Slowenien übernimmt EU-Ratspräsidentschaft

Ein Klima extremer Polarisierung

07:48 Minuten
Demonstranten in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana protestieren gegen die Kulturpolitik der Regierung. Zwei Polizisten beobachten die Szenerie.
In Ljubljana und anderen slowenischen Städten gehen die Menschen seit Monaten jeden Freitag gegen die Kulturpolitik der Regierung auf die Straße. © imago/ZUMA Wire/Luka Dakskobler
Aleš Šteger im Gespräch mit Marietta Schwarz · 01.07.2021
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Slowenien hat die EU-Ratspräsidentschaft übernommen, doch im Land herrscht Unruhe. Premier Janša agiert autoritär und hat große Teile der Bevölkerung gegen sich. Der Schriftsteller Aleš Šteger vermisst die Kompromissfähigkeit der verfeindeten Lager.
Mit Slowenien hat ein Land die EU-Ratspräsidentschaft übernommen, dessen Regierung sich wiederholt an die Seite der ungarischen Regierung Viktor Orbáns gestellt hat.
Wie sein ungarischer Amtskollege geht auch der slowenische Premierminister und Trump-Unterstützer Janez Janša regierungskritische Medien an, kippt Entscheidungen der unabhängigen Justiz und besetzt führende Positionen des Kulturlebens mit seinen Leuten.

Die Konflikte gefährden gesellschaftliche Strukturen

Janez Janšas Regierung habe bereits einiges an Schaden im Land angerichtet, sagt der slowenische Schriftsteller Aleš Šteger. Von einer "Orbánisierung" könne man allerdings noch nicht sprechen: Die Situation sei eine andere als in Ungarn. Auch sei Janšas Machtbasis schwächer.
Die Stimmung im Land ist auf bisher nicht dagewesene Art polarisiert: Linke wie Rechte hätten demnach "eine sehr ähnliche Position in der Rhetorik angenommen. Man ist entweder mit ihnen oder gegen sie."
In einem kleinen Land wie Slowenien mit circa zwei Millionen Einwohnern gestalteten sich solche Konflikte sehr schwierig: Familien und gesellschaftliche Strukturen würden tief entzweit. Dabei sei es gerade die Kompromissfähigkeit gewesen, die das Land bislang zusammengehalten habe.

Fehlende Konzepte bei der Opposition

Šteger übt Kritik an beiden politischen Lagern: "Die linken Parteien werden von einer Stimmung gegen Janša getragen, aber von keinem alternativen Konzept."
Hinzu komme, dass die Wähler den linken Kräften nach fast 30 Jahren Regierungsbeteiligung kaum noch vertrauten und das obwohl einige Maßnahmen der jetzigen Regierung im Bereich der Ökologie, der Kultur und der Medien inakzeptabel seien.

Groteske Situationen

Große Ereignisse wie 2012 die Wahl der Stadt Maribor zur Kulturhauptstadt Europas oder der jetzige EU-Ratsvorsitz weckten in so einem kleinen Land große Begehrlichkeiten, sagt Šteger.
Dadurch entstünden mitunter groteske Situationen: "Was sich bei uns manchmal als radikal unannehmbar zeigt, wird binnen kürzester Zeit doch wieder möglich. Das ist in größeren Gesellschaften auf diesem Niveau unmöglich und von außen gesehen auch unverständlich."
(rja)
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