Smartphone-Filme

Super-8 fürs 21. Jahrhundert

Alexandra (l, Mya Taylor) und Sin-Dee (Kitana Kiki Rodriguez) in einer Filmszene von "Tangerine L.A." von Sean Baker
Das iPhone von Regisseur Sean Baker zauberte atmosphärische Bilder für "Tangerine L.A." - den ersten Langfilm, der komplett mit einem Smartphone gedreht wurde. © Kool Filmdistribution
Patrick Wellinski im Gespräch mit Max Oppel · 07.07.2016
"Tangerine L.A." ist der erste Langfilm, der komplett mit Smartphones gedreht wurde. Haben die großen Filmkameras ausgedient? Filmkritiker Patrick Wellinski ist überzeugt: Kann gut sein - wobei auch die Smartphone-Filme nur ein Zwischenschritt sind.
Das Transgenderdrama "Tangerine L.A." ist der erste komplett mit iPhones gedrehte Film - mit überraschend atmosphärischen Bildern. Filmkritiker Patrick Wellinski ist davon überzeugt: Mit einer normalen Kamera wäre es ein anderer Film geworden. Durch die besonderen Lichtreflexionen würden Szenen in blaues und orangefarbenes Licht getaucht - dies verleihe ihnen eine besondere Stimmung: "Das funktioniert so nur mit Smartphone", sagt Wellinski.
Regisseur Sean Baker ist indes kein Pionier auf dem Gebiet der Smartphone-Filme. "Es gibt eine sehr intensive iPhone-Filmszene. Es gibt sogar mehrere iPhone-Festivals." Andere Smartphones seien technisch ebenso gut dafür geeignet. Jedenfalls seien auf dem Low-Budget-Sektor bereits viele interessante Filme entstanden. "Allerdings bislang immer Kurzfilme. Das sind Filme, die dauern vielleicht 15 oder 20 Minuten." Sean Bakers Schritt nach vorne sei, dass er "hier wirklich einen Film in Spielfilmlänge hingezaubert hat."

Früher Super-8, heute Smartphones

Wenn man sich die Geschichte der Filmtechnik anschaue, dann sei das Smartphone für Filmer heute das, was vor Jahrzehnten die Super-8-Kamera gewesen sei. Allerdings: Anders als in anderen experimentellen Wackelkamera-Filmen wie etwa "The Blair Witch Project" würde in den allermeisten Smartphone-Filmen der Vorgang des Filmens aber nicht thematisiert, sondern die Smartphones würden lediglich als normale Aufnahmegeräte benutzt.
Inzwischen sei man ohnehin schon einen Schritt weiter: mit Computerprogrammen, die eigenständig Filme in einem bestimmten Stil erstellten. Der Regisseur Werner Herzog, dem man diese Technik vorgeführt habe, sei etwas pikiert gewesen, sagt Wellinski: Herzog halte es für ausgeschlossen, dass ein Computer seinen Stil kopieren könne.
Mehr zum Thema