Skispringen in Bayern

Der Traum vom großen Sprung

05:15 Minuten
Ein Kind direkt nach dem Absprung von der Skisprungschanze.
In Reit im Winkl spielt der Wintersport in vielen Familien eine große Rolle. Auch der sechsmalige Deutsche Meister Thomas Klauser stammt von dort. © Deutschlandradio / Heinz Schindler
Von Heinz Schindler · 03.01.2021
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Es gehört schon eine gehörige Portion Mut dazu, sich von einer Skischanze zu stürzen. Im bayerischen Reit im Winkl fangen schon die Jüngsten mit dem Sport an, bei dem man von klein auf fürs Leben lernt.
Irgendwann einmal so weit und hoch hinaus, wie sie bei der Vierschanzentournee springen, das ist für Anfänger in diesem Sport gleichermaßen ein oftmals unerreichbarer Traum, aber auch Sehnsucht und Ansporn wie für die achtjährige Franziska Frohwieser.
"Ich möchte später mal ins Fernsehen kommen und richtig Skispringen. Meine Oma sagt auch, dass ich später mal ins Fernsehen komme. Die wartet schon am Fernsehen immer auf mich."

Es braucht Geduld und Ausdauer

Sie wird noch ein wenig Geduld brauchen, denn Franziska ist gerade einmal im dritten Jahr im Training beim Wintersportverein Reit im Winkl.
"Ich habe angefangen, wo ich sechs war. Da gab's ein Ferienprogramm, da wollte ich mal hinkommen. Und dann bin ich immer, immer wiedergekommen. Und dann bin ich irgendwann immer ins Training gekommen und irgendwann Skispringer gewesen."
Klein fängt man an – hinsichtlich des Alters, aber auch die Höhen und Weiten betreffend, erinnert sich Magda Höger an ihre ersten Erfahrungen auf und unterhalb der Schanze.
"Man fährt den Auslauf von der Schanze erst mal 'n paarmal runter. Und dann darf man so auf eine Fünf-Meter-Schanze vielleicht und dann erst mal drüberfahren. Wenn man Spaß dran hat, darf man auch gerne weitermachen."

Nicht alle Kinder sind Draufgänger

Die Freude an der Bewegung im Schnee ist eine Bedingung fürs Skispringen, der Mut zum Sprung der Entscheidendere, sagt Trainerin Caroline Göpfert. Denn nicht alle Kinder sind Draufgänger, wie man es gemeinhin vermuten mag.
"Da sind auch viele sehr vorsichtige Kinder dabei. Das kann man sich gar nicht vorstellen bei dem, was die da machen. Die tasten sich ran. Wir fangen ja mit den ganz, ganz kleinen Schanzen an. Die Kinder springen zwei, drei Meter. Die steigern sich dann von zwei, drei Meter auf zehn Meter und dann geht es auf die nächste Schanzengröße. Diese Schritte muss man sich zutrauen und die Geduld muss man haben."

Auch dann, wenn es Tage gibt, an denen der Blick von der Schanze eine unendliche und bedrohliche Tiefe hat und der Sprung keine gute Idee zu sein scheint.
"Ich bin schon mal oben gestanden und habe mir gedacht: Nee, da will ich heute nicht runterspringen. Aber dann mach ich's. Aber ich bin auch schon mal oben gestanden und habe gedacht, heute traue ich mich nicht. Bin wieder runtergegangen. Macht keiner Stress."
"Das ist gar kein Problem. Da wird auch keiner ausgelacht von den anderen Kindern. Weil, das ist jedem schon passiert. Die Kinder gehen dann einfach wieder runter und dann machen wir vielleicht noch mal ne Hangabfahrt oder noch mal nen Sprung auf der kleineren Schanze. Und dann geht’s vielleicht beim nächsten Mal", sagt Caroline Göpfert.

"Angst hat man immer ein bisschen"

Für Leopold Hinterberger aus Frasdorf gehört eine gewisse Anspannung schlichtweg dazu. Er steht in diesem Winter vor seinen ersten Wettkämpfen.
"Angst hat man immer ein bisschen, finde ich, aber es geht dann schon. Dann freut man sich ja immer wieder, wenn man's geschafft hat."

Darin liegt auch ein Stück der Motivation für die jungen Springerinnen und Springer – und weniger in den großen Vorbildern wie dem sechsmaligen Deutschen Meister Thomas Klauser, der auch aus Reit im Winkl stammt.
"In erster Linie fangen die Kinder mit dem Wintersport an, weil die da in den Familien einfach hineinwachsen. Wintersport spielt halt in den Familien 'ne Rolle. Und dann gibt’s halt einfach die Skier und dann geht man hinaus miteinander. Und spielt im Prinzip erst mal im Schnee. Und die Helden von damals, die kennen die Kinder natürlich, das ist ein wichtiger Aspekt. Aber ich glaub', die Kinder haben schon ihre eigenen Ziele."
Porträt von Leopold Hinterberger mit Helm auf der Skisprungschanze.
Leopold Hinterberger steht in diesem Winter vor seinen ersten Wettkämpfen.© Deutschlandradio / Heinz Schindler

Das große Ziel: Spitzensportlerin

Seit sieben Jahren leitet Caroline Göpfert ihre Trainingsgruppe. Die Ersten sind flügge geworden, springen international im DSV- Kader. So wie Magda Höger.
"Ich darf schon auf eine 90-Meter-Schanze. Aber wenn ich da jetzt einen kleinen Fehler mache, muss ich auch wieder runter auf eine kleinere Schanze, es auskorrigieren. Dass ich auf der Großen nicht so viele Fehler mach'."
Die nächste Etappe auf dem Weg zum Weltcup soll für die 14-Jährige das Ski-Internat in Oberstdorf sein. Danach will sie als Spitzensportlerin zur Landespolizei gehen. Der Deutsche Skiverband kooperiert auch mit dem Zoll, mit der Bundespolizei und der Bundeswehr.
Trainerin Caroline Göpfert freut sich natürlich auch über die Erfolge, die sich in Urkunden und Medaillen niederschlagen. Mehr noch aber über die persönliche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen, die oftmals ernsthafter wirken als Gleichaltrige.
"Skispringen macht schon viel mit den Kindern. Man merkt, dass die Kinder schon sehr viel Verantwortung für sich übernehmen. Ist ganz lustig, weil das eigentlich ganz aufgeweckte, wilde Kinder sind. Und diese Kinder sitzen dann da oben am Balken und entscheiden für sich: Ja, ich spring da jetzt und ich bin ganz alleine. Und es kann mir jetzt in dem Moment auch da keiner mehr helfen. Sie übernehmen die Verantwortung für sich selber. Das merkt man dann auch schon im täglichen Umgang mit den Kindern. Das prägt!"
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