Skulpturenposse in Berlin

Der schwierige Umgang mit toxischen Denkmälern

05:46 Minuten
Die beschädigte Skulptur "Hockende Negerin" von Arminius Hasemann in Berlin-Zehlendorf, der der Kopf abgeschlagen und entfernt wurde.
Die Skulptur "Hockende Negerin" von Arminius Hasemann ist aus dem öffentlichen Raum entfernt worden. © Wolfram Steinberg / picture-alliance / dpa
Von Tomas Fitzel · 07.07.2020
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Eine umstrittene Statue des Bildhauers Arminius Hasemann sollte in Berlin aus dem öffentlichen Raum entfernt und in eine Ausstellung "verbannter" Denkmäler verbracht werden. Dort ist sie jetzt doch nicht zu sehen. Warum, weiß unser Reporter.
Man betritt im ehemaligen Proviantmagazin der Zitadelle Spandau ein merkwürdiges Walhalla vom Sockel gestürzter Größen: mittelalterliche Recken, preußisch-brandenburgische Feldherren und Monarchen sowie NS-Kunst neben stalinistischem Realsozialismus. Gemeinsam ist diesen Statuen, dass sie gewissermaßen allesamt toxisch sind, den öffentlichen Raum mit ihrer Präsenz vergiften. Und dieses Museum ist womöglich eine Art Abklingbecken für sie.
"Also ein Abklingbecken ist normalerweise nicht so öffentlich zugänglich wie unser Museum und auch die Dinge, die dort lagern, kann man nicht anfassen", sagt Urte Evert, seit 2007 Leiterin des Museums in der Zitadelle Spandau.
"Insgesamt finde ich Statuen von Menschen, die entweder verherrlichend sind oder dann eben plötzlich in genau das Gegenteil umgedeutet werden, problematisch. Ich finde die meistens auch nicht so wahnsinnig schön, außer sie sind alt genug. Das ist ja dann eben doch auch einfach die Sache: dass Zeit Wunden heilt."

Geschichte erfahrbar machen

Nun sind diese ehemaligen Denkmäler auch nicht nur einfach abgestellt wie in einem Depot, sondern sie werden erklärt und in einen Kontext gestellt. Während der Wilhelminismus inflationär Statuen produzierte, die dann auf Anordnung der Alliierten abmontiert wurden, war man im Nationalsozialismus eher auf Monumentalarchitektur fixiert und weniger auf klassische Denkmäler.
Noch immer findet man viele NS-Überbleibsel weiterhin im öffentlichen Raum von Berlin. Am Olympiastadium zum Beispiel oder das Kriegerdenkmal vor der Siemenszentrale in Spandau. Nach 1989 wurden sehr viele Denkmäler in Ostberlin entfernt, erst im Furor - alles muss weg - später behutsamer.
"Die Denkmäler, die wir hier stehen haben, da bin ich ganz froh, dass sie abgebaut wurden. Zum Beispiel hier die Figuren der NVA-Soldaten, der Grenzsoldaten, die quasi als 'eigene Mauertote' - gegenüber den Mauertoten, die versucht haben den 'imperialistischen Schutzwall' zu überwinden - aufgestellt werden sollten."

Lenin, popkulturell überschrieben

Im Müggelheimer Forst liegt noch die Leninstatue vergraben. Bis auf den Kopf, den hat man wieder ausgegraben. "Meine Vorgängerin Andrea Theissen war da - Gott sei Dank - sehr hartnäckig, weil ihr bewusst war, dass das ein Highlight werden würde, nicht nur aus Marketing-Sicht, sondern auch tatsächlich aus dieser Sicht, hier Geschichte erfahrbar zu machen."
Liegender Kopf des abgerissenen Lenin-Denkmals von Nikolai Tomski in einer Ausstellung präsentiert.
Der Kopf des Lenin-Denkmals von Nikolai Tomski in der Ausstellung "Enthüllt - Berlin und seine Denkmäler" in der Zitadelle Spandau.© Jürgen Hohlfeld / imago-images
Durch die Verfilmung in "Good bye, Lenin!" ist der Lenin-Kopf aber gewissermaßen popkulturell überschrieben worden und wird dadurch, je nachdem, wie man es sehen will, entschärft oder verharmlost. Dies zeigt auch die Grenzen solch einer Ausstellung. Und genau hierher sollte die umstrittene Skulptur aus Zehlendorf, die den heute anstößigen Titel "Hockende Negerin" trägt, integriert werden.

Ein Lehrbeispiel in Sachen Ambivalenz

Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland ist davon aber nicht überzeugt. Auch wenn Urte Evert selbstverständlich die Skulptur nur in enger Zusammenarbeit mit ihnen zeigen will. Diese Skulptur ist ein Lehrbeispiel in Sachen Ambivalenz. Ihr Schöpfer Arminius Hasemann war ohne Zweifel ein überzeugter Nazi auch schon vor 1933. Als Künstler stand er dagegen eher dem Expressionismus nahe. Seine Werke wurden daher von den Nazis abgelehnt.
Die Skulptur entstand schon Anfang der 20er-Jahre noch in einem ganz anderen Kontext. Eine der einflußreichsten Ausstellungen in Berlin war 1913 in der Galerie Otto Feldmann zu sehen. Den kubistischen Bildern Picassos aus seiner "époque nègre" wurde traditionelle Kunst aus Afrika gegenübergestellt. Der Titel: "Picasso - Negerplastik".
Sind Picassos Bilder rassistisch? Ist es die Skulptur Hasemanns? Man kann es keineswegs ausschließen. Weder das eine noch das andere.
"Dass diese Figur da in Zehlendorf stand, das hängt ja einfach mit seinem Atelier dort zusammen und da wurde dann der Faun mit dazugestellt, und ich finde genau das drückt es auch ein bisschen aus, diese schwarze, echte Frau mit einem exotischen Fabelwesen zusammenzusetzen hatte eine bestimmte Aussage, die heute Menschen verletzt."

Angst vor der impulsiven Auseinandersetzung

Zu dieser Zusammenstellung der beiden Skulpturen kam es aber erst 1985, lange nachdem der Künstler tot war - das erzählt also viel mehr über die Gedankenlosigkeit jener Zeit.
So wenig eindeutig diese Skulptur ist, der barbarische Akt, ihr den Kopf abzuschlagen, ist es ebenso wenig. Offenbar fürchten die Bezirkspolitiker genau diese unkontrollierbare impulsive Auseinandersetzung mit unserer kolonialen Vergangenheit. Denn die ganze europäische Avantgarde ist ohne diesen Einfluss überhaupt nicht zu denken.
Eine spannende Diskussion eigentlich. Aber: Der Bezirk Spandau hat jetzt anders entschieden. Die offizielle Begründung: in der Ausstellung seien nur Statuen zu sehen, die aus dem Berliner Stadtbild verschwunden seien. Daher würde diese Skulptur, da sie ja bis heute zu sehen gewesen sei, nicht zum Konzept passen.
Aber jetzt ist sie ja verschwunden.

Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler
Zitadelle Spandau - Dauerausstellung

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