"So kommen Glauben und Fußball zusammen"

Bernhard Felmberg im Gespräch mit Kirsten Dietrich |
Die Evangelische Kirche im Fußballfieber - rund 2500 Gemeinden zeigen die Weltmeisterschafts-Spiele. Aus diesen Veranstaltungen ergeben sich viele Anknüpfungsmöglichkeiten, sagt EKD-Sportbeauftragter Bernhard Felmberg.
Kirsten Dietrich: "Fußball ist ein starkes Stück Leben" - mit diesem Motto öffnete sich die Evangelische Kirche in Deutschland bei der letzten WM ganz weit für den Fußball, mit Gottesdiensten zum Thema und Public Viewing in den Gemeinden. Bei einer Weltmeisterschaft im eigenen Lande lag das irgendwie nahe – aber auch dieses Jahr, mit der Weltmeisterschaft in Südafrika, ist die EKD im Fußballfieber.

Ungefähr 2500 Gemeinden, ein paar Hundert weniger als 2006, zeigen in ihren Räumen die Fußballspiele – mit dem Segen des Weltfußballverbandes FIFA übrigens, der das kostenlos erlaubt, solange damit keine Geschäfte gemacht werden. Was sich die evangelische Kirche davon verspricht, darüber spreche ich mit Bernhard Felmberg. Er ist der Sportbeauftragte der EKD, und er betreut als Pfarrer die Kapelle im Olympiastadion in Berlin. Herr Felmberg, welche Erfahrungen machen Kirchengemeinden mit dem gemeinsamen Fußballgucken?

Bernhard Felmberg: Also das ist sehr unterschiedlich. Die meisten Gemeinden haben ja die hervorragenden Erfahrungen 2006 gemacht, und deshalb sind sie fast wider Erwarten jetzt wieder dabei. Und die Erfahrungen sind gut, es treffen sich Menschen, oft im Zusammenhang mit Kindern und Familien. Es wird geschätzt, dass hier einfach die Atmosphäre friedlicher ist, entspannter, etwas kommuner und damit genau der richtige Rahmen für Menschen, die sagen wir mal vielleicht nicht Vuvuzela-frei, aber dann doch in einem Rahmen feiern wollen, der übersichtlich ist.

Dietrich: Wenn Sie sagen, die Erfahrungen sind gemischt, gibt es auch andere Erfahrungen?

Felmberg: Na, es gibt sicherlich Gemeinden, die von solchen Übertragungen ein Allheilmittel sich versprechen, auf einmal Hunderte von Menschen auf ihrer Gemeindewiese, die sonst vielleicht leer ist, das klappt nicht immer, da muss man ansonsten auch schon ein lebendiges Gemeindeleben haben. Und dann potenziert sich so was.

Dietrich: Wenn der Fußball also kein Allheilmittel für Gemeindeprobleme ist, was bringt er der Kirche, was bringt er den Gemeinden?

Felmberg: Na, er zeigt, dass Gemeinde mitten im Leben ist, es zeigt, dass die Kirche in den Dingen des Lebens wirklich dabei ist und ihren Gemeinden und den Menschen etwas anbietet und einfach die Möglichkeit gibt, gemeinsam zu feiern und dabei zu sein. Und das ist eine wunderbare Sache.

Es gibt Gemeinden, da kommen Hunderte zusammen und feiern quasi, dass die Kirche im Dorf ist, dass das Fußballleben ein wunderbares Fest ist, und so kommen Glauben und Fußball zusammen. Und dass das in den Gemeinden inzwischen tausendfach der Fall ist, ist wunderbar, das wäre vor zehn Jahren unvorstellbar gewesen und es zeigt, dass die Kombination von Kirche und Sport eine sehr ausgewogene und schöne und auch fruchtbringende ist.

Dietrich: Die Kirchen informieren ja jetzt auch zur Fußball-WM in Südafrika recht ausführlich auch zur sozialen Lage in Südafrika, informieren über kirchliche Partnerprojekte. Glauben Sie, dass das wirklich bei den Besuchern dieses Public Viewings hängen bleibt, oder sind die einfach nur auf der Suche wirklich nach einem öffentlichen Bildschirm, der zu ihren Bedürfnissen passt?

Felmberg: Also das Zentrum ist und bleibt die Fußballübertragung, ganz klar. Was nebenbei an Botschaften gegeben werden kann, ist aber nicht zu unterschätzen. Wir haben das auch vor vier Jahren hier in Deutschland erlebt, was möglich ist, und ich finde, der Blick für Südafrika, der sich jetzt öffnet, der zeigt, wie wir verpartnert sind mit diesem Kontinent und gerade mit diesem Land, ist offensichtlich. Brot für die Welt hat da sehr viel gemacht und sehr erfolgreich auch ganze Studien herausgegeben und Spielanleitungen gegeben, wo man spielerisch quasi Afrika kennenlernt. Ich finde das hervorragend.

Dietrich: Die Auswertungen zum kirchlichen Angebot während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zeigen aber auch, dass gerade diese kulturellen oder eher sogar vielleicht theologischen Zusatzangebote da eigentlich wenig bis kaum genutzt worden sind, dass eher die Klientel, die das nutzen könnte, abgeschreckt wurde vom Fußball. Das ist ja ein bisschen eine gegenteilige Erfahrung, oder?

Felmberg: Na, ich weiß nicht, abgeschreckt, aber es zeigt, dass man wirklich nichts verbiegen soll. Wenn man zusammen Fußball sehen will, dann soll man zusammen Fußball sehen und nicht sozusagen mit schweren theologischen Themen gleichzeitig kommen, das passt nicht.

Es ist eher die Möglichkeit, dass man Menschen, die quasi zusammenkommen beim Fußball, auch für Gemeinde begeistert, zeigt, dass es ein ganz normaler Ort menschlichen Lebens ist, nicht etwas von der Welt Getrenntes, und dass daran sich Verbindungen knüpfen, die dann auch auf Anderes verweisen können. Von daher bin ich immer jemand gewesen, der durchaus den kirchlichen Rahmen schon stärkt, auch durch inhaltliche Verweise, aber der auch sagt, wenn wir jetzt Fußball schauen, dann schauen wir Fußball.

Dietrich: Vor der Weltmeisterschaft 2006 gab es ja den innerkirchlichen Streit darum, ob es eben reicht, diese Gastfreundschaft anzubieten, oder ob man dort viel aktiver auch missionarisch tätig werden soll. Wie ist dieser Konflikt in diesem Jahr im Vorfeld gelöst worden, oder gab es den gar nicht?

Felmberg: Also meines Erachtens gab es da gar keinen Konflikt, ob man jetzt missionarischer sein soll. Ich finde, wenn Gemeinden ihre Türen öffnen und dort Christen sind, die davon Zeugnis geben, dass sie auch wirklich Christen sind und das auch artikulieren können, mit denen, die dort sind, und dass Menschen Gemeinde als eine einladende Gemeinde erleben, die quasi im Kiez, in der Umgebung, im Dorf, in der Stadt zentraler Ort ist, dann ist das wunderbar.

Und aus Veranstaltungen, auch meinetwegen aus Fußballübertragungen, ergeben sich vielfältige Anknüpfungsmöglichkeiten. Ich erlebe das ja im Berliner Olympiastadion zuhauf, wie viele Taufen, wie viele, ja auch Trauungen, habe ich inzwischen dort durchgeführt, die sich quasi über Fußballgespräche ergeben haben. Das ist einmalig, und das sollten wir als Kirche auch ganz fröhlich nutzen.

Dietrich: Trotzdem gibt es ja auch die wesentlich offensivere Herangehensweise, die wirklich dann Missionare ausrüstet, die sich während der WM unters Volk, unter die Fans mischen und dort tätig sind, so stark, dass es daran wirklich schon Kritik gegeben hat, dass Kirchen, dass einzelne Gemeinden, dass Gemeinschaften die Fußball-WM wirklich als Trittbrettfahrer benutzen.

Felmberg: Also, ich bin da immer für Augenmaß. Ich finde, Leute sollen ihren Glauben nicht verschweigen, aber es sozusagen jetzt in einer offensiven Art zu nutzen, wo man andere Menschen bedrängt, ist sicherlich auch nicht der richtige Weg. Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn man Räume öffnet, wenn man sprachfähig ist und Menschen auf einen zukommen, dann ist es immer die bessere Situation, als das, wenn man mit Heften Menschen hinterherrennt, die anderes im Sinne haben.

Dietrich: Die Weltfußballverband FIFA macht diese WM ja sehr deutlich zu seiner WM, also Logonennungen, Sponsorennennungen, das geht ja gar nicht ohne die FIFA – macht die Kirche da nicht mit, unterwirft sie sich da nicht irgendwie auch einem fremden Gott sozusagen?

Felmberg: Nein. Also die FIFA ist ja schon seit Langem dafür bekannt, dass quasi exzessiv damit operiert wird, dass gewisse Firmen sich nur Werbebanden teilen dürfen, dass gewisse Autos nur noch in der Nähe von Stadien fahren dürfen, dass nur noch gewisse Würste ausgeteilt werden von gewissen Firmen, das haben wir alles 2006 hautnah erlebt.

Die Kirche ist in dem Sinne fast schon ein Freiraum, weil deutlich wird, dass selbst so ein Betrieb wie FIFA es uns ermöglicht, dass wir Public Viewing machen können, ohne dass Gelder eingefordert werden. Das finde ich sehr positiv, auch wenn diese Entwicklung der Superkommerzialisierung sicherlich manchmal auch sehr gegen Spontaneität und Fröhlichkeit im Leben sind.

Dietrich: Wann geht für Sie die Annäherung von Kirche und Fußball zu weit, gibt es da eine bestimmte Grenze?

Felmberg: Alles, was Anbiederung betrifft, alles, was sozusagen das Eigene verleugnet, alles, was deutlich macht, dass das Evangelium sich fangen lässt, das würde mir zu weit gehen. Von daher ist es immer gut, wenn Kirche ein Gegenüber ist, ein Gegenüber, was vom Fußball auch anerkannt wird.

Das machen wir im Olympiastadion genauso. Da ist natürlich der kleine Rahmen der Kapelle in dem großen Olympiastadion, und trotzdem tritt der Pfarrer oder die dort handelnden Geistlichen klar und deutlich auf. Sie sind ein Gegenüber, das heißt, man scheut auch manchmal kritische Worte nicht oder benennt Dinge deutlich. Dann ist das quasi auch im Gleichgewicht und hat seinen Wert.

Sobald Kirche quasi affiziert ist vom Rampenlicht und von den Scheinwerfern und von den Kameras, die im Fußballstadion häufiger vorkommen als in der Normalgemeinde am Sonntag, dann kriegt es ein schiefes Licht. Wenn das Licht des Evangeliums diesen Kameras klar entgegenleuchtet und gegenübersteht, dann brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.

Dietrich: Die Kirche als Fußball-Tempel? Was das kirchliche Engagement bei der Fußball-Weltmeisterschaft bringen kann und was auch nicht, darüber sprach ich mit Bernhard Felmberg, dem Sportbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland.