Skrupellose Komplizenschaft
Die Banken in Deutschland haben zur Zeit des Nationalsozialismus eine mehr als unrühmliche Rolle gespielt. Mit ihrem Kapital wurden sogar Konzentrations- und Arbeitslager gebaut. Der Forderung jüdischer Verbände an Firmen, ihre Vergangenheit offen zu legen, kommen inzwischen auch die Banken nach. Ein neues Werk arbeitet die Geschichte der Dresdner Bank im Dritten Reich auf.
Rund acht Jahre haben zehn Historiker die Geschichte der Dresdner Bank zwischen 1933 und 1945 erforscht. In völliger wissenschaftlicher Freiheit wie die internationale Autorengruppe betont, denn finanziert wurde die Studie von der Bank selbst. Sie hatte den Historikern ihre volle Unterstützung gewährt, ein Historisches Archiv aufgebaut und auch nicht die Veröffentlichung schlimmster Details zu verhindern versucht. Davon sind die vier Bände voll.
Allein die Tatsache, dass die Bank 1933 vor dem Bankrott stand, zehn Jahre später aber ein Betriebsergebnis von 35 Millionen Reichsmark aufweisen konnte, zeigt, wie umfassend und willig die Bank mit dem nationalsozialistischen Regime kooperierte, die "Entjudung" und Rassenpolitik der Nazis aktiv und aus freien Stücken mit betrieb und auch von den Kriegen in Europa profitierte. Filialen der Bank gab es am Ende der Naziherrschaft zwischen Krakau und Riga, Brüssel und Zagreb, die zusammengenommen weit mehr Geld erwirtschafteten als das Mutterhaus.
"Die 1946 von den Alliierten vorgelegte Anklageschrift kam zu einem vernichtenden Urteil. Die Bank habe die Bereicherungsmöglichkeiten, die ihr das Regime bot, skrupelloser genutzt als andere Geldinstitute. Sie habe ihre wirtschaftliche Macht nicht nur dazu genutzt, Beihilfe zu dessen Untaten zu leisten, sondern sich als integraler Bestandteil der NS-Kriegsmaschinerie obendrein zum Komplizen der nationalsozialistischen Verschwörung gegen Frieden und Menschlichkeit gemacht."
Minutiös und bis ins kleinste Detail schildern die Autoren, wie sehr sich die "SS-Bank" mit den Zielen der NSDAP, der Nazi-Regierung und der SS identifizierte, Kriegszüge, Enteignungen und den Völkermord an den Juden mitverantwortete. Die Quellengrundlage bildeten dabei nicht nur die etwa zwölf Kilometer Akten, die sich heute im Historischen Archiv der Dresdner Bank befinden und der wissenschaftlichen Öffentlichkeit nun frei zugänglich sind, sondern auch Aktenbestände in Ost- und Ostmitteleuropa, Westeuropa und den USA.
"Der Begriff der Verstrickung im Sinne eines unbewussten, passiven ja tragischen Hineingezogenwerdens ist zur Kennzeichnung der Teilhabe an den Untaten der Nazis gänzlich inadäquat."
Die Spitzen der Dresdner Bank bemühten sich gar aus freien Stücken - und das sehr erfolgreich - um "exklusive Geschäftsbeziehungen" zu den obersten Befehlshabern der Massenvernichtung. Während Band 1 die besondere Regimenähe der Bank herausarbeitet und die Praktiken der Bank für den Leser noch relativ abstrakt bleiben, beschäftigt sich Band 2 en detail mit der zunehmenden Arisierung des Geldhauses, sprich der Verdrängung jüdischer Mitarbeiter und der Konfiszierung jüdischen Eigentums.
""So ging die Bank daran, die Juden unter den eigenen Betriebsrentnern gezielt zu diskriminieren und konfrontierte sie mit einer willkürlichen Absenkung ihrer Bezüge um 5-20%. Die oftmals erschütternden Einzelfälle und Bittbriefe zeigen, dass die Bank ihren Ermessenspielraum mit zunehmender Rücksichtslosigkeit nutzte und immer härtere Saiten aufzog."
Besonders umfassend ist Band 3 geraten, wird hier doch besonders ausführlich die europäische Expansion der Bank unter dem Vorzeichen der rassistischen Eroberungspolitik des Regimes nachgezeichnet. Nicht nur die aktive Beteiligung an Rüstungsgeschäften sondern auch am Bau und Betrieb von Arbeits- und Konzentrationslagern verdeutlicht einmal mehr, dass sich die Bank einzig und allein am wirtschaftlichen Kalkül orientierte.
