Soldatengedenken
Im Sommer will Verteidigungsminister Franz Josef Jung in Berlin ein Ehrenmal für die Bundeswehr feierlich einweihen. Im Fokus des öffentlichen Interesses stehen dabei jene Soldaten, die bei Auslandseinsätzen ums Leben gekommen sind. Doch auch 15 Jahre nach den ersten Auslandseinsätzen der Bundeswehr tut sich nicht nur die Politik, sondern die Gesellschaft insgesamt schwer mit dem Gedenken an getötete Soldaten.
Eine Trauerfeier für in Afghanistan, in Kundus, getötete Soldaten. Für die Bundeswehr noch immer eine ungewohntes Terrain. Bislang starben in Auslandseinsätzen seit 1993 rund 70 Soldaten; durch Bombenangriffe wurden in Afghanistan 14 deutsche Soldaten getötet. Der evangelische Militärseelsorger Christian Fischer hat die ersten Trauerfeiern im Flugzeughangar in Köln-Wahn miterlebt. Seine Beobachtung: die Familienangehörigen der verstorbenen Soldaten fanden kaum Platz für ihre Trauer:
"Weil sie einmal an das Umfeld des militärischen Flughafens nicht gewöhnt sind, und an dieser Stelle, in einem Umfeld, was ihnen gar nicht vertraut ist und dass auch sonst mit Orten, an denen ich trauere, wenig zu tun hat, auf ihre Verstorbenen getroffen sind, und das dann noch im Rahmen einer eng gestrickten Trauerfeier, in der sie sich mit ihren Gefühlen wenig bewegen konnten."
"Das war anfangs sehr schwierig: dass die Angehörigen Gelegenheit haben, bevor irgendwelche offiziellen Dinge geschehen, Kontakt zu haben zu ihren Verstorbenen, also dass sie an die Särge treten können und dass das nicht beobachtet wird und dass es nicht eingebunden ist in eine Feier, weil sonst die Gefühle überlastet werden."
Problematisch sei auch die Verquickung einer staatlichen Trauerfeier mit einem Gottesdienst, meint Petra Bahr. Sie ist die Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland.
"In einem Gottesdienst selbst wird nicht die Nationalhymne gesungen, in einem Staatsakt kann das sehr wohl sein; in einem Staatsakt können sehr wohl Flaggen gehisst werden, in einem Gottesdienst kommt mir das reichlich merkwürdig vor."
Die Kirchen, das Verteidigungsministerium und die Bundeswehr müssten hier neue Formen finden, wie man feierlich und christlich der toten Soldaten gedenken könne. Das Thema dürfe nicht verdrängt werden.
"Deshalb finde ich, dass wir in der Kirche eine Diskussion brauchen über das angemessene Gedenken und wir brauchen die Diskussion auch unabhängig davon, wie sich der Staat zukünftig der getöteten Soldaten annimmt."
Eine Diskussion, die historisch-kritisch geführt werden muss, sagt Rainer Sörries, Direktor des Museums für Sepulkralkultur in Kassel. Denn man müsse zum Beispiel daran erinnern, dass das feierliche Gedenken an gefallene Soldaten erst rund 200 Jahre alt sei. Davor wurde höchstens der Offiziere gedacht.
"Der gemeine Soldat, solange er ein gedungener Soldat oder Landsknecht war, der hatte überhaupt kein ehrendes Gedenken, sondern die Menschen waren allenfalls darum bemüht, dessen Leiche irgendwie zu beseitigen, wenn man die Leichname nicht gar geplündert hat, um da zu sehen, was da noch verwendungsfähig ist."
Erst mit den Befreiungskriegen gegen die napoleonischen Heere Anfang des 19. Jahrhunderts änderte sich der Blick auf die Soldaten:
"Da entstand erstmals der Begriff des Helden, es waren ja Bürgerheere aufgestellt worden und es waren nicht mehr nur bezahlte Menschen, die da fielen, sondern Väter, Söhne, Ehemänner, die ums Leben kamen und um deren Tod leichter begreifbar und sinnvoller zu machen, sind diese Gefallenen zu Helden stilisiert worden."
In den Befreiungskriegen erhält der Soldatentod quasi sakrale Weihen. Der Schriftsteller Max von Schenkendorf schrieb damals.
