Software gegen Schummler

Wie man auch raffinierte Plagiate enttarnt

Studenten sitzen in einem Hörsaal der Universität Koblenz-Landau
Schlampiges wissenschaftliches Arbeiten ist oft der erste Schritt zum Plagiat, wissen die Forscher © picture alliance / dpa / Thomas Frey
Von Thomas Wagner · 10.03.2016
Simples "Copy Paste" war gestern, heute sind Plagiatoren geschickter. Doch die Plagiatsjäger sind ihnen auf den Fersen - mit immer ausgeklügelterer Software.
"Da war das Thema mit der Doktorarbeit von Herrn Guttenberg damals in den Medien. Und dabei ist auch immer wieder zur Sprache gekommen, dass die existierende Plagiatserkennungssoftware eigentlich keine Plagiate erkennen kann, sondern nur 'Copy Paste'."
Grund genug für Professor Bela Gipp, dies zu ändern. Gipp arbeitet als Juniorprofessor für Informatik an der Uni Konstanz – und entwickelt neue Software, die Plagiate von vornherein verhindern soll.
Ein paar Eingaben auf dem Notebook – und der Bildschirm teilt sich in zwei Hälften: links ein Text, rechts ein weiterer Text.
"Was wir sehen, ist, dass in medizinischen Journals zwei identische Studien veröffentlicht worden sind. Der einzige Unterschied ist, dass zum einen nach Angaben der Autoren die Studie in Tunesien durchgeführt wurde und in der anderen Veröffentlichung wird behauptet, dass sie im Iran durchgeführt wurde."
…"Copy Paste", der Klassiker unter den Plagiaten. Doch mittlerweile sind die "Abschreiber" wesentlich raffinierter geworden.

Ein feines Liniengeflecht enttarnt den Schummler

Erneut ruft Bela Gipp eine Website auf. Wieder erscheinen zwei Texte nebeneinander.
"Bei dieser Arbeit sieht man keine identischen Textpassagen. Die komplette Arbeit wurde mit eigenen Worten durch den Plagiator wiedergegeben."
…und lässt sich damit mit einer herkömmlichen Plagiatserkennungs-Software nicht enttarnen. Bela Gipp drückt auf eine weitere Taste. Plötzlich erscheint ein feines Geflecht an farbigen Linien und Verästelungen zwischen den beiden nicht-wortgleichen Texten.
"Und diese Linien zeigen eben, dass die Quellenangaben und andere nicht-textuellen Einheiten dieser Publikation in identischer Reihenfolge auftreten."
Ein untrügliches Indiz dafür, dass mächtig geschwindelt wurde, obwohl sich keine einzige wortgleiche Formulierung in den Texten findet. Die Software, die den Plagiator dennoch enttarnt, hat der Informatik-Professor aus Konstanz selbst entwickelt.
"Der Fokus unserer Arbeit liegt auf dem Schwerpunkt 'Language-Independent-Markers'. Also wir konzentrieren uns auf Quellenangaben, die in ähnlicher Reihenfolge vorkommen. Aber dann schauen wir uns zum Beispiel auch Formeln an."
Tauchen identische Quellenangaben, Formeln und Strukturelemente in gleicher Reihenfolge auf, ist der Fall klar: Der Text ist ein Plagiat, aufgespürt durch die Enttarnungs-Software von Bela Gipp.
"Also, wenn man eine wissenschaftliche Arbeit kopieren möchte, ist der Aufwand, Sätze neu zu formulieren... Naja, der hält sich in Grenzen. Wenn man dann auch noch Formeln verändern muss, dann wird der Aufwand so groß, dass sich das Plagiieren gar nicht mehr lohnt. Und das ist unser Ziel: Dass die Schwierigkeiten beim Plagiieren so groß werden, dass ich mir sage: Nein, da mache ich lieber vernünftige Forschung."
Insofern verstehen sich die Konstanzer Forscher auch nicht als Plagiats-Jäger, sondern als Plagiats-Verhinderer.
"Das heißt, wir wollen präventiv tätig sein."

Oft ist es Unsicherheit beim wissenschaftlichen Arbeiten

Denn, so der Sozialwissenschaftler Ansgar Schäfer, Koordinator des Projektes "Plagiatsprävention":
"Wenn wir das Software-Tool brauchen, um damit Plagiate zu finden und eins finden, dann ist es zu spät: Das Ziel sollte sein, dass solche Plagiate gar nicht erst entstehen."
Vorbeugen ist besser als Enttarnen – so lautet die Devise des Projektes. Das Team um Bela Gipp und Ansgar Schäfer setzt auf die Zusammenarbeit mit den Hochschulen.
"Sie sagen: Wie können wir denn die Schulung unserer Lehrenden so machen, dass sie ihre Lehre plagiatspräventiv gestalten? Hat denn jeder Studierende mitbekommen, was ein Plagiat ist?"
Hierzu erarbeitet das Projekt "Plagiatsprävention" Unterrichtsmaterialien und Seminareinheiten. Denn: Die Vorstufe zum Plagiat sei, sagen die Konstanzer Forscher, schlampiges wissenschaftliches Arbeiten: Hier ein Zitat nicht als solches kenntlich gemacht, da eine Quellenangabe vergessen – wenn Studierende und Lehrende heute keine Sensibilität für solche Fragen entwickeln, sei dies der Grundstein für das Plagiat von morgen, sagt Projektkoordinator Ansgar Schäfer:
"Wir sehen ganz oft bei Studierenden und auch bei den Doktorarbeiten, die öffentlich diskutiert werden, dass es um mangelhafte Arbeitsweisen geht. Das ist der größte Teil der Fälle an Hochschulen, wo Plagiate entstehen. Dort, wo es Unsicherheiten gibt bei Studierenden bei Doktoranden und darüber hinaus – da ist noch viel Luft nach oben."
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