Hitzeplan für Berlin

Was Städte bei extremer Hitze tun können

06:37 Minuten
Blick auf den Berliner Fernsehturm an einem heißen Sommerband, im Hintergrund geht die Sonne unter.
Sommer mit extrem hohen Temperaturen nehmen wegen des Klimawandels zu. Berlin hat in diesem Jahr mit der ersten „Hitzehilfe“ darauf reagiert. © picture alliance/dpa/ Christophe Gateau
Von Wolf-Sören Treusch · 15.08.2022
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Die lang anhaltenden hohen Temperaturen werden für immer mehr Menschen zur Gefahr. Gerade in Großstädten droht sich die Wärme zwischen den Gebäuden weiter zu stauen. In Berlin wird nun mit ersten Projekten für Abkühlung gesorgt.
Die ‚Hitzehilfe‘ im Berliner Ortsteil Schöneberg. Eine Notunterkunft für Menschen ohne festen Wohnsitz, Obdachlose und Prostituierte. Menschen, die vor der Hitze flüchten, weil sie ihnen zu schaffen macht.
Erstmals bietet Berlin vier solcher Unterkünfte als Schutzräume vor der Hitze an. Das Modellprojekt in Schöneberg stellt tagsüber 30 Plätze zur Verfügung. Artur Keil vom Internationalen Bund, dem Träger der Einrichtung, weiß, wie gefährlich extreme Temperaturen und zu viel Sonne für seine Klientel sind.

„Draußen merken sie gar nicht, dass sie dehydrieren oder halt jetzt verbrennen. Ja, und dann besteht natürlich die Gefahr, dass sie stark alkoholisiert sind bzw. stehen unter Drogeneinfluss, und natürlich ist die Gefahr, dass sie dehydrieren, doppelt so groß wie bei ganz normalen Menschen. Merken das gar nicht, und es besteht natürlich die Gefahr, dass sie dadurch sterben.“

Welche Menschen besonders betroffen sind

Vor allem alte Menschen, Kranke, Kinder und Schwangere leiden unter den hohen Temperaturen. Als erstes Bundesland hat deshalb nun Berlin ein Hitzeschutz-Konzept für das Gesundheitswesen entwickelt. Daran beteiligt sind die Senats-Gesundheitsverwaltung, die Ärztekammer Berlin und das Netzwerk "Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundhei", kurz KLUG.

„Hitze ist ein Risiko für den Menschen, weil der Körper nur in einem sehr engen Temperaturbereich funktionieren kann und wir nur begrenzt uns an die Hitze anpassen können.“
Nathalie Nidens von KLUG stellt die wichtigsten Punkte im Hitzeschutz-Konzept vor: Pflegekräfte sollen ihre Patientinnen und Patienten darauf hinweisen, ausreichend viel zu trinken. Das Personal in Krankenhäusern soll darauf achten, Medikamente kühl zu lagern. Risikopatienten sollen in Zimmer verlegt werden, die Richtung Norden liegen oder klimatisiert sind.

„Es gibt bereits Konzepte, wo Zimmer vorgehalten werden, so was in der Art stellt man sich dann auch für den Hitzeschutz vor.“
Der ambulante Pflegedienst, sogar die Nachbarn sollen sensibilisiert werden, wie sie an heißen Tagen helfen können. Auch das ist Teil des Konzepts.
„Wenn ich in einem Haus wohne, wo ich weiß‚ da ist vielleicht jemand, der kein Netzwerk hat, dass ich einfach mal nachfrage, ob alles in Ordnung ist. Ob man während einer Hitzewelle für die Person einkaufengehen kann zum Beispiel oder den Weg in die Apotheke erledigen kann.“Was im Berliner Hitzeschutz-Plan aufgeschrieben ist, klingt banal, als sei es das Einfachste der Welt. Berlins Ärztekammer-Präsident Peter Bobbert mahnt jedoch:
„Es ist sehr trivial. Es ist wirklich banal. Aber diese Selbstverständlichkeit ist leider keine Realität.“

