Skurrile Geschichten
Historisches verpackt als Unterhaltung liegt im Trend. Und was im Fernsehen gut ankommt, will nun auch der Deutsche Taschenbuch Verlag zusammen mit P.M. History an den Leser bringen. Der zweite Band einer kleinen Reihe heißt "Als Spartakus den Römern trotzte und andere Geschichten zur Geschichte".
P.M. History findet sich eigentlich im Zeitschriftenhandel: Allmonatlich erscheint das bunte Hochglanzmagazin bei Gruner und Jahr und ergänzt eine Reihe anderer P.M. Hefte, die zahllose Rätsel aus verschiedenen Sparten des täglichen Lebens zu lösen versuchen. P.M. History liefert, wie der Name schon sagt, thematisch bunt gefächert Wissenswertes in Form von mehr oder weniger griffigen Geschichten aus der Geschichte. Wie in einem historischen Reader‘s digest kommen die vierzehn zusammengebundenen Aufsätze über die Vergangenheit daher: Thematisch querbeet, von unterschiedlicher Qualität, leicht lesbar und herrlich unverbindlich.
Wer oder was interessiert in so einem Sammelband immer? Natürlich die große, alte Klosterfrau des Mittelalters Hildegard von Bingen, ein bisschen englisch-französisches Schlachtengetümmel und – unverzichtbar – Mozart fürs Herz. Die malenden Höhlenmenschen erinnern uns daran, dass die graue Frühzeit nicht nur grau gewesen sein kann, Kreuzritter verbreiteten Schrecken, aber auch Minne, Sigmund Freud kommt bedauerlicherweise im Artikel über die Traumdeutung etwas zu kurz, dafür aber tauchen unsere Lieblingspharaonen Echnaton und Tutanchamun nebst der schönen Nofretete auf. Adolf Hitler darf in keinem Geschichtswerk fehlen, ist man versucht zu sagen: Der völkermordende Diktator erscheint hier indes in einem vergleichsweise harmlosen, uns allen wohlbekannten Kontext – geht es doch um seinen Ärger mit dem Finanzamt, um Herrn Hitlers Einkommenssteuererklärung.
"Tatsächlich hat der Steuerzahler Hitler, zwischen dessen privatem und öffentlichem Leben fließende Übergänge herrschten, viele, manchmal bedeutende Zuwendungen seiner Anhänger einfach verschwiegen...
Regelmäßig versteuerte der "Führer der NSDAP" (immerhin) die – nicht zu verbergenden Einkünfte aus dem Verkauf seiner Bücher, die reißenden Absatz fanden. ... Mit den 48 472 Reichsmark, die er in der Notzeit der Weltwirtschaftskrise 1930 aus dem Verkauf seines Buches erzielte, weckte Hitler das begehrliche Interesse des Finanzamts in Berchtesgaden, wo er seit dem 15. Oktober 1928 als Mieter eines Wochenendhauses auf dem Obersalzberg gemeldet war. Eilends suchte die Gemeindeverwaltung Berchtesgaden... in München um eine Zuteilung des prominenten Steuerzahlers nach. Der Bürgermeister von Berchtesgaden unterstützte den Antrag mit – wie er glaubte – gewichtigen Argumenten: Der Betrieb des Sommerhauses gehe auf Hitlers Namen, auch die dort gehaltenen Hunde würden auf seinen Namen versteuert! Das Finanzamt München ... schmetterte das Berchtesgadener Ansuchen ab: "Wo der Steuerpflichtige seine Hunde versteuere", hätte "keine ausschlaggebende Bedeutung"!"
Leider entbehrt nicht nur diese volkstümelnde Posse mit dem bayerischen Finanzamt der Komik. Die Geschichten sind oft reichlich schlicht gehalten. Es spricht durchaus nichts dagegen, in populärwissenschaftlicher Weise Meistersingern oder Kelten nachzuspüren. Man darf im Interesse des fachfremden Lesers auch ohne theologischen Background nach den Autoren der Bibel oder ohne literaturwissenschaftliche Neigungen nach dem Wesen Don Quijotes fragen. Aber die Sprache der von PM gegebenen Antworten entspricht viel zu sehr dem Zeitschriften-Duktus – was der Buchform eben doch nicht entspricht. Allzu oft haben die Texte den spröden Charme von Reiseführern: Fakten werden aufgezählt, Namen und Daten korrekt zusammengebunden, aber die Erzählung vernachlässigt. Warum eigentlich so nüchtern?
"Die Hildegard-Medizin und –Ernährung boomt. Viele Menschen schwören darauf, viele Produkte werden angeboten, und Dinkel, das im Mittelalter hauptsächlich verwendete Getreide, steht hoch im Kurs. Dem begegnen manche Wissenschaftler mit Zweifeln, sie halten vieles davon sogar für schädlich und weisen auf mögliche Übersetzungsfehler aus dem Lateinischen hin, auf vage Maßangaben und anderes in der Hildegard-Literatur."
Wenn die Rezepte und Hausmittelchen der Hildegard von Bíngen heute so beliebt sind, aber vermutlich gar nicht aus ihrem eigenen Kochbüchlein stammen, ja Himmel, warum nennt man da nicht mal ein kleines Beispiel für ein fälschliches Kräutlein Wunderwurz?
