Sommerpause im Bundestag

Lobbyisten im Ferienstress

Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stoßen am Donnerstag (05.07.2012) auf der Stallwächter-Party, das Sommerfest des Landes Baden-Württemberg in Berlin, mit Wein an.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zur Zeit vermutlich kaum Zeit zum Feiern. 2012 schaffte sie es aber auf die Stallwächterparty des Landes Baden-Württemberg. © Wolfgang Kumm/ dpa picture alliance
Von Stephanie Rohde · 15.07.2015
Eigentlich haben Bundestagsabgeordnete jetzt Ferien. Viele touren durch ihren Wahlkreis oder fahren tatsächlich in den Urlaub. Für Lobbyisten, deren Arbeit an den Politbetrieb gekoppelt ist, gibt es trotzdem einiges zu tun.
Lobbyisten machen auch Urlaub. Sollte man meinen. Aber die meisten Parlamentarier und Regierungsmitglieder verschwinden eben nur rund drei Wochen in den Urlaub, die Sommerpause ist aber sechs bis acht Wochen lang.

"Anders als man vielleicht denkt, ist die Sommerpause keine Phase, in der der politische Betrieb vollkommen stillsteht", ganz im Gegenteil, meint Timo Lange von "Lobbycontrol".

"Es gab ja in den letzten drei, vier Wochen jeden Abend in Berlin Sommerpartys und Veranstaltungen von Landesvertretungen oder Unternehmen",

sagt Axel Wallrabenstein von der einflussreichen MSL Group Germany - eine der weitweit größten PR-Agenturen, die neben Kommunikationsberatung auch Veranstaltungen wie den "Politischen Salon" organisiert:
"Eigentlich ist das auch nicht ganz unwichtig, dass man sich vor der Sommerpause sich auch mal über andere Themen unterhält als die reine politische Arbeit, sondern auch mal über den Tag hinausblickt."
Stallwächterpartys als Netzwerkchance
Netzwerken, Neues erfahren, Nachfragen. Am besten geht das auf sogenannten Stallwächterpartys. Die waren ursprünglich für Politiker, Journalisten und Lobbyisten gedacht, die in der parlamentarischen Sommerpause die Stellung, also "Stallwache", halten mussten. Wallrabenstein war einer von 1500 geladenen Gästen bei der Stallwächterparty der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin in der vergangenen Woche, die unter anderem von einem von Wallrabensteins Auftraggeber gesponsort wurde - Google.
Früher war Axel Wallrabenstein Bundesgeschäftsführer der Jungen Union. Heute ist er Public Affairs Berater, das heißt, er macht sowohl PR als auch klassisches Lobbying - zum Beispiel für Google.
In der Sommerpause ist sein Arbeitsalltag spürbar entspannter, erzählt Wallrabenstein. Genau diese Zeit könnte man gut nutzen, um zum Beispiel Newsletter gezielt zu verschicken - in der Hoffnung, dass Abgeordnete mehr Zeit zum Lesen hätten als in den hektischen Sitzungswochen. Eine weitere Lobbymethode in der Sommerpause: Minister oder einfache Abgeordnete ansprechen, die auf Sommertouren gehen:
"Und wenn man da zugeschnitten Ideen und Überlegungen hat für Betriebsbesichtigungen, für bestimmte Problemsituationen, die sich ergeben, mit denen sich Politiker beschäftigen sollen, dann kann man da durchaus bei der Pressestelle oder im Büro von dem Politiker Aufmerksamkeit erzeugen. Aber es muss halt passen."
In der Sommerpause lassen sich leichter Themen aufbauschen
Auch Politiker, die nicht auf Sommertouren gehen, bekommen in der Sommerpause Emails von Lobbyisten, wenn auch seltener, erzählt Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag und seit Jahren Lobbyismus-Kritiker:
"Nach meiner Wahrnehmung sind die Lobbyisten während der sitzungsfreien Zeit etwas passiver. Doch es gibt öfter den Fall, dass angeboten wird, man käme auch in den Wahlkreis, um mit dem Abgeordneten vor Ort zu sprechen, um ihm die Reise nach Berlin zu ersparen, aber abgesehen davon gibt es keine besondere Strategie."
Doch die parlamentarische Sommerpause bietet nicht nur genügend Zeit für direktes Lobbying im Wahlkreis. Timo Lange von "Lobbycontrol" erkennt vor allem bei größeren Verbänden eine klassische Medienstrategie in der Sommerpause:
"Wir haben jetzt gerade gehört, dass von den Arbeitgebern zum Thema Rente mit 63 noch einmal eine Äußerung in die Sommerpause hineinkam. Da sind dann manchmal einige Themen leichter zu spielen über die Medien, weil die Journalisten auf der Suche sind nach Berichterstattung, und wenn dann ein großer Verband seine Position in die Öffentlichkeit bringen will, dann eignet sich die Sommerpause - je nach Thema - auch ganz gut dafür."
Ganz abschalten - so wie früher - können die meisten Abgeordneten kaum noch. Aber nervt es nicht, mitten in der Sommerpause von Verbandsvertretern angeschrieben zu werden?
"Ich denke, die meisten Kollegen - bei mir ist es ähnlich - haben eine Verabredung, dass die Termine, die in Berlin angefragt werden - und Lobbyisten arbeiten ja im Regelfall von Berlin aus - dass die dann in die Sitzungszeit nach der Sommerpause gelegt werden. In meinem Fall wird kein Lobbyist im August empfangen, also die müssen sich auf die Zeit bis Juli und ab September konzentrieren."
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