So erklärt er sich die Zahl von 1400 Hitzetoten allein in Berlin und Brandenburg zwischen 2018 und 2020. Sofortmaßnahmen für mehr Hitzeschutz sind das eine. Mittel- und langfristige Konzepte, die Städte besser zu wappnen für Extremwetterereignisse wie Starkregen und Hitzewellen, das andere. Beispiel: Gründächer.
„Pflanzen, die auch Hitze aushalten können und Wasser speichern können. Und dann haben wir dazu noch Blumensamen ausgesät, Mohn, der ist natürlich jetzt schon verblüht, also alles, was nicht tief wurzelt, das kann hier oben wachsen.“

Dachbegrünung gegen Hitze

Die Malerin Ulrike Hansen ist stolz auf ihr 400 Quadratmeter großes Gründach. Gemeinsam mit den anderen Eigentümern eines Atelierhauses im Berliner Ortsteil Wedding hat sie es auf den Weg gebracht. Dachbegrünung ist ein probates Mittel im Kampf für ein gemäßigtes Stadtklima. Denn die Wetterextreme von heute gehen immer häufiger einher mit Starkregengüssen. Die begrünten Dachflächen sorgen dafür, dass große Teile des Regenwassers aufgefangen werden, langsam verdunsten und die Luft dadurch abkühlt.
„Ja, man merkt das. Das ist so, wie wenn man in den Park geht, da ist auch ‘ne andere Luft als auf so einer Asphaltstraße.“
Eine Frau steht auf einem begrünten Hausdach in Berlin.
„Ich hätte es mir nicht so toll vorgestellt", sagt Ulrike Hansen über ihr Gründach.© Deutschlandradio / Wolf-Sören Treusch
Mehrere Städte in Deutschland fördern die Bepflanzung von Fassaden und Dächern. Düsseldorf gilt als Vorreiter, Berlins Initiative steckt noch in den Kinderschuhen. Ulrike Hansen wünscht sich mehr Gründächer über der Hauptstadt.
„Ja, ich hätte es mir nicht so toll vorgestellt. Also das ist einfach: Man hat hier wirklich eine Wiese … Und gut, die ist auch mal vertrocknet, und es wächst auch wieder. Man kann hier gärtnern, man hat das Gefühl, man tut etwas dafür, dass es in dieser Stadt ein bisschen lebenswerter ist.“

E-Mail-Warnkette für den Hitzefall

Die wenigsten Menschen seien sich darüber bewusst, dass unter den Naturgefahren, die in Deutschland zu Todesfällen führen, Hitze mit großem Abstand an der Spitze stehe, sagt Nathalie Nidens von KLUG. Sie freut sich daher, dass eine Maßnahme sofort umgesetzt wurde: eine E-Mail-Warnkette für den Fall, dass die nächste Hitzewelle heranrauscht.
„Das heißt: Empfänger:innen aus dem Gesundheitsbereich erhalten die Warnmeldungen des Deutschen Wetterdienstes. Das geht raus an die Krankenhäuser, an Pflegeeinrichtungen, Pflegedienste, aber auch an die Arztpraxen über die KV, selbstverständlich wird es nicht so sein, dass jetzt überall flächendeckend Maßnahmenpläne erstellt und umgesetzt worden sind.“
Denn klar ist auch: Das Projekt in Berlin, das vor acht Wochen ins Leben gerufen wurde, basiert auf einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Akteure im Gesundheitsbereich. Bindend ist der Maßnahmenkatalog nicht. Umso erfreulicher, dass einzelne Modellprojekte bereits am Start sind – zum Beispiel die Hitzehilfe für Obdachlose in Berlin-Schöneberg.

„Bei 38 Grad ja, da hatten wir wirklich Full House hier. Die waren alle von der Straße auch hier, wir hatten pro Tag hier 45, fast 50 Mann. Die können sich auch hier duschen, es gibt auch eine Dusche, und auf jeden Fall bekommen sie das Wasser hier und das Essen. Was sie halt draußen nicht gleich irgendwo bekommen können.“

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