"So schnell wie möglich die Reputation der Weltbank wiederherstellen"

Moderation: Marie Sagenschneider |
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat den Rücktritt von Weltbank-Präsident Wolfowitz als richtig bezeichnet. Er sei froh, dass er noch vor dem Treffen der G8-Finanzministertreffen bei Potsdam entschieden worden sei. Dort beraten die Minister derzeit über die Transparenz von Hedgefonds und einen Aktionsplan für Afrika.
Marie Sagenschneider: Die Absage dürfte eigentlich niemanden überrascht haben, denn Weltbankpräsident Paul Wolfowitz hatte zu sehr in eigener Sache zu kämpfen, um Zeit für ein Treffen in Brandenburg zu haben. Dort kommen heute die Finanzminister der G8 zusammen, um den G8-Gipfel Anfang Juni in Heiligendamm vorzubereiten, unter anderem darüber zu beraten, wie man mehr Transparenz bei Hedgefonds schaffen kann und wie man verhindern kann, dass viele afrikanische Länder erneut in eine Verschuldungskrise geraten. Auch deswegen wäre die Teilnahme des Weltbankpräsidenten sicherlich sinnvoll gewesen. Nun aber hat Paul Wolfowitz wie erwartet wegen der Affäre um Günstlingswirtschaft seinen Rücktritt angekündigt und kommt nicht zu den Gesprächen an den Schwielowsee bei Potsdam, zu denen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück eingeladen hat. Guten Morgen, Herr Steinbrück!

Peer Steinbrück: Guten Morgen!

Sagenschneider: Es waren ja vor allem die Europäer gewesen, die gesagt hatten, das geht so nicht, Paul Wolfowitz muss jetzt endlich zurücktreten. Jetzt hat er es angekündigt, nach tagelangen Verhandlungen. Sind Sie erleichtert?

Steinbrück: Ja, es ist gut für die Weltbank und es ist gut für die Arbeitsfähigkeit der Weltbank. Insofern glaube ich, dass Paul Wolfowitz die richtige Konsequenz gezogen hat, und ich mache keinen Hehl daraus – es war auch jetzt der richtige Zeitpunkt.

Sagenschneider: Der deutsche Exekutivdirektor der Weltbank, Eckhard Deutscher, hat gesagt, diese ganze Affäre habe die Weltbank doch ziemlich beschädigt. Wie sehr ist sie denn dadurch in Mitleidenschaft gezogen worden?

Steinbrück: Na ja, das lässt sich nicht in Zahlen ausdrücken, aber in der Tat – der Prozess dauerte zu lange. Auf der anderen Seite muss man auch aufpassen, dass jemand unter Gesichtswahrung in der Lage sein kann, seinen Rücktritt zu erklären von einem so wichtigen Amt. Es wird hier sehr schnell darauf ankommen, nicht mehr die Vergangenheit aufzuarbeiten, sondern so schnell wie möglich die Reputation der Weltbank und ihre Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen, die ist enorm wichtig für die Länder der Dritten Welt.

Sagenschneider: Und jetzt wird es natürlich um die Nachfolge von Paul Wolfowitz gehen. Traditionell – das wissen wir – wird dieser Posten des Weltbankpräsidenten mit einem Amerikaner besetzt, was mittlerweile viele ja infrage stellen. Sollte man hier mal anfangen umzudenken?

Steinbrück: Na ja, es kann ja sein, dass der Rücktritt von Paul Wolfowitz auch dadurch erleichtert worden ist jetzt, indem den Amerikanern schon das Vorschlagsrecht wieder eingeräumt worden ist. Und vor dem Hintergrund würde ich jetzt nicht diplomatisch intervenieren wollen. Dass irgendwann vielleicht auch mal der Zeitpunkt kommt, wo die Amerikaner unbenommen ihrer hohen Anteile oder ihres hohen Stimmrechtes zu dem Ergebnis kommen, dass auch ein anderer die Weltbank leiten sollte, das ist vielleicht wünschenswert. Umgekehrt wissen Sie, es ist meistens ein Europäer, der dann den International Monetary Fund leitet, zum Beispiel früher unser Bundespräsident Köhler.

