So konsistent wie gebrauchtes Butterbrotpapier
Die Debatte über Gewalt in Fußballstadien ist eine Scheindiskussion, meint Thomas Kistner von der "Süddeutschen Zeitung". Hinter dem Sicherheitskonzept stehe der Wunsch, möglichst schnell etwas zu beschließen - ohne mit den Fans ins Gespräch kommen zu wollen.
Hätte es den Druck der Innenpolitik, der Hardliner von Hans-Peter Friedrich bis zum Niedersachsen Uwe Schünemann – hätte es diesen fast hysterischen Druck auf den Fußballbetrieb auch gegeben, wenn nicht gerade im Wirkbereich dieser Law-and-Order-Minister die skandalöse Pannenserie des Verfassungsschutzes in Zusammenhang mit der rechtsradikalen Mörderbande NSU stattgefunden hätte?
Was hat die Politik geritten, den organisierten Profifußball nun in Windeseile ein Sicherheitskonzept durchpeitschen zu lassen, das inhaltlich so konsistent ist wie ein gebrauchtes Butterbrotpapier? Die 36 in der Deutschen Fußball-Liga DFL versammelten Profiklubs haben das angeblich brandneue Konzept "Sicheres Stadionerlebnis" verabschiedet. Übrigens heißt es jetzt nur noch "Stadionerlebnis", und dass nichts wirklich Neues drinsteht, versicherten gleich nach der Sitzung die DFL-Vertreter selbst.
Gewiss, es gab ein paar Krawalle in letzter Zeit. So, wie öfter mal in den vergangenen drei Jahrzehnten – außer Kontrolle geraten aber war die Lage nie und nirgendwo. Zum Krisenthema entwickelt hat sich allein die Pyrotechnik-Frage, ohne die es die jüngste Sicherheitsdebatte nie gegeben hätte. Fernsehbilder von Leuchtfeuern und blickdichten Rauchschwaden in manchen Stadien machte sehr schnell klar: Damit muss Schluss sein. Genau dazu aber besagt das neue DFL-Papier nichts.
Dabei liefert auch die Pyrotechnik letztlich nur eine Geisterdebatte. Initiiert allerdings nicht von zündelfreudigen Fans, sondern vom Deutschen Fußball-Bund. Der DFB hatte 2011 den Fans ein Diskussionsthema angeboten, das es nach Gesetzeslage gar nicht geben darf: Feuerwerke im Stadion. Ebenso gut hätte der DFB den Menschen einen Dialog über Gewalt im Stadion anbieten können.
Das Problem ist nur: Der DFB hat die angezettelte Debatte gestoppt, ehe sie begann, sich aber bis heute nicht entschuldigt für diese Irreführung. Das Gros der organisierten Ultras- und Fangruppen ist hochsensibel. Grenzübertretungen, das Messen mit der Obrigkeit sind für junge Leute Teil des Reifungsprozesses, im der Sportarena wie anderswo. Und naturgemäß sieht sich so eine jugendliche Fankultur argwöhnisch beäugt in einem Hochglanz-Profitcenter wie dem Profifußball, wo Marketender und Finanzjuristen Milliarden aus der Plastikkugel schürfen. Für diese grauen Anzugsträger ist die Fan-Kultur, das Hochamt für Stimmung und Wir-Gefühl auf den Rängen, nur schützenswert, solange es Verwertbares zum Wirtschaftsgut Profifußball beiträgt. Ansonsten stören sie nur, diese brüllenden Horden.
Diese zwei Pole definieren den Profifußball, den einmaligen Mix aus Wirtschafts- und Kulturbetrieb. Zusammenpassen werden sie nie, sie werden sich immer nur zusammenraufen können. Die Klubs sollten flott und einhellig ein Papier beschließen – egal, was drinsteht. So liest sich das auch: Für Risikospiele soll die Ausgabe von Gäste-Tickets reduziert werden – großartig, das war bisher schon der Fall. Problematisch bleibt die Ganzkörperkontrolle bei Risikospielen: Hier geht es um Fragen der Menschenwürde, das Konfliktpotenzial wurde nicht entschärft. Da fragt sich schon, wieso es - eingedenk all des Polizei- und Fanbeauftragten-Aufwands, der seit Jahren betrieben wird - nicht möglich ist, behördenbekannte Störenfriede gezielt rechtzeitig aus dem Verkehr zu ziehen?
