"So viel Hochmut habe ich schon lange nicht mehr gehört"

Dieter Hildebrandt im Gespräch mit Leonie March |
Der Kabarettist Dieter Hildebrandt sieht den Hochmut der CSU als einen Grund für die Wahlniederlage der Partei bei der bayerischen Landtagswahl. Das Ende der absoluten Mehrheit sei lange fällig gewesen und die Doppelspitze mit Erwin Huber und Günther Beckstein habe im Wahlkampf gezeigt, dass man sie nicht wählen sollte, sagte Hildebrandt.
Leonie March: Jahrzehntelang hat sich die CSU ganz selbstverständlich mit Bayern gleichgesetzt. Partei und Freistaat waren nach Ansicht der Christsozialen untrennbar miteinander verbunden. Doch jetzt ist die Harmonie mehr als gestört. Für viele Bayern verkörpert die CSU ihr Land nicht mehr. Auch das signalisiert das Ergebnis der gestrigen Landtagswahl. – Am Telefon begrüße ich den Kabarettisten Dieter Hildebrandt. Guten Morgen, Herr Hildebrandt!

Dieter Hildebrandt: Guten Morgen.

March: Freuen Sie sich darüber, dass die CSU die absolute Mehrheit verloren hat?

Hildebrandt: Ja, schon, natürlich, weil es war ja lange fällig. Ich meine, man kann nicht mit einer zweiten Mannschaft antreten, wenn man zu einer Wahl antritt mit praktisch einer Reservemannschaft. Diese beiden, die dort als Doppelspitze antreten, haben im Wahlkampf eben auch gezeigt, dass man sie nicht unbedingt wählen sollte. Und dann haben sie sich noch komplettiert mit einer Generalsekretärin, die nun wirklich offensichtlich eine Laiin ist. Die kommt wahrscheinlich aus einer Laiengruppe, was sie für einen Unsinn erzählt. Es ist unglaublich. Ich würde sie auch nicht gewählt haben.

March: War das denn jetzt nur die Führungsspitze, die verantwortlich ist für die Niederlage, oder war die Zeit für die CSU und eine Alleinherrschaft in Bayern auch einfach vorbei?

Hildebrandt: Ja, beides. Es war fällig, es war lange fällig. Diese Identifizierung mit Bayern war ja auch ziemlich unerträglich. Ich denke noch daran, dass so Menschen wie Hoeneß sich irgendwo einmal hingestellt haben und die ganze Wahrheit ausgeplaudert haben. In einem Interview haben sie gesagt, es gibt nur zwei Dinge im Leben, die Bayern ausmachen: Bayern München und Bayern. Und das ist die CSU. Sonst gäbe es überhaupt nichts auf dieser Welt und das denken natürlich auch sehr viele. Aber sagen wir mal so, wenn wir auf dem Teppich bleiben. Sie haben doch jetzt inzwischen fast 44 Prozent.

March: Ja, 43,4.

Hildebrandt: 43,4 Prozent – ein wunderbares Ergebnis für eine Partei und keine andere Partei kommt nur in die Nähe. Das ist doch gar nicht schlecht. Sie sollte eigentlich zufrieden sein, dass sie noch dran ist.

March: Sie haben es gerade gesagt. Die CSU hat ja trotz aller Abgesänge 43,4 Prozent errungen, ein Ergebnis, von dem alle anderen Parteien auch jenseits von Bayern träumen. Ist sie trotzdem schon, wie es viele Kommentatoren heute schreiben, in der politischen Normalität angekommen?

Hildebrandt: Nein, noch nicht. Normalität, würde ich sagen, wäre so: Die SPD hat ja nun so unverhältnismäßig wenig bekommen. Diese SPD kämpft dort ja eigentlich seit Jahrhunderten schon darum, einmal an die 30 Prozent zu kommen. Wenn diese beiden Parteien so in etwa die gleiche Zahl hätten, dann wäre da eine Normalität eingekehrt. Aber bis jetzt ist das ja noch ein Ungleichgewicht.

March: Warum ist das so, weil die CSU einfach doch noch die bayerische Seele am besten verkörpert?

Hildebrandt: Weil sie so tut, als wäre sie die bayerische Seele, und weil sie das mit einer gewissen Unbedenklichkeit tut und weil sie tatsächlich auch diese Lüge aufrechterhält, dass auch die bayerischen Alpen ihretwegen gefaltet wurden. Es gehört ihnen ja alles. Es gehört ihnen die Fahne, das Weiß-Blau und der Leberkäse. Das ist alles eine Erfindung der CSU und das lässt sich auf die Dauer nicht mehr vertreten, weil die Menschen glauben es nicht mehr so richtig.

March: Heribert Prantl schreibt in der "Süddeutschen Zeitung", es sei ein Erfolg der CSU, dass Bayern heute ein modernes und aufgeklärtes Land sei. Die Leute seien aber inzwischen so selbstbewusst geworden, dass sie die CSU weniger bräuchten als früher. Stimmt das?

Hildebrandt: Das habe ich gelesen. Das ist natürlich wunderbar. Da steckt natürlich auch die übliche Prantlsche Ironie dahinter, die ich sehr genossen habe. Natürlich ist sie selber Schuld an ihrem Verlust, weil sie hat die Menschen tatsächlich sich aufklären lassen und muss selber darunter leiden. Das ist schon richtig.

March: Jetzt braucht die CSU ja sogar einen Koalitionspartner. Das ist ja wirklich das Worst-Case-Szenario für die Christsozialen. Ist sie denn überhaupt nach so langer Alleinherrschaft in Bayern koalitionsfähig?

Hildebrandt: Da denke ich noch an das, was Beckstein gesagt hat: "Einen anständigen Bayern schüttelt es beim Gedanken an eine Koalition." So viel Hochmut, so viel sagen wir mal nicht sehr klugen Hochmut habe ich schon lange nicht mehr bei einem führenden Politiker gehört. Diese Koalition, die üblich ist – in keinem Land kommt eine Partei ohne Koalition aus -, muss jetzt natürlich sein. Nur sie wird es wahrscheinlich mit der FDP tun und darüber bin ich auch nicht so sehr glücklich. Eine Große Koalition ist sehr undenkbar. Also wird es die FDP sein, nehme ich an.

March: Warum sind Sie über die FDP als Partner nicht besonders glücklich?

Hildebrandt: Ich mag diese Besserverdienerpartei nicht so richtig. Sie sagt ja immer, dass Geld eigentlich ganz wichtig wäre, und sonst nicht so sehr viel. Es ging ihr immer um die Wirtschaft und es ging ihr um nichts anderes. Das sagt sie zwar nicht so deutlich, aber sie meint es, und deswegen bin ich nicht so glücklich.

March: Die Zukunft des Führungsduos Beckstein/Huber, die Sie ja eben schon heftig kritisiert haben, ist ja jetzt ungewiss. Würden Sie als Kabarettist den beiden eine Träne nachweinen, oder hoffen Sie auf Nachfolger, die Ihnen mehr Stoff bieten?

Hildebrandt: Ich sehe gar nicht ein, warum die jetzt gehen sollten. Sie haben doch immerhin die absolute Mehrheit – nicht die absolute, aber doch eine satte Mehrheit. Warum sollten sie denn zurücktreten? Haben sie denn gesagt, dass sie zurücktreten? Ich hatte gestern Abend Vorstellung. Ich habe ihre Einlassung noch nicht gehört.

March: Nein. Sie wollen nicht, aber es gibt natürlich Kräfte im Hintergrund, die das durchaus wollen, dass die beiden ihren Hut nehmen – wenigstens Huber jetzt erst mal.

Hildebrandt: Selbstverständlich, aber ich meine, man hat sie ja die Hüte aufsetzen lassen. Warum hat man sie denn überhaupt heran gelassen? Man kann sie doch nicht wegen eines Wahlergebnisses jetzt gehen lassen. Wie soll das gehen, dass sie gegangen werden? Das sehe ich jetzt noch nicht so richtig. Ich habe den Eindruck, dass es sich da weniger um Beckstein handelt als um Huber.

March: Das stimmt, ja. – Sie haben ja Günther Beckstein mal als CSU-Langweiler bezeichnet. Mit dem müssen Sie dann eine Weile leben als Kabarettist. Graut Ihnen davor?

Hildebrandt: Ach wissen Sie, nein. Er sagt so entzückende Sachen. Er verreist und sagt dann so merkwürdige Dinge, als er zurückkam aus Saudi-Arabien, glaube ich. Nein, von Abu Dhabi oder irgendwie. Da kam er zurück und war ganz begeistert und verwundert, dass die da drüben so reich sind. Da hat er gesagt, Geld haben die mehr als wir. Das ist eine tolle Erfahrung und von so was lebt man natürlich auch, wenn man abends auftritt.

March: Also Sie wünschen sich hier keinen Nachfolger vom Format Stoibers oder Strauß?

Hildebrandt: Doch, das würde ich mir schon wünschen. Mit Strauß hatten wir ja auch sehr viel zu tun. So war das ja nicht. Nur war das alles ein wenig sagen wir im Niveau etwas höher.

March: Der Kabarettist Dieter Hildebrandt war das im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Herzlichen Dank dafür.

Hildebrandt: Ja, ich danke Ihnen!

Das Gespräch mit Dieter Hildebrandt können Sie bis zum 29. Februar 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio