Sollte jeder seine Organe spenden?
"Organspende – ja oder nein?" Geht es nach Spitzenpolitikern aus SPD, Union und Grünen, sollen die Bundesbürger in Zukunft mindestens einmal im Leben mit dieser Frage konfrontiert werden. Eine der Möglichkeiten: Jeder, der einen Ausweis oder einen Führerschein beantragt, soll gleichzeitig seine Zustimmung oder Ablehnung bekunden.
Diese wird dann in dem Dokument festgehalten. Bisher ist dafür ein separater Spenderausweis nötig. Noch in diesem Jahr könnte der Bundestag ohne Fraktionszwang in dieser ethisch umstrittenen Frage entscheiden.
"Für die Organspende zu sein, muss zum Lifestyle" werden", sagt Dr. Reinhard Pregla, Mitbegründer der Initiative "Pro Organspende", die auch von dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder unterstützt wird.
"Jeder sollte sich mal die Frage stellen: Würde ich im Notfall ein fremdes Herz annehmen, wenn es mein Leben rettet? 98 Prozent antworten dann mit 'Ja'. Aber nur 14 Prozent sind bereit, selbst zu spenden."
Der Herzchirurg und ärztliche Leiter der Meoclinic in Berlin kennt die Folgen des Organmangels aus der eigenen Praxis:
"Wenn Sie heute auf eine Organspende angewiesen sind und auf die Warteliste kommen, stehen Sie im Prinzip auf einer Todesliste. Jeder Dritte stirbt, bevor ein geeignetes Organ zur Verfügung steht. Die Wartezeiten von Patienten für eine Organverpflanzung sind erschreckend lang geworden. In Deutschland warten 12.000 Menschen auf ein Spenderorgan. Davon sterben jedes Jahr etwa 3000. Und wir als Ärzte sind dazu verurteilt, ohnmächtig in die verzweifelten Augen unserer Patienten zu sehen, denen wir eigentlich fast allen helfen könnten."
Seine Idee:
"Eine Kombination aus Entscheidungs- und Bonuslösung einzuführen. Entscheidungslösung heißt: Jeder sollte einmal im Leben offiziell die Frage nach der persönlichen Organspendebereitschaft gestellt bekommen, zum Beispiel bei der Ausgabe des Reisepasses. Auf den neuen modernen Pässen könnte die Info dazu verschlüsselt und nur für die Deutsche Stiftung Organtransplantation lesbar hinterlegt werden Bonuslösung bedeutet, dass die Patienten auf der Eurotransplant-Warteliste nach oben rutschen, die selbst Organspender sind. Je länger, desto mehr Bonuspunkte, desto höher auf der Liste."
"Wir möchten niemanden missionieren", sagt dagegen Claudia Kotter, Mitbegründerin des Vereins "Junge Helden".
"Wir sagen nicht: Hol dir einen Organspendeausweis und mach dein Kreuzchen bei Ja. Auch ein Nein ist wichtig, damit es im Ernstfall keine Diskussionen gibt. Das nimmt viel Dramatik aus den Familien."
Die heute 30-Jährige weiß, wovon sie spricht: Sie ist an der Autoimmunkrankheit Sklerodermie erkrankt, einer Verhärtung des Bindegewebes, die die Haut, aber auch die Organe angreift. Als sie vier Jahre alt war, prophezeiten die Ärzte ihren Eltern, dass sie wohl kaum 18 Jahre alt werde. 2007 bekam sie – nach vier quälenden Jahren des Wartens – eine Spenderlunge transplantiert. 2010 hat sie ihre beeindruckende Lebensgeschichte von einer Autorin niederschreiben lassen. Das Buch "Gute Nacht, bis morgen" von Anke Gebert ist ein besonderes Tagebuch, das schonungslos von den Höhen und Tiefen einer Patientin auf der Warteliste erzählt. Aber es ist auch das Porträt einer lebensbejahenden jungen Frau, die ihre Mitverantwortung als Patientin einfordert, den Ärzten und ihrer Umgebung Enormes abverlangt – und vielleicht gerade deshalb heute wieder mit Lebensfreude aktiv sein kann. Trotz ihrer eigenen Erfahrung plädiert sie dafür, dass Organspenden freiwillig bleiben sollten.
"Dass ich krank bin, dass ich ein Organ brauche, ist nicht die Schuld anderer Leute. Das ist der Lauf der Dinge, das passierte damals so, und es ist meine Aufgabe, das Beste daraus zu machen. Wenn jemand nicht Organe spenden möchte, habe ich damit kein Problem. Ich hab' vielmehr ein Problem mit den Menschen, die im Leben keine Stellung beziehen möchten."
Für ihren Verein "Junge Helden" hat sie prominente Mitstreiter gefunden, unter anderen den Schauspieler Jürgen Vogel, den Fußballspieler Fredi Bobic, Moderatoren, Musiker – sie alle werben auch auf großformatigen Plakaten.
"Das A und O ist Aufklärung. Ich kann nur über Dinge reden, über die ich Bescheid weiß. Wir sind viel in Schulen unterwegs, wir halten Vorträge in Firmen, wir sind an Unis, wir machen Sportveranstaltungen, wir veranstalten Partys."
Hier – fernab jeglichen Druckes – sei es viel einfacher, über das Thema nachzudenken, als, wenn man plötzlich vor die Entscheidung gestellt werde.
Ihr Ansatz: "Wir wollen das Thema positiv aufladen, lebensbejahend. Es geht nicht darum, jemanden zur Organspende überreden."