So zeigt die Scheindebatte eines: Die Fan-Problematik wird gerade erst entdeckt von Politik und Sport. Die einen wollen nur öffentliche Ruhe, die anderen nur in Ruhe ihr Geld zählen. Ums liebe Geld geht es ja letztlich nur: Die Politik ignoriert dafür gerne, dass Fußballfans Teil jener Jugendkultur sind, die in ihrer zentralen Zuständigkeit liegt – auch finanziell. Listig versucht sie, die Kosten für Sozialarbeit, Prävention und Fanprojekte auf die Klubs abzuwälzen.
Andererseits sollte auch der superreiche Fußball kräftiger zur Kasse gebeten werden - vor allem für die Polizeieinsätze rund um den Stadienbetrieb. Dies ist das einzige Argument der Ordnungspolitiker, das sticht. Nur scheuen sie sich, es auch durchzufechten, weil das unpopulär ist. Dabei stellt sich die Frage: Gibt es überhaupt eine sinnfreiere Verwendung für den Riesenreibach, der in den Fußballbetrieb fließt, als die aktuelle? Bis zu 90 Prozent der Einnahmen fließen ja an die Spieler und – schlimmer noch – an deren Berater. Fünf Milliarden Euro nimmt die DFL in den nächsten drei Jahren ein. Hier ließe sich viel Geld höchst sinnvoll umverteilen. Immerhin nimmt der Profibetrieb pro Jahr laut Polizeigewerkschaft die Jahresarbeitsleistungen von elf Hundertschaften der Polizei in Anspruch, mit weit über 100 Millionen Euro Personalkosten.
Höchste Zeit, den Steuerzahler zu entlasten – darunter Millionen nicht am Fußball Interessierter. In die Irre führt da auch der Hinweis, dass die Sicherheit bei anderen öffentlichen Veranstaltungen ebenfalls durch die Polizei zu gewährleisten ist. Hier geht es ja nicht um gelegentliche Bürger-Demonstrationen oder um vereinzelte Gastspiele großer Rockbands. Es geht um ein Dauergewerbe, das große Teile des nationalen Alltagsrhythmus bestimmt. Die Klubs wehren sich vehement gegen solche Abgaben.
So bleibt alles offen, und alles geht weiter wie bisher. Noch ist ja nichts Schlimmes passiert. Und falls die Politik das Problem weiter nur für Symbolpolitik nutzt, und falls der Fußball sich weiter sperrt, seine gesellschaftliche Verpflichtung zu erkennen - dann stärken Scheindebatten wie die jüngste nur eine Partei: Radikale Kräfte im Stadion. Weil sie theoretisch für etwas herhalten müssen, wo in der Praxis nichts geschieht.
Was hat die Politik geritten, den organisierten Profifußball nun in Windeseile ein Sicherheitskonzept durchpeitschen zu lassen, das inhaltlich so konsistent ist wie ein gebrauchtes Butterbrotpapier? Die 36 in der Deutschen Fußball-Liga DFL versammelten Profiklubs haben das angeblich brandneue Konzept "Sicheres Stadionerlebnis" verabschiedet. Übrigens heißt es jetzt nur noch "Stadionerlebnis", und dass nichts wirklich Neues drinsteht, versicherten gleich nach der Sitzung die DFL-Vertreter selbst.
Gewiss, es gab ein paar Krawalle in letzter Zeit. So, wie öfter mal in den vergangenen drei Jahrzehnten – außer Kontrolle geraten aber war die Lage nie und nirgendwo. Zum Krisenthema entwickelt hat sich allein die Pyrotechnik-Frage, ohne die es die jüngste Sicherheitsdebatte nie gegeben hätte. Fernsehbilder von Leuchtfeuern und blickdichten Rauchschwaden in manchen Stadien machte sehr schnell klar: Damit muss Schluss sein. Genau dazu aber besagt das neue DFL-Papier nichts.
Dabei liefert auch die Pyrotechnik letztlich nur eine Geisterdebatte. Initiiert allerdings nicht von zündelfreudigen Fans, sondern vom Deutschen Fußball-Bund. Der DFB hatte 2011 den Fans ein Diskussionsthema angeboten, das es nach Gesetzeslage gar nicht geben darf: Feuerwerke im Stadion. Ebenso gut hätte der DFB den Menschen einen Dialog über Gewalt im Stadion anbieten können.
Das Problem ist nur: Der DFB hat die angezettelte Debatte gestoppt, ehe sie begann, sich aber bis heute nicht entschuldigt für diese Irreführung. Das Gros der organisierten Ultras- und Fangruppen ist hochsensibel. Grenzübertretungen, das Messen mit der Obrigkeit sind für junge Leute Teil des Reifungsprozesses, im der Sportarena wie anderswo. Und naturgemäß sieht sich so eine jugendliche Fankultur argwöhnisch beäugt in einem Hochglanz-Profitcenter wie dem Profifußball, wo Marketender und Finanzjuristen Milliarden aus der Plastikkugel schürfen. Für diese grauen Anzugsträger ist die Fan-Kultur, das Hochamt für Stimmung und Wir-Gefühl auf den Rängen, nur schützenswert, solange es Verwertbares zum Wirtschaftsgut Profifußball beiträgt. Ansonsten stören sie nur, diese brüllenden Horden.
Diese zwei Pole definieren den Profifußball, den einmaligen Mix aus Wirtschafts- und Kulturbetrieb. Zusammenpassen werden sie nie, sie werden sich immer nur zusammenraufen können. Die Klubs sollten flott und einhellig ein Papier beschließen – egal, was drinsteht. So liest sich das auch: Für Risikospiele soll die Ausgabe von Gäste-Tickets reduziert werden – großartig, das war bisher schon der Fall. Problematisch bleibt die Ganzkörperkontrolle bei Risikospielen: Hier geht es um Fragen der Menschenwürde, das Konfliktpotenzial wurde nicht entschärft. Da fragt sich schon, wieso es - eingedenk all des Polizei- und Fanbeauftragten-Aufwands, der seit Jahren betrieben wird - nicht möglich ist, behördenbekannte Störenfriede gezielt rechtzeitig aus dem Verkehr zu ziehen?
So zeigt die Scheindebatte eines: Die Fan-Problematik wird gerade erst entdeckt von Politik und Sport. Die einen wollen nur öffentliche Ruhe, die anderen nur in Ruhe ihr Geld zählen. Ums liebe Geld geht es ja letztlich nur: Die Politik ignoriert dafür gerne, dass Fußballfans Teil jener Jugendkultur sind, die in ihrer zentralen Zuständigkeit liegt – auch finanziell. Listig versucht sie, die Kosten für Sozialarbeit, Prävention und Fanprojekte auf die Klubs abzuwälzen.
Andererseits sollte auch der superreiche Fußball kräftiger zur Kasse gebeten werden - vor allem für die Polizeieinsätze rund um den Stadienbetrieb. Dies ist das einzige Argument der Ordnungspolitiker, das sticht. Nur scheuen sie sich, es auch durchzufechten, weil das unpopulär ist. Dabei stellt sich die Frage: Gibt es überhaupt eine sinnfreiere Verwendung für den Riesenreibach, der in den Fußballbetrieb fließt, als die aktuelle? Bis zu 90 Prozent der Einnahmen fließen ja an die Spieler und – schlimmer noch – an deren Berater. Fünf Milliarden Euro nimmt die DFL in den nächsten drei Jahren ein. Hier ließe sich viel Geld höchst sinnvoll umverteilen. Immerhin nimmt der Profibetrieb pro Jahr laut Polizeigewerkschaft die Jahresarbeitsleistungen von elf Hundertschaften der Polizei in Anspruch, mit weit über 100 Millionen Euro Personalkosten.
Höchste Zeit, den Steuerzahler zu entlasten – darunter Millionen nicht am Fußball Interessierter. In die Irre führt da auch der Hinweis, dass die Sicherheit bei anderen öffentlichen Veranstaltungen ebenfalls durch die Polizei zu gewährleisten ist. Hier geht es ja nicht um gelegentliche Bürger-Demonstrationen oder um vereinzelte Gastspiele großer Rockbands. Es geht um ein Dauergewerbe, das große Teile des nationalen Alltagsrhythmus bestimmt. Die Klubs wehren sich vehement gegen solche Abgaben.
So bleibt alles offen, und alles geht weiter wie bisher. Noch ist ja nichts Schlimmes passiert. Und falls die Politik das Problem weiter nur für Symbolpolitik nutzt, und falls der Fußball sich weiter sperrt, seine gesellschaftliche Verpflichtung zu erkennen - dann stärken Scheindebatten wie die jüngste nur eine Partei: Radikale Kräfte im Stadion. Weil sie theoretisch für etwas herhalten müssen, wo in der Praxis nichts geschieht.