Sommerhitze

Klug bauen statt maschinell kühlen

04:23 Minuten
Blick in den Innenhof eines Gebäudes in Marrakesch in Marokko.
Typischer Patio mit Wasserbecken in Marokko: Es kommt auf die natürliche Luftzirkulation an, erklärt Klaus Englert. © unsplash / Kees Kortmulder
Ein Einwurf von Klaus Englert · 08.06.2021
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Der Sommer ist da, die Menschen suchen Kühlung – und finden sie vor einer Klimaanlage. Diese maschinelle Lösung des alten und wohl zunehmenden Problems ist teuer und umweltschädlich, kritisiert der Publizist Klaus Englert: Das ging schon mal besser.
Frühlingszeit ist Klimagerätezeit. Wenn die ersten warmen Tage anstehen, gilt es, schnell zu handeln. Denn die Nachfrage nach den Maschinen ist groß und schnellt mit dem Thermometer nach oben. Lieferengpässe sind vorprogrammiert.
Schon lange sind die klobigen Geräte nicht nur in den heißen und feuchten Regionen allgegenwärtig, sondern auch in nördlicheren Ländern. In den letzten Jahren haben die Verbraucher in Deutschland mächtig aufgeholt. Das Umweltbundesamt schätzte 2019, dass in deutschen Haushalten 1,65 Millionen Geräte im Einsatz sind.

Ein Zehntel des globalen Stromverbrauchs

Noch nicht berücksichtigt sind dabei Büros, Fabriken, Hotels und Fahrzeuge. Es ist absehbar, dass bei verschärfter Klimakrise auch hierzulande die Fassaden von Bürohochhäusern mit bis zu 100 Klimageräten bestückt werden. In São Paulo gilt das als Normalfall.
Wir kühlen und kühlen und tragen damit zur Erwärmung des Planeten bei. Dabei sind Klimageräte uneffektiv, teuer und – vor allem - umweltschädigend. Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur sind die "Energiefresser" für 10 Prozent des globalen Stromverbrauchs verantwortlich.
Zudem besteht das Risiko, dass die extrem schädlichen Kältemittel entweichen und den Treibhauseffekt verstärken.

Richtiges Lüften hilft

Dabei gibt es durchaus ökologische und ökonomische Lösungen. Am billigsten ist - man hört es ja immer wieder - Lüften. Wer es richtig anstellt, vermag die Raumtemperatur mit wenig Aufwand bestens zu regulieren. Der Architekt Manuel Herz bewies, dass man selbst in südlichen Ländern ein gesundes Raumklima erzeugen kann – ohne energiefressende Klimageräte.
So errichtete er die Fassade eines senegalesischen Krankenhauses aus porösen Ziegelsteinen, die für reichlich Querlüftung sorgen.
Bevor die Industrie auf Klimageräte setzte, hatte sich der Einbau natürlicher Lüftungssysteme auch in der hiesigen Architektur bewährt. Doch die sind in Vergessenheit geraten, seitdem Klimageräte ein lukratives Geschäft versprechen, an dem Hersteller, Zulieferer, Lieferanten und Monteure verdienen.

Von den Kühlmethoden der Vorfahren lernen

Dabei haben die Baumeister in der Mittelmeer-Region schon vor vielen Hundert Jahren eine einfache und effiziente Kühlmethode durch Einsatz natürlicher Luftzirkulation entwickelt. Die Araber haben dazu die raffinierteste Technik hervorgebracht. In den Wohnhäusern legten sie Patios an, die bei großer Hitze für Ruhe- und Schattenzonen sorgten. In den Innenhöfen pflanzten sie Bäume, ließen Wasserläufe und Brunnen anlegen, um derart das Mikroklima des Hauses zu verbessern.
Zudem erwies sich der innen liegende Patio als perfekter Rückzugsort – was in Pandemiezeiten neue Aktualität gewinnt. Heute machen sich junge spanische Architekten das Wissen der Vorfahren zu eigen, um besser gegen drohende Hitzeperioden gewappnet zu sein. Und hierzulande: Die Bauindustrie setzt bekanntlich auf die vermeintlich altbewährten Lösungen.

Bauwerke leben nach baubiologischen Gesetzen

Dabei ist Bauen auch ohne energieintensive Klimaanlagen möglich. Australische Wissenschaftler der Griffith University in Brisbane haben kürzlich wärmeabsorbierende Baumaterialien entwickelt, um Gebäude zu kühlen und so die häufige Nutzung von Klimaanlagen zu reduzieren.
Doch die Bauindustrie, die sich allenfalls für ein Mehr-Bauen, nicht aber für ein Besser-Bauen interessiert, schaltet auf Lernresistenz.
Auch von der Gebäudedämmung, die unsere Häuser in Sondermüll verwandelt, profitieren hauptsächlich künstlich aufgeblähte Industriezweige. Erst wer versteht, dass unsere Bauwerke nach baubiologischen Gesetzen leben, wird sehen, dass das ein Irrweg ist. Und wer den Weg natürlicher Belüftungstechniken wählt, kann selbst heiße Junitage bestens überstehen.

Klaus Englert ist Journalist und Buchautor. Er schreibt für Zeitungen und den Hörfunk, vornehmlich über architektonische und philosophische Themen. Zudem ist er als Kurator für Architekturausstellungen tätig. 2019 ist bei Reclam sein aktuelles Buch erschienen: "Wie wir wohnen werden: Die Entwicklung der Wohnung und die Architektur von morgen".

Klaus Englert steht im Freien vor grünen Bäumen und blickt in die Kamera.
© Quelle: privat
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