Die Vergangenheit ist unendlich reich an Unterhaltsamem wie Skurrilem – löblich daher der Ansatz von P.M. und dtv, die Schätze einem breiten Publikum präsentieren zu wollen. Aber spannend erzählte Geschichte klingt eben doch anders.
Als Spartakus den Römern trotzte und andere Geschichten zur Geschichte
Ein P.M. History-Buch
dtv München 2005
160 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 7,50 Euro
Wer oder was interessiert in so einem Sammelband immer? Natürlich die große, alte Klosterfrau des Mittelalters Hildegard von Bingen, ein bisschen englisch-französisches Schlachtengetümmel und – unverzichtbar – Mozart fürs Herz. Die malenden Höhlenmenschen erinnern uns daran, dass die graue Frühzeit nicht nur grau gewesen sein kann, Kreuzritter verbreiteten Schrecken, aber auch Minne, Sigmund Freud kommt bedauerlicherweise im Artikel über die Traumdeutung etwas zu kurz, dafür aber tauchen unsere Lieblingspharaonen Echnaton und Tutanchamun nebst der schönen Nofretete auf. Adolf Hitler darf in keinem Geschichtswerk fehlen, ist man versucht zu sagen: Der völkermordende Diktator erscheint hier indes in einem vergleichsweise harmlosen, uns allen wohlbekannten Kontext – geht es doch um seinen Ärger mit dem Finanzamt, um Herrn Hitlers Einkommenssteuererklärung.
"Tatsächlich hat der Steuerzahler Hitler, zwischen dessen privatem und öffentlichem Leben fließende Übergänge herrschten, viele, manchmal bedeutende Zuwendungen seiner Anhänger einfach verschwiegen...
Regelmäßig versteuerte der "Führer der NSDAP" (immerhin) die – nicht zu verbergenden Einkünfte aus dem Verkauf seiner Bücher, die reißenden Absatz fanden. ... Mit den 48 472 Reichsmark, die er in der Notzeit der Weltwirtschaftskrise 1930 aus dem Verkauf seines Buches erzielte, weckte Hitler das begehrliche Interesse des Finanzamts in Berchtesgaden, wo er seit dem 15. Oktober 1928 als Mieter eines Wochenendhauses auf dem Obersalzberg gemeldet war. Eilends suchte die Gemeindeverwaltung Berchtesgaden... in München um eine Zuteilung des prominenten Steuerzahlers nach. Der Bürgermeister von Berchtesgaden unterstützte den Antrag mit – wie er glaubte – gewichtigen Argumenten: Der Betrieb des Sommerhauses gehe auf Hitlers Namen, auch die dort gehaltenen Hunde würden auf seinen Namen versteuert! Das Finanzamt München ... schmetterte das Berchtesgadener Ansuchen ab: "Wo der Steuerpflichtige seine Hunde versteuere", hätte "keine ausschlaggebende Bedeutung"!"
Leider entbehrt nicht nur diese volkstümelnde Posse mit dem bayerischen Finanzamt der Komik. Die Geschichten sind oft reichlich schlicht gehalten. Es spricht durchaus nichts dagegen, in populärwissenschaftlicher Weise Meistersingern oder Kelten nachzuspüren. Man darf im Interesse des fachfremden Lesers auch ohne theologischen Background nach den Autoren der Bibel oder ohne literaturwissenschaftliche Neigungen nach dem Wesen Don Quijotes fragen. Aber die Sprache der von PM gegebenen Antworten entspricht viel zu sehr dem Zeitschriften-Duktus – was der Buchform eben doch nicht entspricht. Allzu oft haben die Texte den spröden Charme von Reiseführern: Fakten werden aufgezählt, Namen und Daten korrekt zusammengebunden, aber die Erzählung vernachlässigt. Warum eigentlich so nüchtern?
"Die Hildegard-Medizin und –Ernährung boomt. Viele Menschen schwören darauf, viele Produkte werden angeboten, und Dinkel, das im Mittelalter hauptsächlich verwendete Getreide, steht hoch im Kurs. Dem begegnen manche Wissenschaftler mit Zweifeln, sie halten vieles davon sogar für schädlich und weisen auf mögliche Übersetzungsfehler aus dem Lateinischen hin, auf vage Maßangaben und anderes in der Hildegard-Literatur."
Wenn die Rezepte und Hausmittelchen der Hildegard von Bíngen heute so beliebt sind, aber vermutlich gar nicht aus ihrem eigenen Kochbüchlein stammen, ja Himmel, warum nennt man da nicht mal ein kleines Beispiel für ein fälschliches Kräutlein Wunderwurz?
Die Vergangenheit ist unendlich reich an Unterhaltsamem wie Skurrilem – löblich daher der Ansatz von P.M. und dtv, die Schätze einem breiten Publikum präsentieren zu wollen. Aber spannend erzählte Geschichte klingt eben doch anders.
Als Spartakus den Römern trotzte und andere Geschichten zur Geschichte
Ein P.M. History-Buch
dtv München 2005
160 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 7,50 Euro