Sondergipfel der OIC in Istanbul

Tiefpunkt für das türkisch-israelische Verhältnis

Der türkische Präsident Erdogan hat den derzeitigen OIC-Vorsitz.
Der türkische Präsident Erdogan hat den derzeitigen OIC-Vorsitz. © YASIN AKGUL / AFP
Von Christian Buttkereit  · 18.05.2018
Auf Einladung der Türkei trafen sich die Staaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit, OIC, zu einem Sondergipfel in Istanbul. Thema war das gewaltsame Vorgehen israelischer Grenzsoldaten gegen demonstrierende Palästinenser am vergangenen Montag.
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Unter diesem Motto waren bereits am frühen Nachmittag mehrere tausend Menschen auf den großen Demonstrationsplatz am Marmarameer geströmt. Viele hatten palästinensische Flaggen dabei. Wie bei derartigen Veranstaltungen üblich hatte die Stadtverwaltung kostenlose Busse zur Verfügung gestellt. Das Catering konnte sie sich jedoch sparen, denn vor zwei Tagen hatte der Fastenmonat Ramadan begonnen. Der erste Redner war der Parteivorsitzende der ultranationalistischen MHP, Devlet Bahceli:
"Der 14. Mai geht als Schande in die Geschichte der Menschheit ein. Der 14. Mai ist ein schwarzer Tag an dem der Terror-Staat Israel noch einmal sein wahres Gesicht gezeigt hat."
Parallel dazu hatten sich in einem Hotel die Außenminister zahlreicher OIC-Staaten versammelt. Die Organisation aus 56 Mitgliedsstaaten mit überwiegend muslimischer Bevölkerung hatte sich bereits im Dezember in Istanbul getroffen. Damals wurde die Entscheidung der USA, ihre Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, scharf kritisiert. Der Vollzug habe die Region nun in eine schwere Krise gestürzt, sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu heute:
"Durch den Umzug ihrer Botschaft nach Jerusalem haben die USA ein sehr provokantes Verhalten an den Tag gelegt. Israel wiederum fühlt sich durch diese rücksichtslose Haltung der USA ermutigt und massakriert kaltblütig unschuldige Palästinenser. Wir, die muslimische Gemeinschaft, müssen Israels Verbrechen an der Menschheit mit schaerfster Kritik entgegen treten. Wir alle müssen Verantwortung übernehmen um zur Lösung der Palästinafrage beizutragen."

Abschlusserklärung angestrebt

Wie genau diese Verantwortung aussehen soll – darüber soll am Abend beraten werden, wenn die Staats- und Regierungschefs eingetroffen sind. Cavusoglu hat aber schon recht konkrete Vorstellungen:
"Wir streben eine Abschlusserklärung an, in der wir zum Ausdruck bringen, dass wir eine Änderung des Status' dieser heiligen Stadt nicht zulassen werden. Dafür ist es wichtig, dass alle Teilnehmerländer solidarisch handeln und verhindern, dass andere Staaten dem Beispiel der USA folgen."
Ob sich das verhindern lässt, ist fraglich. Denn wichtige Akteure wie Saudi Arabien und Ägypten nehmen an dem OIC-Treffen nicht teil.
"Die Okkupations-, Gewalt- und Repressionspolitik Israels muss beendet werden. Es ist längst an der Zeit. Wir müssen erreichen, dass die für das Massaker verantwortlichen israelischen Zuständigen, sowie die israelischen Soldaten, die auf schutzlose Menschen geschossen haben, zur Rechenschaft gezogen werden."
Die Regierung in Ankara hatte bereits dem israelischen Botschafter und den Generalkonsul nahe gelegt, die Türkei zu verlassen, was diese inzwischen auch getan haben. Die türkische Israel-Politik ist aber nicht unumstritten.

Worum geht es Erdogan?

Ihsan Eliacik vom Verband der antikapitalistischen Muslime wirft der Regierung vor, es bei Symbolpolitik zu belassen, anstatt wirkliche Konsequenzen zu ziehen:
"Erdogan verteidigt islamische Werte nicht - er nutzt sie aus. Er hat bislang keinen Vertrag mit Israel aufgekündigt. Da gibt es zum Beispiel den Vertrag über eine Erdgas-Pipeline oder die Panzer- Modernisierung. Doch was tut er? Statt sie zu kündigen tut er das, was für gewöhnlich die Zivilgesellschaft oder die Opposition tut: Er veranstaltet Demonstrationen, auf denen er, wie eben jetzt, pathetische Reden hält. Dabei sollte er lieber zu Taten schreiten und Sanktionen verhängen."
Eine andere Kritik lautet, Erdogan gehe es gar nicht in erster Linie um die Palästinenser. Mit der Großdemonstration werbe er um Stimmen gläubiger Türken im Präsidentschafts- und Parlamentswahlkampf.
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