Sollte jeder seine Organe spenden? -Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit Reinhard Pregla und Claudia Kotter. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de
Informationen im Internet:
Über die Initiative "Pro Organspende"
Über den Verein "Junge Helden e.V."
Literaturhinweis:
Anke Gebert, "Gute Nacht, bis morgen. Claudia Kotter erzählt die Geschichte ihres Lebens", Blumenbar-Verlag, 2010
"Für die Organspende zu sein, muss zum Lifestyle" werden", sagt Dr. Reinhard Pregla, Mitbegründer der Initiative "Pro Organspende", die auch von dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder unterstützt wird.
"Jeder sollte sich mal die Frage stellen: Würde ich im Notfall ein fremdes Herz annehmen, wenn es mein Leben rettet? 98 Prozent antworten dann mit 'Ja'. Aber nur 14 Prozent sind bereit, selbst zu spenden."
Der Herzchirurg und ärztliche Leiter der Meoclinic in Berlin kennt die Folgen des Organmangels aus der eigenen Praxis:
"Wenn Sie heute auf eine Organspende angewiesen sind und auf die Warteliste kommen, stehen Sie im Prinzip auf einer Todesliste. Jeder Dritte stirbt, bevor ein geeignetes Organ zur Verfügung steht. Die Wartezeiten von Patienten für eine Organverpflanzung sind erschreckend lang geworden. In Deutschland warten 12.000 Menschen auf ein Spenderorgan. Davon sterben jedes Jahr etwa 3000. Und wir als Ärzte sind dazu verurteilt, ohnmächtig in die verzweifelten Augen unserer Patienten zu sehen, denen wir eigentlich fast allen helfen könnten."
Seine Idee:
"Eine Kombination aus Entscheidungs- und Bonuslösung einzuführen. Entscheidungslösung heißt: Jeder sollte einmal im Leben offiziell die Frage nach der persönlichen Organspendebereitschaft gestellt bekommen, zum Beispiel bei der Ausgabe des Reisepasses. Auf den neuen modernen Pässen könnte die Info dazu verschlüsselt und nur für die Deutsche Stiftung Organtransplantation lesbar hinterlegt werden Bonuslösung bedeutet, dass die Patienten auf der Eurotransplant-Warteliste nach oben rutschen, die selbst Organspender sind. Je länger, desto mehr Bonuspunkte, desto höher auf der Liste."
"Wir möchten niemanden missionieren", sagt dagegen Claudia Kotter, Mitbegründerin des Vereins "Junge Helden".
"Wir sagen nicht: Hol dir einen Organspendeausweis und mach dein Kreuzchen bei Ja. Auch ein Nein ist wichtig, damit es im Ernstfall keine Diskussionen gibt. Das nimmt viel Dramatik aus den Familien."
Die heute 30-Jährige weiß, wovon sie spricht: Sie ist an der Autoimmunkrankheit Sklerodermie erkrankt, einer Verhärtung des Bindegewebes, die die Haut, aber auch die Organe angreift. Als sie vier Jahre alt war, prophezeiten die Ärzte ihren Eltern, dass sie wohl kaum 18 Jahre alt werde. 2007 bekam sie – nach vier quälenden Jahren des Wartens – eine Spenderlunge transplantiert. 2010 hat sie ihre beeindruckende Lebensgeschichte von einer Autorin niederschreiben lassen. Das Buch "Gute Nacht, bis morgen" von Anke Gebert ist ein besonderes Tagebuch, das schonungslos von den Höhen und Tiefen einer Patientin auf der Warteliste erzählt. Aber es ist auch das Porträt einer lebensbejahenden jungen Frau, die ihre Mitverantwortung als Patientin einfordert, den Ärzten und ihrer Umgebung Enormes abverlangt – und vielleicht gerade deshalb heute wieder mit Lebensfreude aktiv sein kann. Trotz ihrer eigenen Erfahrung plädiert sie dafür, dass Organspenden freiwillig bleiben sollten.
"Dass ich krank bin, dass ich ein Organ brauche, ist nicht die Schuld anderer Leute. Das ist der Lauf der Dinge, das passierte damals so, und es ist meine Aufgabe, das Beste daraus zu machen. Wenn jemand nicht Organe spenden möchte, habe ich damit kein Problem. Ich hab' vielmehr ein Problem mit den Menschen, die im Leben keine Stellung beziehen möchten."
Für ihren Verein "Junge Helden" hat sie prominente Mitstreiter gefunden, unter anderen den Schauspieler Jürgen Vogel, den Fußballspieler Fredi Bobic, Moderatoren, Musiker – sie alle werben auch auf großformatigen Plakaten.
"Das A und O ist Aufklärung. Ich kann nur über Dinge reden, über die ich Bescheid weiß. Wir sind viel in Schulen unterwegs, wir halten Vorträge in Firmen, wir sind an Unis, wir machen Sportveranstaltungen, wir veranstalten Partys."
Hier – fernab jeglichen Druckes – sei es viel einfacher, über das Thema nachzudenken, als, wenn man plötzlich vor die Entscheidung gestellt werde.
Ihr Ansatz: "Wir wollen das Thema positiv aufladen, lebensbejahend. Es geht nicht darum, jemanden zur Organspende überreden."
Sollte jeder seine Organe spenden? -Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr gemeinsam mit Reinhard Pregla und Claudia Kotter. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800 / 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de
Informationen im Internet:
Über die Initiative "Pro Organspende"
Über den Verein "Junge Helden e.V."
Literaturhinweis:
Anke Gebert, "Gute Nacht, bis morgen. Claudia Kotter erzählt die Geschichte ihres Lebens", Blumenbar-Verlag, 2010