Sagenschneider: Den Internationalen Währungsfonds. Ja, da müsste Europa vielleicht auch mal umdenken.

Steinbrück: Ja, vielleicht kann man da ansetzen, zunächst bei Komitees, die da zu besetzen sind, aber das sollte man erst mal internen Beratungen überlassen, ehe man da gleich wieder auf den offenen Markt geht.

Sagenschneider: Wird, Herr Steinbrück, dieser Rücktritt und die ganzen Querelen um Wolfowitz und die Weltbank, wird das eigentlich Auswirkungen haben auf das, was Sie und Ihre Amtskollegen heute beschäftigen wird bei dem Treffen in Brandenburg und bei den Beratungen über Finanzhilfen für Afrika?

Steinbrück: Überhaupt nicht. Auch wenn Paul Wolfowitz gekommen wäre – und natürlich wäre er protokollarisch sehr korrekt da behandelt worden, gar keine Frage –, hätte das die inhaltlichen Beratungen nicht überlagert oder dominiert, aber ich fürchte, wenn er gekommen wäre, hätte es das Erscheinungsbild dieses G7/G8-Treffens in Potsdam beeinträchtigt.

Sagenschneider: Und dann reden wir über die inhaltlichen Beratungen. Wie soll denn verhindert werden, dass afrikanische Staaten erneut in eine Schuldenkrise geraten?

Steinbrück: Ja, Sie wissen und die Hörerinnen und Hörer wissen vielleicht, dass Deutschland unter anderem beteiligt gewesen ist an mehreren großen Entschuldungsaktivitäten und Aktionen zugunsten der afrikanischen Staaten, nicht nur der afrikanischen Staaten. Deutschland hat insgesamt über zwei wichtige Initiativen an die zehn Milliarden Euro Schulden erlassen. Und uns ist sehr daran interessiert, dass die afrikanischen Staaten nicht wieder in diese ungeheure Spirale hineinkommen. Und die Gefahr ist teilweise gegeben, weil es eine Reihe von Ländern gibt, die an die Rohstoffvorkommen der afrikanischen Staaten herankommen wollen und dann bereit sind, wieder solche Kredite zu gewähren, und wir versuchen, zusammen mit den afrikanischen Staaten, Spielregeln zu entwickeln, um das zu verhindern. Und daran sind sehr viele afrikanische Staaten interessiert, einige sogar vorbildlich.

Sagenschneider: Das eine sind die Spielregeln, das andere sind die Finanzhilfen für Afrika. Bislang haben die G8-Staaten ja nur einen Teil ihrer Versprechen eingelöst, so wie man es eben vor zwei Jahren in Gleneagles vereinbart hatte und Deutschland ist hier auch nicht gerade vorbildlich. Werden Sie mehr Geld locker machen?

Steinbrück: Ja, nicht ganz, also Gleneagles wird immer nur, wie soll ich sagen, auf einem Bein richtig verstanden. Es war aber ein zweites Bein hinzugefügt, das auch Berücksichtigung erbeten hat mit Blick auf die Finanzsituation der großen Geberländer, und wir wissen, dass Deutschland 1,5 Billionen Euro Schulden hat und auf dem Wege ist, endlich einen ausgeglichenen Haushalt zu finden. Das heißt, die Haushaltsrestriktion, die spielt dabei auch eine Rolle. Immerhin, wir haben in diesem Jahr die Entwicklungshilfe deutlich gesteigert in dem Haushalt der Kollegin Wieczorek-Zeul, ich glaube an die 7 bis 7,5 Prozent, und wenn man in die Zeitungen der vergangenen Tage geguckt hat, dann stellt man fest, dass die Bundeskanzlerin auch ich die Entwicklungshilfe zu einem der fünf, sechs Schwerpunkte machen, wo es auch zusätzliches Geld für den Haushalt 2008 geben soll.

Sagenschneider: Na, aber da Sie Frau Wieczorek-Zeul schon angesprochen haben – die hofft ja, in Gesprächen mit Ihnen noch mal ein bisschen Geld zu kriegen!

Steinbrück: Ja, ich deutete ja an, dass das einer der Schwerpunkte ist im Rahmen dessen, was wir haushaltsmäßig verkraften können. Das wird also nicht uferlos sein können. Aber dass wir die so genannte Entwicklungshilfen-Quote – im Technokraten-Jargon heißt das die ODA-Quote, es ist die Official Developement Assistance Quote, also das, was die Länder, gemessen an ihrem Bruttosozialprodukt, an Entwicklungshilfe ausgeben –, das wollen wir steigern, ja. Ob wir da so schnell sind in dem Tempo wie in Gleneagles dargestellt, da will ich den Mund mal nicht zu voll nehmen.

Sagenschneider: Aha, und die Größenordnung wollen Sie wahrscheinlich auch nicht kundtun.

Steinbrück: Nein, nicht vor Abschluss der Haushaltsberatungen.

Sagenschneider: Eines der Themen, Herr Steinbrück, das Sie nun schon vor einiger Zeit auf die Tagesordnung gesetzt haben, das ist die Frage, wie man die risikoreichen, weil eben spekulativen Geschäfte der Hedgefonds transparenter machen könnte. Großbritannien und die USA wollen da noch nicht so recht mitziehen. Glauben Sie denn, dass Sie da heute dennoch etwas erreichen können?

Steinbrück: Ja, zunächst einmal: Diese Diskussion hat Deutschland in seiner Präsidentschaft im Februar in Essen bei einem G7-Treffen angestoßen, das ist drei Monate her. Und da bitte ich, dass die Erwartungen nicht immer so hoch gelegt werden, dass man als Hochspringer über diese Latte gar nicht rüberkommen kann. Wir sind in diesen drei Monaten, wie ich finde, ein bemerkenswertes Stück weitergekommen. Insbesondere übrigens auch mit Hilfe von Stimmen aus den USA. Das ist nicht so einheitlich, dass die alle nur sagen, da sind wir skeptisch, sondern es gibt viele, die teilen die Einschätzung, dass über die Aktivitäten dieser Hedgefonds systemische Finanzkrisen weltweit ausgelöst werden können. Und zweitens: Die wichtigen, seriösen Hedgefonds selber, die haben mehr und mehr Interesse daran, sich zu beteiligen, um Marktintegrität zu wahren. Und ich glaube, dass wir in Gespräch mit denen selber vielleicht bis Ende des Jahres die Umrisse eines Verhaltenskodex entwickeln können, auch mit Unterstützung von Engländern und von Amerikanern.

Sagenschneider: Wenn Sie sagen, man soll nicht so viel erwarten, dann wollen Sie damit wahrscheinlich dann auch sagen, dass man jetzt nicht erwarten soll, dass beim G8-Treffen in Heiligendamm da eine Lösung gefunden wird?

Steinbrück: Nein, das war auch nie beabsichtigt! Weder die Bundeskanzlerin noch ich haben irgendjemandem angekündigt, wir hätten in Heiligendamm im Juni einen Verhaltenskodex schon verabredet. Kein Mensch hat das getan, sondern das ist dann eher der Druck, der von außen kommt, nach dem Motto, also, das muss doch dann und dann schon passieren. Sie müssen versuchen, insbesondere die Amerikaner und die Briten an einen Tisch zu bekommen und zwar einladend. Nicht mit einer provozierenden Haltung. Und über diese einladende Bewegung kann man dann auch zu Ergebnissen kommen, wo ich glaube, dass ein solcher Verhaltenskodex für mehr Integrität, Marktintegrität und auch Prophylaxe gegen solche Finanzkrisen sorgt.

Sagenschneider: Bundesfinanzminister Peer Steinbrück im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen!