Soap auf der Bühne
Constanze Behrends und Oliver Tautorat wollen die Leute weg vom Fernseher, rein ins Theater holen. Besonders die, die damit ansonsten nicht so viel anfangen können. Alle zwei Wochen präsentieren die beiden in ihrem Theater in Berlin-Wedding eine neue Folge der Bühnensitcom "Gutes Wedding, schlechtes Wedding". GWSW ist der Publikumsrenner im Kiez. Gerade ist die sechste Staffel gestartet.
Das Prime-Time-Theater im Berliner Stadtteil Wedding: Gerade beginnt die 36. Folge von "Gutes Wedding, schlechtes Wedding". Auf zwei kleinen Monitoren über der Bühne flimmert ein Trailer mit der unverwechselbaren Titelmelodie.
Wenig später betreten die Weddinger Hausfrau Nicole und der türkische Dönertaxifahrer Murat die Bühne. Nicole hat sich von Murat getrennt, weil der die gemeinsame Tochter Hülia-Lisa im Park vergessen hat.
Murat: "Nicole, bitte ..."
Nicole: "Du bist so was von ... von ... "
Murat: "Verantwortungsbegabt?"
Nicole: "Nee, eben nich, du bist unverantwortungsbegabt. Also gib mir die Schlüssel."
Nicole und Murat, das sind eigentlich Constanze Behrends und Oliver Tautorat, Gründer und Inhaber des Prime-Time-Theaters. Sie: eine schöne 25-Jährige mit Modelmaßen, langen rotblonden Haaren, engen Jeans und engem Pulli. Er: 32 Jahre, Halbgrieche, schwarze Haare, dunkle Augen, kräftige Statur. Im wirklichen Leben sind die beiden ein Paar und führen ihre Bühnen-Sitcom mittlerweile das dritte Jahr auf.
Behrends: "Begonnen hat das natürlich aus Idealismus und weil wir einfach was anderes machen wollten, weil wir keine Lust hatten auf das klassische Stadttheater, die Klassiker rauf und runter. Ja, weil ich einfach schon auf der Schauspielschule gemerkt habe, dass das klassische Theater, so wie man es jetzt halt kennt, einfach nichts für mich ist."
Tautorat: "Ich hab auch viele aus meiner Schauspielschule gekannt, die dann halt irgendwo waren an `nem Stadttheater und waren dann die ersten ein, zwei Monate superbeschäftigt und dann haben sie halt nur noch irgendwelche Nebenrollen gespielt."
Kennen gelernt haben sie sich vor drei Jahren, da haben sie zwei Junkies in einem Anti-Drogen-Spot gespielt. Schnell war klar, dass sie zusammen leben und arbeiten wollen. Behrends war noch auf der Schauspielschule, Tautorat machte Kindertheater. Sie ist zu ihm in den Wedding gezogen, ihre ersten gemeinsamen Auftritte hatten sie mit kleinen Kabarett-Stücken, in Kneipen vor einer Hand voll Leuten. Ein Probenraum wurde dann zur ersten Prime-Time-Bühne, mit gerade mal 35 Plätzen.
Tautorat: "Wir gucken sehr gerne fern und waren dann einfach bei dem Punkt, dass wir auch mal gesagt haben: Wir bringen Fernsehformate auf die Bühne. Die Serie hat einfach den Vorteil, das ist auch pragmatisch gedacht, dass man, was die Werbung angeht, letztendlich eine Sache permanent bewirbt, und trotzdem ist alle zwei Wochen was Neues."
Haupthandlungsort ist Onkel Ahmeds Dönerbude. Hier treffen sich Murat und Nicole, die Kiezschlampe Sabrina, der Vokuhila tragende Postbote Kalle oder die Sächsin Frau Schinkel, Leiterin des Arbeitsamtes und seit kurzem mit Onkel Ahmed verheiratet.
Frau Schinkel: "Mönsch Ahmed, wo bleibt denn der Türke? Kann doch ne wahr sein. Wer misch nisch kennt, isch bin Heidömarie Schinkel vom Orbeitsomt, aber 80 Prozent von ihnen ... na ja ... "
Hier wird alles und jeder auf die Schippe genommen. Immerhin 100 Figuren sind in der Serie schon aufgetaucht. Um die alle zu bewältigen, beschäftigen Behrends und Tautorat mittlerweile zwei weitere Schauspieler. Auf der Bühne dreht sich dann alles um deutsch-türkische Missverständnisse, Arbeitslosigkeit, Liebeskummer - Geschichten aus dem Wedding eben. Auch intellektuelle Prenzlberger - so genannte Prenzlwichser - treten auf.
Claudio: "Oh nee, das gibt’s doch nich. Das stresst mich jetzt grad total. Ich mein, wer hat denn jetzt hier die Vorhänge zugezogen?"
Tautorat: "Für mich ist immer das Wichtigste in einer Figur, dass ich keinen Menschen verrate, ich will alle Figuren lieb haben. Also wenn ein neuer Schauspieler zum Beispiel. dabei ist und nur auf der Klischee-Ebene bleibt, da bin ich richtig sauer, und da versuch ich solange zu suchen, bis man so eine Vielschichtigkeit entwickelt hat. Weil, das ist das, was einfach nicht geht. Wir zeigen ja oft Figuren, die, sag ich mal, eher in unteren Schichten so angesiedelt sind, mal so gesagt. Und nach unten zu treten, das ist `ne riesige Sauerei, und das ist das, was mich zum Beispiel auch bei den ganzen Comedians sauer macht."
Volkstheater wollen Behrends und Tautorat machen. Unverstellt, humorvoll und dabei immer liebenswert. Auch die Nähe zum Publikum ist ihnen wichtig. Deshalb stehen sie nicht nur auf der Bühne, sondern auch hinter der Abendkasse. Die beiden lieben einfach ihren Kiez und seine Bewohner. Dabei sind beide gar keine Berliner. Tautorat ist vor ein paar Jahren von München in die Hauptstadt gezogen. Behrends wuchs in einem kleinen Dorf in Sachsen-Anhalt auf. In Berlin hat sie schon fast überall gewohnt - auch im Prenzlauer Berg.
Behrends: "Dann bin ich halt nach Prenzlberg, und auch WG und alles mögliche. Aber ich hab mich da nie wohlgefühlt. Ich fand das so schlimm, und ich dachte immer, es liegt an mir, ich wär' irgendwie nicht cool genug oder, was weiß ich, nicht öko genug oder nicht intellektuell genug. Und dann bin ich nach Moabit, da wurde es schon ein bisschen besser, und durch Oliver bin ich dann eben in den Wedding gezogen, und ab da war es einfach wow, toll."
Das Theater scheint beim Publikum anzukommen. Gerade sind Behrends und Tautorat zum zweiten Mal umgezogen - in größere Räume direkt am U-Bahnhof Wedding. Ihr Mietvertrag hier läuft fünf Jahre. Solange wollen sie auf jeden Fall ihre Sitcom weiterspielen. Und sonst? Gibt es weitere Pläne?
Behrends: "Wir haben hin und wieder jetzt auch schon Anfragen und sind am überlegen, das ins Fernsehen zu bringen. Aber es muss halt immer so sein, dass der Ursprung und die Idee des Ganzen, dass das nicht verloren geht. Also es muss in unseren Händen bleiben."
Am 17. März ist im Prime-Time-Theater die 37. Folge von GWSW mit dem Namen "Eine geheimnisvolle Affäre" gestartet. Eine neue Folge startet alle zwei Wochen - die 38. Folge "Blackout" beginnt am 31. März.
Wenig später betreten die Weddinger Hausfrau Nicole und der türkische Dönertaxifahrer Murat die Bühne. Nicole hat sich von Murat getrennt, weil der die gemeinsame Tochter Hülia-Lisa im Park vergessen hat.
Murat: "Nicole, bitte ..."
Nicole: "Du bist so was von ... von ... "
Murat: "Verantwortungsbegabt?"
Nicole: "Nee, eben nich, du bist unverantwortungsbegabt. Also gib mir die Schlüssel."
Nicole und Murat, das sind eigentlich Constanze Behrends und Oliver Tautorat, Gründer und Inhaber des Prime-Time-Theaters. Sie: eine schöne 25-Jährige mit Modelmaßen, langen rotblonden Haaren, engen Jeans und engem Pulli. Er: 32 Jahre, Halbgrieche, schwarze Haare, dunkle Augen, kräftige Statur. Im wirklichen Leben sind die beiden ein Paar und führen ihre Bühnen-Sitcom mittlerweile das dritte Jahr auf.
Behrends: "Begonnen hat das natürlich aus Idealismus und weil wir einfach was anderes machen wollten, weil wir keine Lust hatten auf das klassische Stadttheater, die Klassiker rauf und runter. Ja, weil ich einfach schon auf der Schauspielschule gemerkt habe, dass das klassische Theater, so wie man es jetzt halt kennt, einfach nichts für mich ist."
Tautorat: "Ich hab auch viele aus meiner Schauspielschule gekannt, die dann halt irgendwo waren an `nem Stadttheater und waren dann die ersten ein, zwei Monate superbeschäftigt und dann haben sie halt nur noch irgendwelche Nebenrollen gespielt."
Kennen gelernt haben sie sich vor drei Jahren, da haben sie zwei Junkies in einem Anti-Drogen-Spot gespielt. Schnell war klar, dass sie zusammen leben und arbeiten wollen. Behrends war noch auf der Schauspielschule, Tautorat machte Kindertheater. Sie ist zu ihm in den Wedding gezogen, ihre ersten gemeinsamen Auftritte hatten sie mit kleinen Kabarett-Stücken, in Kneipen vor einer Hand voll Leuten. Ein Probenraum wurde dann zur ersten Prime-Time-Bühne, mit gerade mal 35 Plätzen.
Tautorat: "Wir gucken sehr gerne fern und waren dann einfach bei dem Punkt, dass wir auch mal gesagt haben: Wir bringen Fernsehformate auf die Bühne. Die Serie hat einfach den Vorteil, das ist auch pragmatisch gedacht, dass man, was die Werbung angeht, letztendlich eine Sache permanent bewirbt, und trotzdem ist alle zwei Wochen was Neues."
Haupthandlungsort ist Onkel Ahmeds Dönerbude. Hier treffen sich Murat und Nicole, die Kiezschlampe Sabrina, der Vokuhila tragende Postbote Kalle oder die Sächsin Frau Schinkel, Leiterin des Arbeitsamtes und seit kurzem mit Onkel Ahmed verheiratet.
Frau Schinkel: "Mönsch Ahmed, wo bleibt denn der Türke? Kann doch ne wahr sein. Wer misch nisch kennt, isch bin Heidömarie Schinkel vom Orbeitsomt, aber 80 Prozent von ihnen ... na ja ... "
Hier wird alles und jeder auf die Schippe genommen. Immerhin 100 Figuren sind in der Serie schon aufgetaucht. Um die alle zu bewältigen, beschäftigen Behrends und Tautorat mittlerweile zwei weitere Schauspieler. Auf der Bühne dreht sich dann alles um deutsch-türkische Missverständnisse, Arbeitslosigkeit, Liebeskummer - Geschichten aus dem Wedding eben. Auch intellektuelle Prenzlberger - so genannte Prenzlwichser - treten auf.
Claudio: "Oh nee, das gibt’s doch nich. Das stresst mich jetzt grad total. Ich mein, wer hat denn jetzt hier die Vorhänge zugezogen?"
Tautorat: "Für mich ist immer das Wichtigste in einer Figur, dass ich keinen Menschen verrate, ich will alle Figuren lieb haben. Also wenn ein neuer Schauspieler zum Beispiel. dabei ist und nur auf der Klischee-Ebene bleibt, da bin ich richtig sauer, und da versuch ich solange zu suchen, bis man so eine Vielschichtigkeit entwickelt hat. Weil, das ist das, was einfach nicht geht. Wir zeigen ja oft Figuren, die, sag ich mal, eher in unteren Schichten so angesiedelt sind, mal so gesagt. Und nach unten zu treten, das ist `ne riesige Sauerei, und das ist das, was mich zum Beispiel auch bei den ganzen Comedians sauer macht."
Volkstheater wollen Behrends und Tautorat machen. Unverstellt, humorvoll und dabei immer liebenswert. Auch die Nähe zum Publikum ist ihnen wichtig. Deshalb stehen sie nicht nur auf der Bühne, sondern auch hinter der Abendkasse. Die beiden lieben einfach ihren Kiez und seine Bewohner. Dabei sind beide gar keine Berliner. Tautorat ist vor ein paar Jahren von München in die Hauptstadt gezogen. Behrends wuchs in einem kleinen Dorf in Sachsen-Anhalt auf. In Berlin hat sie schon fast überall gewohnt - auch im Prenzlauer Berg.
Behrends: "Dann bin ich halt nach Prenzlberg, und auch WG und alles mögliche. Aber ich hab mich da nie wohlgefühlt. Ich fand das so schlimm, und ich dachte immer, es liegt an mir, ich wär' irgendwie nicht cool genug oder, was weiß ich, nicht öko genug oder nicht intellektuell genug. Und dann bin ich nach Moabit, da wurde es schon ein bisschen besser, und durch Oliver bin ich dann eben in den Wedding gezogen, und ab da war es einfach wow, toll."
Das Theater scheint beim Publikum anzukommen. Gerade sind Behrends und Tautorat zum zweiten Mal umgezogen - in größere Räume direkt am U-Bahnhof Wedding. Ihr Mietvertrag hier läuft fünf Jahre. Solange wollen sie auf jeden Fall ihre Sitcom weiterspielen. Und sonst? Gibt es weitere Pläne?
Behrends: "Wir haben hin und wieder jetzt auch schon Anfragen und sind am überlegen, das ins Fernsehen zu bringen. Aber es muss halt immer so sein, dass der Ursprung und die Idee des Ganzen, dass das nicht verloren geht. Also es muss in unseren Händen bleiben."
Am 17. März ist im Prime-Time-Theater die 37. Folge von GWSW mit dem Namen "Eine geheimnisvolle Affäre" gestartet. Eine neue Folge startet alle zwei Wochen - die 38. Folge "Blackout" beginnt am 31. März.