"Unser Herz zum Altar tragen
und dem Tod entgegen gehen.
Vaterland! Dir woll’n wir sterben
Wie dein großes Wort gebeut."
Biblische Themen wie Opfer und Passion werden auf die Soldaten übertragen: die alttestamentarische Darbringung eines Opfertieres, die Leidensgeschichte und der Tod Jesu, die Aufopferung der christlichen Märtyrer – religiöse Bilder und Themen, die sich nun auf dem Schlachtfeld wieder finden. So dichtete Ernst Moritz Arndt:
"Aber selig, wer in diesen
hehren Gottesschlachten fällt!
Der wird ewig hoch gepriesen
Als ein Heiland, als ein Held.
Auf der Freiheit Siegesstätten
Blüht die Ehre ewig grün,
Heil’ge kommen da zu beten,
Engel kommen da zu knien."
"Die Kirche ist eingestiegen worden, könnte man sagen, als nämlich der preußische König Friedrich Wilhelm III. den Kirchen verordnet hat, für die Helden in den Kirchen Gedenktafeln aufzuhängen. Das konnte der preußische König zu der Zeit auch gut tun, weil er im Königtum Preußen gleichzeitig weltliches und kirchliches Oberhaupt gewesen ist und so gelangten diese ehrenden Erinnerungstafeln - ab 1813 hat er das verfügt - und ab 1816 haben die Kirchen begonnen, diesen königlichen Erlass umzusetzen."
"Verordnung über die Stiftung eines bleibenden Denkmals für die, so im Kampfe für Unabhängigkeit und Vaterland blieben:
Es soll für alle, die auf dem Bette der Ehre starben, in jeder Kirche eine Tafel auf Kosten der Gemeinden errichtet werden mit der Aufschrift: Aus diesem Kirchspiele starben für König und Vaterland."
Darunter sollten die Namen aller Gefallenen aufgelistet werden, zuerst die Namen derer, die das Eiserne Kreuz erhalten hatten oder dessen würdig gewesen wären.
"Und so kam die Kirche zum Heldengedenken, an dem sie bis heute in Gestalt des Volkstrauertages beteiligt ist."
Die Verquickung verdichtete sich nochmals im Ersten Weltkrieg. So wird im Handbuch für die katholischen Feldgeistlichen empfohlen, den Soldaten die Lehre vom Märtyrertod nahezubringen. Die Ausführungen des Jesuitenpaters Christian Pech erinnern schon fast an islamistische Märtyrerlegenden.
"Wer stirbt, weil er die von Gott ihm auferlegte Pflicht der Treue gegen Vaterland und Fahneneid nicht verletzen will, der hat in der Tat die rechte Martyrergesinnung und kann vor Gott des ganzen Ruhmes und Verdienstes eines Märtyrers teilhaftig werden."
Rainer Sörries, der ebenfalls Theologe ist, kritisiert, dass es in den Kirchen auch nach dem Zweiten Weltkrieg keine grundsätzliche theologische Auseinandersetzung über die Grundlagen des Heldengedenkens gegeben habe. Den Kirchen hält er vor:
"Sie hat auch ihre Türen offen gehalten für spezielle Gottesdienst zum Beispiel für den Volkstrauertag, der ja eigentlich ein öffentlicher, nicht-kirchlicher Feiertag ist und trotzdem haben viele, viele Veranstaltungen in den Kirchen stattgefunden, und eine ganze Reihe vom Jahren (…) hat man das ja im Berliner Dom – die zentrale Gedenkveranstaltung gemacht. Also, es blieb immer bei dieser engen Verquickung von nationalen Gefallenengedenken und der Bereitschaft der Kirchen, sich dafür zur Verfügung zu stellen."
Und heute? Das Ehrenmal der Bundeswehr wird auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums - im Bendlerblock - zunächst einmal ohne kirchliche Beteiligung errichtet.
Der Architekt Andres Meck hat einen langgestreckten, hohen, von Säulen getragenen Raum entworfen – mit einer Cella als Kern. Das Ehrenmal soll den Paradehof des Verteidigungsministeriums abschließen.
Doch benötigen Soldaten, die in Ausübung ihres Berufes sterben, überhaupt ein besonders Denkmal, ein Ehrenmal? Ja, sagt Oberstleutnant Ulrich Kirsch, der Vorsitzende des Bundeswehr-Verbandes:
"Wir haben einfach zur Kenntnis zu nehmen, dass Tod und Verwundung Teil unserer Einsätze geworden sind, das passiert nicht nur Unfälle, sondern eben auch durch Feindeinwirkung, durch Sprengfallen, durch Kampfhandlungen und deswegen muss man ganz neu nachdenken, und wir waren der Auffassung, dass man hier mit klaren Begriffen arbeiten muss. Und deswegen waren wir es als deutscher Bundeswehrverband, die immer wieder gesagt haben: Es geht hier nicht um Unfalltote oder Einsatzunfälle, sondern hier sind Soldaten gefallen."
Und der Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler ergänzt:
"Da es ja hier um Erwartungen der Politik und des politischen Gemeinwesens geht, die nicht allein mit Geld abgegolten werden können, sonst würde es sich um Söldner handeln, kommt eine zusätzliche Komponente da zu und diese zusätzliche Komponente ist Anerkennung; Anerkennung oder wenn man es etwas dramatischer haben will, würde man auch sagen: Ehre; Anerkennung in dem Sinne, dass hier eine besondere Leistung erbracht worden ist im Auftrag der Politik, also in unser aller Auftrag, und das dies nichts ist, was nebenbei erledigt ist."
Die meisten Denkmäler nach 1945 erinnern an die "Opfer von Krieg und Gewalt", wie es ganz offiziell im Gräbergesetz von 1965 heißt. Zivilisten und Soldaten werden in einem Atemzug genannt – eine Konsequenz des nationalsozialistischen Angriffs- und Vernichtungskrieges. Nach 1945 war man bemüht, sich von der Tradition des militaristischen Heldengedenkens und der Überhöhung der soldatischen Opferkultur abzusetzen. Und heute? Wird nun der alte Opfermythos wieder belebt? Sind Soldaten Opfer, haben sie sich geopfert? Rainer Sörries und Herfried Münkler gehen zumindest von einer besonderen Opferbereitschaft aus, die sich aber nicht mit dem englischen Begriff victim umschreiben lasse.
"Wenn wir sie als victim bezeichnen, dann würde das ja bedeuten, dass sie ohne eigenes Zutun und Wollen dahin gebracht worden sind, und es letzten Endes wie bei den Opfern des Straßenverkehrs passiert ist; nein, es ist ja schon eine Bereitschaft, erhöhte Gefahren und Risiken auf sich zu nehmen, letzten Endes stellvertretend für den politischen Verband und in dem Sinne würde ich sagen, es ist sacrificium."
"Ich kann natürlich den Tod eines Menschen im Kriegseinsatz – wo auch immer – nicht als ein bereitwillig auf sich genommenes Opfer begreifen, sondern man wird eher davon sprechen müssen, dass der Tod – in dem ich eben Soldat werde und Soldat bin, gehört das gewissermaßen mit zu meinem Berufsrisiko."
Die Kulturbeauftragte der evangelischen Kirche, Petra Bahr, tut sich allerdings schwer mit dem Opferbegriff:
"Ich glaube, dass ein Aspekt von stellvertretenden Tod da ist, wenn wir uns klar machen, dass die Rede der Verteidigung für uns alle einen wahren Kern hat: wir beauftragen die Bundeswehr (…) in Afghanistan zivile Formen von Gesellschaft aufzubauen und den Terror zu bekämpfen; das hat so einen Moment von Stellvertretung, den würde ich allerdings gar nicht religiös aufladen, denn das ist das Problem, wenn man christlicherseits auch von Opfer spricht, dass wir sofort an den Opfertod Jesu denken und das gerade ist nicht gemeint."
Das Problem für die Politik wie für die Soldaten im Einsatz: Eine Mehrheit der Bevölkerung lehnt den militärischen Einsatz in Afghanistan ab. Daran wird auch ein Ehrenmal, das an die verstorbene Soldaten erinnert, nichts ändern. Der Sinn des Denkmals liegt für Verteidigungsminister Franz Josef Jung darin, dass durch ein gemeinsames Trauern und Gedenken die Angehörigen und die Soldaten den Verlust besser verarbeiten können.
