"So können wir nicht weiterverhandeln"
SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles sieht momentan keinen Grundkonsens der Koalitionsparteien mehr in den Verhandlungen um die Gesundheitsreform. Die gemeinsame Plattform der vereinbarten Reformeckpunkte sei mittlerweile verlassen worden, sagte Nahles.
Jörg Degenhardt: Normal ist das wohl nicht, wie sich da Schwarze und Rote um die Gesundheitsreform zanken. Die Union behauptet, sie wolle ja an die Gesundheitsreform, warte aber auf einen kompletten Gesetzentwurf der Gesundheitsministerin, man erhalte nur lose Blattsammlungen oder nicht abgestimmte Entwürfe. Das seien nur Ablenkungsmanöver von der eigenen Unfähigkeit, sich auf eine einheitliche Linie zu einigen, heißt es wiederum bei den Sozialdemokraten, die natürlich hinter ihrer Ministerin stehen. Manchmal fragt man sich als Beobachter schon, geht es hier darum, ein System transparenter und wettbewerbsfähiger zu machen, so dass möglichst viele etwas davon haben, oder geht es letztendlich nur darum zu zeigen, wer in der großen Koalition das Sagen hat? Heute kommen die Experten beider Parteien erneut zusammen. Mit Andrea Nahles bin ich nun verabredet, der Sprecherin der SPD-Linken. Sie sitzt auch im Präsidium ihrer Partei. Guten Morgen Frau Nahles!
Andrea Nahles: Guten Morgen!
Degenhardt: Die Gesundheitsreform auf der Intensivstation, kommentiert heute eine Zeitung. Wie kommt sie denn da wieder runter?
Nahles: Ja, also das hängt jetzt tatsächlich von den Verhaltensweisen heute und in den nächsten Tagen ab. Es ist jetzt wirklich dringend, dass man auf eine gemeinsame Plattform zurückkommt. Die gemeinsame Plattform, das waren die Eckpunkte, die auch in der nächtlichen Sitzung, man erinnert sich, die ganze Nacht durch verhandelt, rausgekommen sind, und ich habe gedacht, ich bin auf dem Schützenplatz bei mir zu Hause in der Eifel, wo dann ein Eckpunkt nach dem anderen von der Union wie beim Tontaubenschießen in den letzten Tagen abgeschossen wurde, und da waren auch einige Essentials für die SPD dabei, zum Beispiel diese Deckelung des Zusatzbeitrages auf ein Prozent, die wurde weggeschossen. Dann war plötzlich der aus unserer Sicht unverzichtbare Ausgleich, der Finanzausgleich zwischen den Kassen, den wir auch auf Krankheiten umorganisieren wollten, die da ausgeglichen werden sollten, der war plötzlich in Frage gestellt, und damit, so jedenfalls ist auch noch heute Morgen der Stand, war die Plattform, die gemeinsame, verlassen, und so können wir nicht weiterverhandeln.
Degenhardt: Die Union kritisiert heftig die Gesundheitsministerin, ich habe es eingangs erwähnt. Würden Sie denn umgekehrt die Krise bei der Gesundheitsreform auch an Personen auf der Gegenseite festmachen?
Nahles: Ich appelliere eigentlich, dass wir die Sachauseinandersetzungen, und das sind es in erster Linie für mich, jetzt nicht zu Macht- und Personalfragen machen, weil, wenn wir uns da festfahren, dann werden wir auch nicht mehr da rauskommen, weil es dann nur noch darum geht, dass die einen die Person X verteidigen und die anderen die Person Y. Ich möchte wieder zurückkommen zur Sachpolitik, aber diese gemeinsame Plattform sehe ich zurzeit nicht mehr.
Degenhardt: Sie haben es angedeutet, ein ganz wesentliches Element der Reform ist der Gesundheitsfonds, aus dem die einzelnen Kassen ab 2008 gespeist werden sollen. Oder ist er eventuell sogar verzichtbar, weil er doch letztendlich möglicherweise eine Beitragssteigerung bedeutet und ja auch bürokratisch sehr schwer zu handeln ist?