"Solche Mittäterschaft ist nur ein Aspekt der Wirtschaftstätigkeit der Dresdner Bank im Dritten Reich aber gewiss der verwerflichste. Handelt es sich dabei ja nicht um Ausnahmetatbestände ideologisch verbohrter Mitarbeiter, sondern um die Nutzbarmachung jedweder Geschäftsmöglichkeit."
Band vier schließlich fasst noch einmal die wichtigsten Fragestellungen der Studie und ihre Ergebnisse zusammen. Nach 1945 lancierte die Dresdner Bank lange Zeit ein Zerrbild ihrer Geschichte und konnte sich dabei nicht zuletzt auch im Schatten der aufflammenden Debatte um die Rolle der Deutschen Bank im Dritten Reich verbergen. Obwohl sie die umfassendsten Aktenbestände aller Großbanken besitzt, wurde noch 1992 im Jubiläumsband zum 120-jährigen Bestehen das Verhalten der Bank in der Nazizeit relativiert, ja sogar beschönigt.
Erst nachdem in den neunziger Jahren in den USA gegen Schweizer und deutsche Banken wegen ihrer Zusammenarbeit mit dem Nazi-Regime ermittelt wurde und daraufhin Sammelklagen von Holocaust-Opfern folgten, gab die Bank 1997 die vorliegende Untersuchung in Auftrag.
Zweifellos richtet sich das 2374 Seiten umfassende Werk vornehmlich an Historiker aber durchaus auch an den historisch interessierten Laien, der sich nicht nur über den grenzenlosen Opportunismus eines Unternehmens im Verhältnis zu einem Terrorregime informieren will, sondern auch über die menschenverachtenden und skrupellosen Praktiken, die eine Bank verfolgen kann, um sich zu bereichern.
Besonders aufschlussreich - und zutiefst erschreckend - sind dabei die Motive für die Unrechtstaten, die die Autoren nicht nur in den Vorstandsetagen der Bank vorfanden. Es ist keine allzu schwierige, aber schwere Lektüre, die starker Nerven bedarf. Die Geschichte der Dresdner Bank zwischen 1933-1945 ist damit aufgeschrieben. Die Diskussion darüber hat aber erst jetzt begonnen.
"Die Dresdner Bank hätte anders handeln können", schreibt der Historiker Johannes Bär, "aber dazu war sie aus geschäftlichem Kalkül nicht bereit."
Klaus Dietmar Henke: Die Dresdner Bank im Dritten Reich
in vier Teilbänden von Johannes Bähr, Dieter Ziegler, Harald Wixforth und Klaus-Dietmar Henke,
R. Oldenbourg Verlag, Wien 2006, 2374 Seiten
Allein die Tatsache, dass die Bank 1933 vor dem Bankrott stand, zehn Jahre später aber ein Betriebsergebnis von 35 Millionen Reichsmark aufweisen konnte, zeigt, wie umfassend und willig die Bank mit dem nationalsozialistischen Regime kooperierte, die "Entjudung" und Rassenpolitik der Nazis aktiv und aus freien Stücken mit betrieb und auch von den Kriegen in Europa profitierte. Filialen der Bank gab es am Ende der Naziherrschaft zwischen Krakau und Riga, Brüssel und Zagreb, die zusammengenommen weit mehr Geld erwirtschafteten als das Mutterhaus.
"Die 1946 von den Alliierten vorgelegte Anklageschrift kam zu einem vernichtenden Urteil. Die Bank habe die Bereicherungsmöglichkeiten, die ihr das Regime bot, skrupelloser genutzt als andere Geldinstitute. Sie habe ihre wirtschaftliche Macht nicht nur dazu genutzt, Beihilfe zu dessen Untaten zu leisten, sondern sich als integraler Bestandteil der NS-Kriegsmaschinerie obendrein zum Komplizen der nationalsozialistischen Verschwörung gegen Frieden und Menschlichkeit gemacht."
Minutiös und bis ins kleinste Detail schildern die Autoren, wie sehr sich die "SS-Bank" mit den Zielen der NSDAP, der Nazi-Regierung und der SS identifizierte, Kriegszüge, Enteignungen und den Völkermord an den Juden mitverantwortete. Die Quellengrundlage bildeten dabei nicht nur die etwa zwölf Kilometer Akten, die sich heute im Historischen Archiv der Dresdner Bank befinden und der wissenschaftlichen Öffentlichkeit nun frei zugänglich sind, sondern auch Aktenbestände in Ost- und Ostmitteleuropa, Westeuropa und den USA.
