker, exzentrische Sonderlinge und merkwürdige Eigenbrötler.
Deren Gemeinsamkeit ist, dass sie einen Sinn in ihren jeweiligen Leben suchen: einen Halt, Freundschaft oder vielleicht sogar Liebe. Diese Sehnsüchte spürt auch Carmel. Sie träumt von ihrer Kindheit in Cornwall, von ihrem Ex-Freund und vom Rocksänger Steven, ihrem früheren Schwarm.
Äußerst prägnant und wunderbar originell entfaltet Gwendoline Riley vor dem Leser fast schon eine Sozialstudie des nächtlichen Manchester - ein wenig spöttisch und sehr ergreifend.
Ob die Autorin fortan als Manchesters Antwort auf Charles Bukowski gehandelt werden kann, ist fraglich, denn die schmuddeligen Aspekte des menschlichen Lebens stellt Riley bei weitem nicht so in den Mittelpunkt, wie Bukowski es zeitlebens tat. Auch "Mackertum" ist Rileys Sache nicht. Allerdings stammen ihre Protagonisten aus ähnlichen Milieus wie die Helden des amerikanischen Dichters: Kleinkriminelle, Obdachlose, Huren und Säufer.
Den Fokus ihres Romans "Cold Water" hatte Bukowski in seinen Texten so allerdings nie im Auge: das Gefühl, das einen Menschen mit Anfang 20 beschleicht. Langsam wird erkennbar, dass die Vergangenheit bereits erste Prägungen hinterlassen hat, aber die Zukunft liegt noch im Ungewissen. Und das vielleicht noch eine ganze Weile. In Interviews gibt Gwendoline Riley immer wieder ihren Leitsatz zum Besten: Den letzten Absatz aus "Der große Gatsby" von ihrem literarischen Vorbild F. Scott Fitzgerald: "So regen wir die Ruder, stemmen uns gegen den Strom und treiben doch stetig zurück, dem Vergangenen zu."
Gwendoline Rileys ersten Roman, der in England schon vor sechs Jahren erschien, prägt eine mehr treffsichere als detaillierte Beobachtungsgabe. Die Sätze sind kurz, die Urteile der Protagonistin souverän, aber niemals schroff. Das mag daran liegen, dass Riley selbst knapp über 20 war, als sie das Buch schrieb und dass ihre Gefühlswelt womöglich nicht allzu stark von der der Erzählerin abweicht.
"Cold Water" ist aber kein Coming-of-Age-Roman, dazu ist das Buch viel zu sehr eine Art Momentaufnahme. Der Schwerpunkt der Geschichte liegt auch nicht auf der Entwicklung der Hauptperson. Die Handlung löst weder eine Veränderung aus, noch ist ein nennenswerter Reifeprozess Gegenstand. Unbestritten ist "Cold Water" halb autobiografisch, und wer Manchester kennt, muss nicht lange rätseln, in welcher Bar die Erzählerin jobbt.
Haupt-"Person" des Buchs ist ein Gefühl, noch dazu ein schwer fassbares, nämlich Orientierungslosigkeit. Es ehrt die Autorin, dass sie keine plumpen Lösungen anbietet, ihrer Erzählerin aus diesem Dilemma zu helfen. Und es gibt Gwendoline Riley die wunderbare Möglichkeit, eine Fortsetzung zu schreiben. Denn was in zehn oder zwanzig Jahren aus Carmel McKisko geworden ist, möchte man als Leser schon gerne wissen. Spätestens dann, wenn die Zwanzigjährige vierzig ist.
Rezensiert von Roland Krüger
Gwendoline Riley: Cold Water
Aus dem Englischen von Sigrid Ruschmeyer
Schöffling & Co., Frankfurt am Main, 2008
153 Seiten, 17,90 Euro
Deren Gemeinsamkeit ist, dass sie einen Sinn in ihren jeweiligen Leben suchen: einen Halt, Freundschaft oder vielleicht sogar Liebe. Diese Sehnsüchte spürt auch Carmel. Sie träumt von ihrer Kindheit in Cornwall, von ihrem Ex-Freund und vom Rocksänger Steven, ihrem früheren Schwarm.
Äußerst prägnant und wunderbar originell entfaltet Gwendoline Riley vor dem Leser fast schon eine Sozialstudie des nächtlichen Manchester - ein wenig spöttisch und sehr ergreifend.
Ob die Autorin fortan als Manchesters Antwort auf Charles Bukowski gehandelt werden kann, ist fraglich, denn die schmuddeligen Aspekte des menschlichen Lebens stellt Riley bei weitem nicht so in den Mittelpunkt, wie Bukowski es zeitlebens tat. Auch "Mackertum" ist Rileys Sache nicht. Allerdings stammen ihre Protagonisten aus ähnlichen Milieus wie die Helden des amerikanischen Dichters: Kleinkriminelle, Obdachlose, Huren und Säufer.
Den Fokus ihres Romans "Cold Water" hatte Bukowski in seinen Texten so allerdings nie im Auge: das Gefühl, das einen Menschen mit Anfang 20 beschleicht. Langsam wird erkennbar, dass die Vergangenheit bereits erste Prägungen hinterlassen hat, aber die Zukunft liegt noch im Ungewissen. Und das vielleicht noch eine ganze Weile. In Interviews gibt Gwendoline Riley immer wieder ihren Leitsatz zum Besten: Den letzten Absatz aus "Der große Gatsby" von ihrem literarischen Vorbild F. Scott Fitzgerald: "So regen wir die Ruder, stemmen uns gegen den Strom und treiben doch stetig zurück, dem Vergangenen zu."
Gwendoline Rileys ersten Roman, der in England schon vor sechs Jahren erschien, prägt eine mehr treffsichere als detaillierte Beobachtungsgabe. Die Sätze sind kurz, die Urteile der Protagonistin souverän, aber niemals schroff. Das mag daran liegen, dass Riley selbst knapp über 20 war, als sie das Buch schrieb und dass ihre Gefühlswelt womöglich nicht allzu stark von der der Erzählerin abweicht.
"Cold Water" ist aber kein Coming-of-Age-Roman, dazu ist das Buch viel zu sehr eine Art Momentaufnahme. Der Schwerpunkt der Geschichte liegt auch nicht auf der Entwicklung der Hauptperson. Die Handlung löst weder eine Veränderung aus, noch ist ein nennenswerter Reifeprozess Gegenstand. Unbestritten ist "Cold Water" halb autobiografisch, und wer Manchester kennt, muss nicht lange rätseln, in welcher Bar die Erzählerin jobbt.
Haupt-"Person" des Buchs ist ein Gefühl, noch dazu ein schwer fassbares, nämlich Orientierungslosigkeit. Es ehrt die Autorin, dass sie keine plumpen Lösungen anbietet, ihrer Erzählerin aus diesem Dilemma zu helfen. Und es gibt Gwendoline Riley die wunderbare Möglichkeit, eine Fortsetzung zu schreiben. Denn was in zehn oder zwanzig Jahren aus Carmel McKisko geworden ist, möchte man als Leser schon gerne wissen. Spätestens dann, wenn die Zwanzigjährige vierzig ist.
Rezensiert von Roland Krüger
Gwendoline Riley: Cold Water
Aus dem Englischen von Sigrid Ruschmeyer
Schöffling & Co., Frankfurt am Main, 2008
153 Seiten, 17,90 Euro