Nahles: Es gibt ganz objektiv Probleme mit dem Gesundheitsfonds. Die Sozialdemokratie hat immer gesagt, der macht überhaupt nur Sinn, wenn die privaten Krankenkassen mit reinkommen. Das wurde von der Union verhindert. Dann haben wir gesagt, ok, dann können wir aber zusätzliche Steuereinnahmen, deutlich mehr Steuereinnahmen, damit integrieren. Das wäre auch noch sinnvoll gewesen. Das wurde dann von den Ministerpräsidenten der Union verhindert, dafür ist aus meiner Sicht diese Gesundheitsreform, ist jetzt verzichtbar geworden, aus meiner Sicht bringt eher mehr möglicherweise Schaden als Nutzen, aber das wäre jetzt eine sachliche Debatte, die man jetzt ernsthaft miteinander aushandeln müsste. Und ich wäre froh, wenn wir auf dieser sachlichen Ebene miteinander reden: Brauchen wir eigentlich den Fonds, ist der Fonds sinnvoll. Und da wäre ich allerdings bereit, auch noch mal, aber das geht nur im Konsens miteinander, über grundsätzliche Punkte zu reden, aber es kann nicht sein, dass nur die wichtigsten Punkte für die eine Seite in Frage gestellt werden. Da muss man dann auch ehrlich miteinander sein. Ich habe das Gefühl, dass in Wahrheit auch die Union den Fonds, den sie eigentlich verteidigt hat über die letzten Wochen, jetzt nicht mehr will, das aber nicht offen sagt, sondern stattdessen unsere Ministerin angreift, und das geht so nicht. Wir müssen also gucken, wollen wir gemeinsam überhaupt noch diesen Fonds, halten wir den für umsetzbar, oder müssen wir doch einen anderen Weg finden. Für mich ist zum Beispiel durchaus denkbar, dass wir wichtige Punkte in der Gesundheitsreform jetzt verabschieden und trotzdem diesen Fonds noch mal in Frage stellen, aber in dieser Misstrauenskultur, die wir da jetzt entwickelt haben die letzten Tage, ist es sehr schwer, über so gravierende sachliche Punkte da noch mal miteinander zu reden.
Degenhardt: Was ich nicht verstehe: Die Gesundheitsreform soll im April 2007 kommen. Da ist doch eigentlich noch genügend Zeit, um über diese Probleme, die Sie jetzt angedeutet haben, auch sachlich miteinander zu streiten.
Nahles: Ja, das denke ich auch. Wir haben auch jetzt gehört in den letzten Wochen, Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Nur, wissen Sie, wenn der Grundkonsens flöten geht, und mein Eindruck ist das momentan etwas, und ich appelliere, dass wir da wieder zurückkommen und dass auch die Verhandlungspartner heute da eine Grundlage für schaffen. Wenn der Grundkonsens dann weg ist, dann ist plötzlich die Vertrauensbasis auch weg, und wenn wir kein neues Vertrauen jetzt in die Verhandlung reinbringen, und das geht meiner Meinung nach nur, wenn wir tatsächlich miteinander die Grundlage auch klären, und da hilft es auch nicht, jetzt Vorwürfe zu machen. Ich wäre dafür, die Eckpunkte waren verhandelt. Sind wir ehrlich, wollen wir alles, was bei den Eckpunkten verhandelt wurde, jetzt umsetzen, mein Eindruck ist, dass die Union diesen Grundkonsens in Frage stellt und auch diesen Gesundheitsfonds in Frage stellt. Da können wir als SPD nur sagen, ok, wir haben ohnehin mit dem Gesundheitsfonds Probleme, weil, wie gesagt, die Privaten werden nicht mehr einbezogen, die Steuereinnahmen fließen jetzt nicht so, wie wir uns das gedacht haben, lasst uns darüber reden. Ich wäre dankbar, wenn so ein Wort kommt, ob nun von der Kanzlerin oder vom Verhandlungsführer der Union, dann könnten wir an der Stelle weiter diskutieren miteinander.
Degenhardt: Andrea Nahles, die Sprecherin der SPD-Linken, sie sitzt auch im Präsidium ihrer Partei. Heute kommen die Experten beider Parteien, also von SPD, CDU und CSU, um weiter über die Gesundheitsreform zu diskutieren.
Andrea Nahles: Guten Morgen!
Degenhardt: Die Gesundheitsreform auf der Intensivstation, kommentiert heute eine Zeitung. Wie kommt sie denn da wieder runter?
Nahles: Ja, also das hängt jetzt tatsächlich von den Verhaltensweisen heute und in den nächsten Tagen ab. Es ist jetzt wirklich dringend, dass man auf eine gemeinsame Plattform zurückkommt. Die gemeinsame Plattform, das waren die Eckpunkte, die auch in der nächtlichen Sitzung, man erinnert sich, die ganze Nacht durch verhandelt, rausgekommen sind, und ich habe gedacht, ich bin auf dem Schützenplatz bei mir zu Hause in der Eifel, wo dann ein Eckpunkt nach dem anderen von der Union wie beim Tontaubenschießen in den letzten Tagen abgeschossen wurde, und da waren auch einige Essentials für die SPD dabei, zum Beispiel diese Deckelung des Zusatzbeitrages auf ein Prozent, die wurde weggeschossen. Dann war plötzlich der aus unserer Sicht unverzichtbare Ausgleich, der Finanzausgleich zwischen den Kassen, den wir auch auf Krankheiten umorganisieren wollten, die da ausgeglichen werden sollten, der war plötzlich in Frage gestellt, und damit, so jedenfalls ist auch noch heute Morgen der Stand, war die Plattform, die gemeinsame, verlassen, und so können wir nicht weiterverhandeln.
Degenhardt: Die Union kritisiert heftig die Gesundheitsministerin, ich habe es eingangs erwähnt. Würden Sie denn umgekehrt die Krise bei der Gesundheitsreform auch an Personen auf der Gegenseite festmachen?