"Der Begriff der Verstrickung im Sinne eines unbewussten, passiven ja tragischen Hineingezogenwerdens ist zur Kennzeichnung der Teilhabe an den Untaten der Nazis gänzlich inadäquat."
Die Spitzen der Dresdner Bank bemühten sich gar aus freien Stücken - und das sehr erfolgreich - um "exklusive Geschäftsbeziehungen" zu den obersten Befehlshabern der Massenvernichtung. Während Band 1 die besondere Regimenähe der Bank herausarbeitet und die Praktiken der Bank für den Leser noch relativ abstrakt bleiben, beschäftigt sich Band 2 en detail mit der zunehmenden Arisierung des Geldhauses, sprich der Verdrängung jüdischer Mitarbeiter und der Konfiszierung jüdischen Eigentums.
""So ging die Bank daran, die Juden unter den eigenen Betriebsrentnern gezielt zu diskriminieren und konfrontierte sie mit einer willkürlichen Absenkung ihrer Bezüge um 5-20%. Die oftmals erschütternden Einzelfälle und Bittbriefe zeigen, dass die Bank ihren Ermessenspielraum mit zunehmender Rücksichtslosigkeit nutzte und immer härtere Saiten aufzog."
Besonders umfassend ist Band 3 geraten, wird hier doch besonders ausführlich die europäische Expansion der Bank unter dem Vorzeichen der rassistischen Eroberungspolitik des Regimes nachgezeichnet. Nicht nur die aktive Beteiligung an Rüstungsgeschäften sondern auch am Bau und Betrieb von Arbeits- und Konzentrationslagern verdeutlicht einmal mehr, dass sich die Bank einzig und allein am wirtschaftlichen Kalkül orientierte.
"Solche Mittäterschaft ist nur ein Aspekt der Wirtschaftstätigkeit der Dresdner Bank im Dritten Reich aber gewiss der verwerflichste. Handelt es sich dabei ja nicht um Ausnahmetatbestände ideologisch verbohrter Mitarbeiter, sondern um die Nutzbarmachung jedweder Geschäftsmöglichkeit."
Band vier schließlich fasst noch einmal die wichtigsten Fragestellungen der Studie und ihre Ergebnisse zusammen. Nach 1945 lancierte die Dresdner Bank lange Zeit ein Zerrbild ihrer Geschichte und konnte sich dabei nicht zuletzt auch im Schatten der aufflammenden Debatte um die Rolle der Deutschen Bank im Dritten Reich verbergen. Obwohl sie die umfassendsten Aktenbestände aller Großbanken besitzt, wurde noch 1992 im Jubiläumsband zum 120-jährigen Bestehen das Verhalten der Bank in der Nazizeit relativiert, ja sogar beschönigt.
Erst nachdem in den neunziger Jahren in den USA gegen Schweizer und deutsche Banken wegen ihrer Zusammenarbeit mit dem Nazi-Regime ermittelt wurde und daraufhin Sammelklagen von Holocaust-Opfern folgten, gab die Bank 1997 die vorliegende Untersuchung in Auftrag.
Zweifellos richtet sich das 2374 Seiten umfassende Werk vornehmlich an Historiker aber durchaus auch an den historisch interessierten Laien, der sich nicht nur über den grenzenlosen Opportunismus eines Unternehmens im Verhältnis zu einem Terrorregime informieren will, sondern auch über die menschenverachtenden und skrupellosen Praktiken, die eine Bank verfolgen kann, um sich zu bereichern.
Besonders aufschlussreich - und zutiefst erschreckend - sind dabei die Motive für die Unrechtstaten, die die Autoren nicht nur in den Vorstandsetagen der Bank vorfanden. Es ist keine allzu schwierige, aber schwere Lektüre, die starker Nerven bedarf. Die Geschichte der Dresdner Bank zwischen 1933-1945 ist damit aufgeschrieben. Die Diskussion darüber hat aber erst jetzt begonnen.
"Die Dresdner Bank hätte anders handeln können", schreibt der Historiker Johannes Bär, "aber dazu war sie aus geschäftlichem Kalkül nicht bereit."
Klaus Dietmar Henke: Die Dresdner Bank im Dritten Reich
in vier Teilbänden von Johannes Bähr, Dieter Ziegler, Harald Wixforth und Klaus-Dietmar Henke,
R. Oldenbourg Verlag, Wien 2006, 2374 Seiten