Smalltalk-Themen für die Party

07.08.2007
Das Lexikon verwandelt unser fruchtloses ungewusstes Unwissen in schickes und vor allem auch partytaugliches gewusstes Unwissen. Von der nach wie vor ungeklärten Frage nach der Fortpflanzung der Aale über die erst spät erforschte weibliche Ejakulation bis hin zur Wirkweise von Halluzinogenen informiert es auf amüsante Weise.
Wenn Lexika Orte des Wissens sind, dann ist ein "Lexikon des Unwissens" ein verwirrender Widerspruch. Das neue Buch von Kathrin Passig und Aleks Scholz ist freilich weder widersprüchlich noch verwirrend, sondern vielmehr höchst amüsant und auch informativ. Das liegt zum einen daran, dass diese Ansammlung von kurzweiligen und schrägen Beschreibungen kurioser und interessanter Wissenslücken aus verschiedenen Gebieten der Theorie und Praxis mit "Lexikon" nur höchst unzureichend beschrieben ist. Und zum anderen daran, dass auch Unwissen natürlich eine Form von Wissen ist.

Wenn es, wie die beiden Autoren eingangs frei nach Donald Rumsfeld erläutern, bekanntes und unbekanntes Unwissen gibt, so lässt sich über letzteres mangels Bewusstsein seiner Existenz kaum etwas sagen. Ersteres hingegen wird ja seit der Antike schon gerne als besonders selbstreflexive Form des Wissens propagiert. Auch Passig und Scholz versprechen uns mit ihrem Buch Unwissen "auf hohem Niveau".

Und tatsächlich. Mit ihrer Vermittlung von Unwissen verwandeln sie nämlich genau unser fruchtloses ungewusstes Unwissen in schickes und vor allem auch partytaugliches gewusstes Unwissen. So weiß ich beispielsweise jetzt genauso wenig wie vor der Lektüre, was sich 1908 in der Tunguska-Region in Sibirien genau zugetragen hat. Aber ich weiß immerhin, und kann meine Mitwelt damit unterhalten, dass sich dort überhaupt etwas Auffälliges zugetragen hat, von dem niemand mit Sicherheit weiß, ob es eine Kometen-, eine Meteoriten- oder eine Gasexplosion war. Oder noch ganz etwas anderes.

Und so geht es weiter, von der nach wie vor ungeklärten Frage nach der Fortpflanzung der Aale über die erst spät erforschte weibliche Ejakulation, die banale Erkältung, die Wirkweise von Halluzinogenen, die physikalische Erklärung von Kugelblitzen und den Dauerbrenner Was-der-Stern-von-Bethlehem-denn-wirklich-war bis hin zu den chemisch rätselhaften Eigenschaften von Wasser.

Kathrin Passig und Aleks Scholz sind beide Redakteure und Autoren des Weblogs "Riesenmaschine", das unter anderem durch seine skurrilen Beobachtungen zur kommerziellen Alltagswelt und seinen lapidar-ironischen Stil einer der vergnüglichsten Orte im Netz ist. Kathrin Passig ist zudem als Webdesignerin, Übersetzerin, Journalistin und Autorin tätig und gewann letztes Jahr für ihren ersten literarischen Text, die brillante Kurzgeschichte "Sie befinden sich hier", den Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt.

Aleks Scholz ist hingegen neben seinen Autorentätigkeiten ganz seriös Astronom und Mitarbeiter an der "School of Physics and Astronomy" der Universität von St. Andrews in Schottland. Offensichtlich eine gute Mischung, denn selten noch wurden naturwissenschaftliche Zusammenhänge (und die Grenzen dessen, was man über sie wissen kann) so leicht lesbar vermittelt. Nie zuvor war ich versucht, ein Buch mit in den Urlaub zu nehmen, das Erläuterungen zur Teilchenphysik enthält.

Rezensiert von Catherine Newmark


Kathrin Passig, Aleks Scholz: Lexikon des Unwissens. Worauf es bisher keine Antwort gibt. Rowohlt, Berlin 2007. 256 S., 16,90 Euro.