Slowakische Philharmonie beim Abschlusskonzert

"Prager Frühling" im Blumenregen

Der britische Dirigent James Judd, aufgenommen am 3.6.2018 beim 73. Prague Spring International Music Festival
Der Dirigent James Judd beim Konzert im Stadthaus Prag © picture alliance / dpa /Michaela Rihova
Moderation: Volker Michael |
Beim Musikfestival "Prager Frühling" stand zum Abschluss Tschechiens Nachbarland Slowakei im Mittelpunkt. Vokalisten und Philharmoniker aus Bratislava interpretierten Musik aus beiden Ländern, die vor 100 Jahren gemeinsam unabhängig wurden.
"Oh schönes tränenreiches Land, lass uns vom Frühling träumen, der aus dem Blumenregen entsteht." Mit diesen Zeilen des Dichters Jaroslav Zatloukal endet der "Psalm des Karpatenlandes". Dieses Stück für Tenorsolo, gemischten Chor und großes Orchester ist eines der wichtigsten vokalsinfonischen Werke in der Musikgeschichte der Slowakei. Sein Schöpfer Eugen Suchoň gilt als Vater der modernen Musikszene seines Landes. In diesem Jahr erinnert das Festival an die Gründung der Tschechoslowakei von 100 Jahren.
Der Dirigent James Judd steht vor einem großen Orchester im Smetana-Saal im Gemeindehaus in Prag am 3. Juni 2018
Am 3. Juni 2018 dirigierte James Judd im berühmten Smetana-Saal im Gemeindehaus Prag© Prague Spring Festival/Petra Hajská
Beim 73. Prager Frühling, einem der ältesten europäischen Musikfestivals, stand dieser Psalm als Hauptwerk im Mittelpunkt des Abschlusskonzerts. Der Philharmonische Chor und das Philharmonische Orchester aus der Hauptstadt der Slowakei gastierten damit in Prag - so wurde an die vielen Jahrzehnte erinnert, während derer sich die Menschen als Tschechoslowaken fühlten und als solche regiert wurden. Vor 100 Jahren entstand die Tschechoslowakei als demokratischer Staat, dann wurde sie von den Deutschen zerschlagen und besetzt, um schließlich nach den Jahrzehnten des Realsozialismus endgültig zu zerbrechen.

Spezifisch slowakisch

1992 hörte die Tschechoslowakei auf, zu existieren - und schon ist eine ganze Generation herangewachsen, die nichts anderes mehr kennt als die separaten Länder Tschechien und Slowakei. Auch die Musikkulturen haben sich auseinanderentwickelt. Für Eugen Suchoň, der von 1908 bis 1993 lebte, war es selbstverständlich, in Prag zu studieren und anschließend nach Bratislava zurückzukehren. Sein "Psalm des Karpatenlandes" drückt besonders deutlich die Suche nach einer spezifisch slowakischen Musiksprache aus. Suchoň stützte sich auf die Volksmusik des Landes, ohne dabei eine völkische oder antimoderne Haltung einzunehmen.

Kraftstrotzendes Blech

Ebenfalls kein böhmischer Komponist, aber doch ein ganz Europa prägender Künstler war Leoš Janáček. Neben seinen Opern gehört die Sinfonietta von 1926 zu den beliebtesten Werken, ein repräsentatives Orchesterstück, das für den patriotischen tschechischen Turnverband Sokol entstand und heute noch mit seinen kraftstrotzenden Blechbläserfanfaren einen erhebenden und festlichen Eindruck hinterlässt.
Der tschechische Komponist Leoš Janáček in einer zeitgenössischen Aufnahme. Leos Janacek wurde am 3. Juli 1854 in Hochwald bei Pribor geboren und ist am 12. August 1928 in Ostrau gestorben.
Der tschechische Komponist Leoš Janáček (1854 - 1928) in einer zeitgenössischen Aufnahme© picture-alliance / dpa / CTK
Das Konzert unter Leitung des Briten James Judd, der auch Chefdirigent der Slowakischen Philharmoniker ist, stellte Suchoňs Psalm ins Zentrum - am Beginn gab es die Comenius-Festouvertüre, die der tschechische Spätromantiker Zdeněk Fibich zum 300. Geburtstag des Universalgelehrten Johannes Comenius komponiert hatte. Comenius wurde an der Grenze zwischen Mähren und der Slowakei geboren und symbolisiert schon deshalb eine Verbindung der beiden heute getrennten Länder.
Eine Aufzeichnung des Konzertes vom 3. Juni 2018 im Stadthaus Prag, Smetana-Saal
Zdeněk Fibich
"Comenius", Festouvertüre für Orchester op. 34
Eugen Suchoň
"Žalm zeme podkarpatskej" (Psalm des Karpatenlandes) für gemischten Chor, Tenor und großes Orchester op. 12
Leoš Janáček
Sinfonietta für Orchester op. 60
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