Nahles: Ich appelliere eigentlich, dass wir die Sachauseinandersetzungen, und das sind es in erster Linie für mich, jetzt nicht zu Macht- und Personalfragen machen, weil, wenn wir uns da festfahren, dann werden wir auch nicht mehr da rauskommen, weil es dann nur noch darum geht, dass die einen die Person X verteidigen und die anderen die Person Y. Ich möchte wieder zurückkommen zur Sachpolitik, aber diese gemeinsame Plattform sehe ich zurzeit nicht mehr.
Degenhardt: Sie haben es angedeutet, ein ganz wesentliches Element der Reform ist der Gesundheitsfonds, aus dem die einzelnen Kassen ab 2008 gespeist werden sollen. Oder ist er eventuell sogar verzichtbar, weil er doch letztendlich möglicherweise eine Beitragssteigerung bedeutet und ja auch bürokratisch sehr schwer zu handeln ist?
Nahles: Es gibt ganz objektiv Probleme mit dem Gesundheitsfonds. Die Sozialdemokratie hat immer gesagt, der macht überhaupt nur Sinn, wenn die privaten Krankenkassen mit reinkommen. Das wurde von der Union verhindert. Dann haben wir gesagt, ok, dann können wir aber zusätzliche Steuereinnahmen, deutlich mehr Steuereinnahmen, damit integrieren. Das wäre auch noch sinnvoll gewesen. Das wurde dann von den Ministerpräsidenten der Union verhindert, dafür ist aus meiner Sicht diese Gesundheitsreform, ist jetzt verzichtbar geworden, aus meiner Sicht bringt eher mehr möglicherweise Schaden als Nutzen, aber das wäre jetzt eine sachliche Debatte, die man jetzt ernsthaft miteinander aushandeln müsste. Und ich wäre froh, wenn wir auf dieser sachlichen Ebene miteinander reden: Brauchen wir eigentlich den Fonds, ist der Fonds sinnvoll. Und da wäre ich allerdings bereit, auch noch mal, aber das geht nur im Konsens miteinander, über grundsätzliche Punkte zu reden, aber es kann nicht sein, dass nur die wichtigsten Punkte für die eine Seite in Frage gestellt werden. Da muss man dann auch ehrlich miteinander sein. Ich habe das Gefühl, dass in Wahrheit auch die Union den Fonds, den sie eigentlich verteidigt hat über die letzten Wochen, jetzt nicht mehr will, das aber nicht offen sagt, sondern stattdessen unsere Ministerin angreift, und das geht so nicht. Wir müssen also gucken, wollen wir gemeinsam überhaupt noch diesen Fonds, halten wir den für umsetzbar, oder müssen wir doch einen anderen Weg finden. Für mich ist zum Beispiel durchaus denkbar, dass wir wichtige Punkte in der Gesundheitsreform jetzt verabschieden und trotzdem diesen Fonds noch mal in Frage stellen, aber in dieser Misstrauenskultur, die wir da jetzt entwickelt haben die letzten Tage, ist es sehr schwer, über so gravierende sachliche Punkte da noch mal miteinander zu reden.
Degenhardt: Was ich nicht verstehe: Die Gesundheitsreform soll im April 2007 kommen. Da ist doch eigentlich noch genügend Zeit, um über diese Probleme, die Sie jetzt angedeutet haben, auch sachlich miteinander zu streiten.
Nahles: Ja, das denke ich auch. Wir haben auch jetzt gehört in den letzten Wochen, Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Nur, wissen Sie, wenn der Grundkonsens flöten geht, und mein Eindruck ist das momentan etwas, und ich appelliere, dass wir da wieder zurückkommen und dass auch die Verhandlungspartner heute da eine Grundlage für schaffen. Wenn der Grundkonsens dann weg ist, dann ist plötzlich die Vertrauensbasis auch weg, und wenn wir kein neues Vertrauen jetzt in die Verhandlung reinbringen, und das geht meiner Meinung nach nur, wenn wir tatsächlich miteinander die Grundlage auch klären, und da hilft es auch nicht, jetzt Vorwürfe zu machen. Ich wäre dafür, die Eckpunkte waren verhandelt. Sind wir ehrlich, wollen wir alles, was bei den Eckpunkten verhandelt wurde, jetzt umsetzen, mein Eindruck ist, dass die Union diesen Grundkonsens in Frage stellt und auch diesen Gesundheitsfonds in Frage stellt. Da können wir als SPD nur sagen, ok, wir haben ohnehin mit dem Gesundheitsfonds Probleme, weil, wie gesagt, die Privaten werden nicht mehr einbezogen, die Steuereinnahmen fließen jetzt nicht so, wie wir uns das gedacht haben, lasst uns darüber reden. Ich wäre dankbar, wenn so ein Wort kommt, ob nun von der Kanzlerin oder vom Verhandlungsführer der Union, dann könnten wir an der Stelle weiter diskutieren miteinander.
Degenhardt: Andrea Nahles, die Sprecherin der SPD-Linken, sie sitzt auch im Präsidium ihrer Partei. Heute kommen die Experten beider Parteien, also von SPD, CDU und CSU, um weiter über die Gesundheitsreform zu diskutieren.