Aber kann ein Ehrenmal auch die Frage beantworten, warum die Soldaten zum Beispiel in Afghanistan ihr Leben lassen mussten?
"Ein Ehrenmal beantwortet diese Frage nach dem Warum nicht im diskursiv-argumentativen Sinne, (...) aber (…) im Sinne eines expressiv-rituellen Aktes, der auch eine Dimension der Sprachlosigkeit hat, sind solche Orte (..) die Angemessenheit dort, wo die Sprache und das Gerede zu Ende ist."
"Gute Theologie beginnt da, wo sie sich über die Sprache Gedanken macht, und ich finde wichtig, dass man die Namen, die Eigennamen, die auch immer ein Kennzeichen der Würde der Person sind, nicht vergisst, und nicht anonym an die Soldaten erinnert, sondern konkret an die, die im Rahmen ihres Einsatzes ums Leben, übrigens auch die, die den psychischen Druck nicht aushalten und sich das Leben nehmen."
Doch in das Ehrenmal sollen keine Namen von verstorbenen Soldaten eingraviert werden. Überlegt wird, die Namen der verstorbenen "Bundeswehrangehörigen, die in Folge der Ausübung ihrer Dienstpflichten" ums Leben gekommen sind, auf einem elektronischen Laufband zu dokumentieren. Allerdings sollen – nach den bisherigen Planungen – die Namen jener Soldaten, die durch Suizid aus dem Leben geschieden sind, dort nicht auftauchen.
Ins Monument eingraviert werden soll lediglich die Zeile:
"Den Toten unserer Bundeswehr – für Frieden, Recht und Freiheit."
Wie viele andere kritisiert auch Petra Bahr, dass ein Ehrenmal für die Toten der Bundeswehr eigentlich in die Nähe des Parlaments, des Bundestages, gehöre und nicht auf den Hof des Verteidigungsministeriums.
"Schwierig finde ich, dass das Ehrenmal (...) so eine Schattenöffentlichkeit erfährt, weil es ein Denkmal ist, was für die Öffentlichkeit so gar nicht zugänglich ist, wo plötzlich der Staat sich Rituale erfindet, weit ab von den liturgischen Ritualen, die die Kirche praktiziert, weswegen ich denke, dass es einen kirchlichen Ort, vielleicht eine leere Kirche, die wir dann Friedenskirche nennen, wo die Öffentlichkeit dann Zugang hat, zu trauern, aber auch für die zu beten, die in Auslandseinsätzen ihr Leben riskieren."
"Weil sie einmal an das Umfeld des militärischen Flughafens nicht gewöhnt sind, und an dieser Stelle, in einem Umfeld, was ihnen gar nicht vertraut ist und dass auch sonst mit Orten, an denen ich trauere, wenig zu tun hat, auf ihre Verstorbenen getroffen sind, und das dann noch im Rahmen einer eng gestrickten Trauerfeier, in der sie sich mit ihren Gefühlen wenig bewegen konnten."
"Das war anfangs sehr schwierig: dass die Angehörigen Gelegenheit haben, bevor irgendwelche offiziellen Dinge geschehen, Kontakt zu haben zu ihren Verstorbenen, also dass sie an die Särge treten können und dass das nicht beobachtet wird und dass es nicht eingebunden ist in eine Feier, weil sonst die Gefühle überlastet werden."
Problematisch sei auch die Verquickung einer staatlichen Trauerfeier mit einem Gottesdienst, meint Petra Bahr. Sie ist die Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland.
"In einem Gottesdienst selbst wird nicht die Nationalhymne gesungen, in einem Staatsakt kann das sehr wohl sein; in einem Staatsakt können sehr wohl Flaggen gehisst werden, in einem Gottesdienst kommt mir das reichlich merkwürdig vor."
Die Kirchen, das Verteidigungsministerium und die Bundeswehr müssten hier neue Formen finden, wie man feierlich und christlich der toten Soldaten gedenken könne. Das Thema dürfe nicht verdrängt werden.
"Deshalb finde ich, dass wir in der Kirche eine Diskussion brauchen über das angemessene Gedenken und wir brauchen die Diskussion auch unabhängig davon, wie sich der Staat zukünftig der getöteten Soldaten annimmt."
Eine Diskussion, die historisch-kritisch geführt werden muss, sagt Rainer Sörries, Direktor des Museums für Sepulkralkultur in Kassel. Denn man müsse zum Beispiel daran erinnern, dass das feierliche Gedenken an gefallene Soldaten erst rund 200 Jahre alt sei. Davor wurde höchstens der Offiziere gedacht.
"Der gemeine Soldat, solange er ein gedungener Soldat oder Landsknecht war, der hatte überhaupt kein ehrendes Gedenken, sondern die Menschen waren allenfalls darum bemüht, dessen Leiche irgendwie zu beseitigen, wenn man die Leichname nicht gar geplündert hat, um da zu sehen, was da noch verwendungsfähig ist."
Erst mit den Befreiungskriegen gegen die napoleonischen Heere Anfang des 19. Jahrhunderts änderte sich der Blick auf die Soldaten:
"Da entstand erstmals der Begriff des Helden, es waren ja Bürgerheere aufgestellt worden und es waren nicht mehr nur bezahlte Menschen, die da fielen, sondern Väter, Söhne, Ehemänner, die ums Leben kamen und um deren Tod leichter begreifbar und sinnvoller zu machen, sind diese Gefallenen zu Helden stilisiert worden."
In den Befreiungskriegen erhält der Soldatentod quasi sakrale Weihen. Der Schriftsteller Max von Schenkendorf schrieb damals.
"Unser Herz zum Altar tragen
und dem Tod entgegen gehen.
Vaterland! Dir woll’n wir sterben
Wie dein großes Wort gebeut."
Biblische Themen wie Opfer und Passion werden auf die Soldaten übertragen: die alttestamentarische Darbringung eines Opfertieres, die Leidensgeschichte und der Tod Jesu, die Aufopferung der christlichen Märtyrer – religiöse Bilder und Themen, die sich nun auf dem Schlachtfeld wieder finden. So dichtete Ernst Moritz Arndt:
"Aber selig, wer in diesen
hehren Gottesschlachten fällt!
Der wird ewig hoch gepriesen
Als ein Heiland, als ein Held.
Auf der Freiheit Siegesstätten
Blüht die Ehre ewig grün,
Heil’ge kommen da zu beten,
Engel kommen da zu knien."
"Die Kirche ist eingestiegen worden, könnte man sagen, als nämlich der preußische König Friedrich Wilhelm III. den Kirchen verordnet hat, für die Helden in den Kirchen Gedenktafeln aufzuhängen. Das konnte der preußische König zu der Zeit auch gut tun, weil er im Königtum Preußen gleichzeitig weltliches und kirchliches Oberhaupt gewesen ist und so gelangten diese ehrenden Erinnerungstafeln - ab 1813 hat er das verfügt - und ab 1816 haben die Kirchen begonnen, diesen königlichen Erlass umzusetzen."
"Verordnung über die Stiftung eines bleibenden Denkmals für die, so im Kampfe für Unabhängigkeit und Vaterland blieben:
Es soll für alle, die auf dem Bette der Ehre starben, in jeder Kirche eine Tafel auf Kosten der Gemeinden errichtet werden mit der Aufschrift: Aus diesem Kirchspiele starben für König und Vaterland."
Darunter sollten die Namen aller Gefallenen aufgelistet werden, zuerst die Namen derer, die das Eiserne Kreuz erhalten hatten oder dessen würdig gewesen wären.
"Und so kam die Kirche zum Heldengedenken, an dem sie bis heute in Gestalt des Volkstrauertages beteiligt ist."
Die Verquickung verdichtete sich nochmals im Ersten Weltkrieg. So wird im Handbuch für die katholischen Feldgeistlichen empfohlen, den Soldaten die Lehre vom Märtyrertod nahezubringen. Die Ausführungen des Jesuitenpaters Christian Pech erinnern schon fast an islamistische Märtyrerlegenden.
"Wer stirbt, weil er die von Gott ihm auferlegte Pflicht der Treue gegen Vaterland und Fahneneid nicht verletzen will, der hat in der Tat die rechte Martyrergesinnung und kann vor Gott des ganzen Ruhmes und Verdienstes eines Märtyrers teilhaftig werden."
Rainer Sörries, der ebenfalls Theologe ist, kritisiert, dass es in den Kirchen auch nach dem Zweiten Weltkrieg keine grundsätzliche theologische Auseinandersetzung über die Grundlagen des Heldengedenkens gegeben habe. Den Kirchen hält er vor:
"Sie hat auch ihre Türen offen gehalten für spezielle Gottesdienst zum Beispiel für den Volkstrauertag, der ja eigentlich ein öffentlicher, nicht-kirchlicher Feiertag ist und trotzdem haben viele, viele Veranstaltungen in den Kirchen stattgefunden, und eine ganze Reihe vom Jahren (…) hat man das ja im Berliner Dom – die zentrale Gedenkveranstaltung gemacht. Also, es blieb immer bei dieser engen Verquickung von nationalen Gefallenengedenken und der Bereitschaft der Kirchen, sich dafür zur Verfügung zu stellen."
Und heute? Das Ehrenmal der Bundeswehr wird auf dem Gelände des Verteidigungsministeriums - im Bendlerblock - zunächst einmal ohne kirchliche Beteiligung errichtet.
Der Architekt Andres Meck hat einen langgestreckten, hohen, von Säulen getragenen Raum entworfen – mit einer Cella als Kern. Das Ehrenmal soll den Paradehof des Verteidigungsministeriums abschließen.
Doch benötigen Soldaten, die in Ausübung ihres Berufes sterben, überhaupt ein besonders Denkmal, ein Ehrenmal? Ja, sagt Oberstleutnant Ulrich Kirsch, der Vorsitzende des Bundeswehr-Verbandes:
"Wir haben einfach zur Kenntnis zu nehmen, dass Tod und Verwundung Teil unserer Einsätze geworden sind, das passiert nicht nur Unfälle, sondern eben auch durch Feindeinwirkung, durch Sprengfallen, durch Kampfhandlungen und deswegen muss man ganz neu nachdenken, und wir waren der Auffassung, dass man hier mit klaren Begriffen arbeiten muss. Und deswegen waren wir es als deutscher Bundeswehrverband, die immer wieder gesagt haben: Es geht hier nicht um Unfalltote oder Einsatzunfälle, sondern hier sind Soldaten gefallen."
Und der Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler ergänzt:
"Da es ja hier um Erwartungen der Politik und des politischen Gemeinwesens geht, die nicht allein mit Geld abgegolten werden können, sonst würde es sich um Söldner handeln, kommt eine zusätzliche Komponente da zu und diese zusätzliche Komponente ist Anerkennung; Anerkennung oder wenn man es etwas dramatischer haben will, würde man auch sagen: Ehre; Anerkennung in dem Sinne, dass hier eine besondere Leistung erbracht worden ist im Auftrag der Politik, also in unser aller Auftrag, und das dies nichts ist, was nebenbei erledigt ist."
Die meisten Denkmäler nach 1945 erinnern an die "Opfer von Krieg und Gewalt", wie es ganz offiziell im Gräbergesetz von 1965 heißt. Zivilisten und Soldaten werden in einem Atemzug genannt – eine Konsequenz des nationalsozialistischen Angriffs- und Vernichtungskrieges. Nach 1945 war man bemüht, sich von der Tradition des militaristischen Heldengedenkens und der Überhöhung der soldatischen Opferkultur abzusetzen. Und heute? Wird nun der alte Opfermythos wieder belebt? Sind Soldaten Opfer, haben sie sich geopfert? Rainer Sörries und Herfried Münkler gehen zumindest von einer besonderen Opferbereitschaft aus, die sich aber nicht mit dem englischen Begriff victim umschreiben lasse.
"Wenn wir sie als victim bezeichnen, dann würde das ja bedeuten, dass sie ohne eigenes Zutun und Wollen dahin gebracht worden sind, und es letzten Endes wie bei den Opfern des Straßenverkehrs passiert ist; nein, es ist ja schon eine Bereitschaft, erhöhte Gefahren und Risiken auf sich zu nehmen, letzten Endes stellvertretend für den politischen Verband und in dem Sinne würde ich sagen, es ist sacrificium."
"Ich kann natürlich den Tod eines Menschen im Kriegseinsatz – wo auch immer – nicht als ein bereitwillig auf sich genommenes Opfer begreifen, sondern man wird eher davon sprechen müssen, dass der Tod – in dem ich eben Soldat werde und Soldat bin, gehört das gewissermaßen mit zu meinem Berufsrisiko."
Die Kulturbeauftragte der evangelischen Kirche, Petra Bahr, tut sich allerdings schwer mit dem Opferbegriff:
"Ich glaube, dass ein Aspekt von stellvertretenden Tod da ist, wenn wir uns klar machen, dass die Rede der Verteidigung für uns alle einen wahren Kern hat: wir beauftragen die Bundeswehr (…) in Afghanistan zivile Formen von Gesellschaft aufzubauen und den Terror zu bekämpfen; das hat so einen Moment von Stellvertretung, den würde ich allerdings gar nicht religiös aufladen, denn das ist das Problem, wenn man christlicherseits auch von Opfer spricht, dass wir sofort an den Opfertod Jesu denken und das gerade ist nicht gemeint."
Das Problem für die Politik wie für die Soldaten im Einsatz: Eine Mehrheit der Bevölkerung lehnt den militärischen Einsatz in Afghanistan ab. Daran wird auch ein Ehrenmal, das an die verstorbene Soldaten erinnert, nichts ändern. Der Sinn des Denkmals liegt für Verteidigungsminister Franz Josef Jung darin, dass durch ein gemeinsames Trauern und Gedenken die Angehörigen und die Soldaten den Verlust besser verarbeiten können.
Aber kann ein Ehrenmal auch die Frage beantworten, warum die Soldaten zum Beispiel in Afghanistan ihr Leben lassen mussten?
"Ein Ehrenmal beantwortet diese Frage nach dem Warum nicht im diskursiv-argumentativen Sinne, (...) aber (…) im Sinne eines expressiv-rituellen Aktes, der auch eine Dimension der Sprachlosigkeit hat, sind solche Orte (..) die Angemessenheit dort, wo die Sprache und das Gerede zu Ende ist."
"Gute Theologie beginnt da, wo sie sich über die Sprache Gedanken macht, und ich finde wichtig, dass man die Namen, die Eigennamen, die auch immer ein Kennzeichen der Würde der Person sind, nicht vergisst, und nicht anonym an die Soldaten erinnert, sondern konkret an die, die im Rahmen ihres Einsatzes ums Leben, übrigens auch die, die den psychischen Druck nicht aushalten und sich das Leben nehmen."
Doch in das Ehrenmal sollen keine Namen von verstorbenen Soldaten eingraviert werden. Überlegt wird, die Namen der verstorbenen "Bundeswehrangehörigen, die in Folge der Ausübung ihrer Dienstpflichten" ums Leben gekommen sind, auf einem elektronischen Laufband zu dokumentieren. Allerdings sollen – nach den bisherigen Planungen – die Namen jener Soldaten, die durch Suizid aus dem Leben geschieden sind, dort nicht auftauchen.
Ins Monument eingraviert werden soll lediglich die Zeile:
"Den Toten unserer Bundeswehr – für Frieden, Recht und Freiheit."
Wie viele andere kritisiert auch Petra Bahr, dass ein Ehrenmal für die Toten der Bundeswehr eigentlich in die Nähe des Parlaments, des Bundestages, gehöre und nicht auf den Hof des Verteidigungsministeriums.
"Schwierig finde ich, dass das Ehrenmal (...) so eine Schattenöffentlichkeit erfährt, weil es ein Denkmal ist, was für die Öffentlichkeit so gar nicht zugänglich ist, wo plötzlich der Staat sich Rituale erfindet, weit ab von den liturgischen Ritualen, die die Kirche praktiziert, weswegen ich denke, dass es einen kirchlichen Ort, vielleicht eine leere Kirche, die wir dann Friedenskirche nennen, wo die Öffentlichkeit dann Zugang hat, zu trauern, aber auch für die zu beten, die in Auslandseinsätzen ihr Leben riskieren."