Skandinavien-Krimi mit Indianern

01.03.2011
Das Buch ist unterhaltsame Thrillerkost. In Norwegen wurde es 2008 als bester Krimi des Jahres ausgezeichnet. Es spielt in Minnesota, und die Suche nach dem Mörder führt zurück in die Siedlungszeit, als man die Ureinwohner aus der Gegend verjagte.
Ein junger Mann wird erschlagen, an einem großen See, am Rand eines Nationalparks. Der Tote – ein Tourist, unterwegs mit einem Freund, mit Kanu und Zelt – kommt aus Norwegen, genau wie der Freund.

Der Ranger, der die beiden findet, hat norwegische Wurzeln, und aufgeschrieben hat die Geschichte natürlich ein Norweger: Vidar Sundstøl, Jahrgang 1963. Ja, dies ist ein Skandinavien-Krimi, allerdings kein gewöhnlicher. Er spielt in den USA, am Lake Superior, dicht an der kanadischen Grenze.

Hauptfigur des Buchs ist der Ranger und Polizist Lance Hansen, ein schwerer Mann, 46, geschieden. Mit dem Fall hat Hansen nichts zu tun, das FBI und ein Experte aus Norwegen ermitteln. Der Ranger aber forscht auf eigene Faust – schließlich geschah das Verbrechen in seinem Revier -, und Sundstøl lässt uns teilhaben an Hansens Funden, am Hin und Her seiner Gedanken.

Hat der eine Norweger den anderen erschlagen, der Freund den Freund? Waren die Paddler schwul, geschah die Tat aus Eifersucht? Hielt sich sonst irgendwer in der Gegend auf? Hansen sah am Mordtag einen Mann am See: einen nahen Verwandten. Nun kämpfen Wissen und Gewissen miteinander - verrät er die Familie oder den Job?

Hansen ist Hobbyhistoriker. Um sich abzulenken, stöbert der Ranger in seinem Archiv. Nie zuvor soll es einen Mord in der Gegend gegeben haben, stimmt das? Hansen stößt auf einen ungeklärten Todesfall: In einer Märznacht 1892 verschwand ein indianischer Medizinmann. Zur selben Zeit irrte ein junger Norweger durch die Wälder. Als er herauskam, war er verletzt, ein Mann aus Hansens Familie.

Autor Vidar Sundstøl hat bislang fünf Bücher verfasst, "Traumland" ist sein erster Kriminalroman. 2008 wurde das Werk in Norwegen als bester Krimi des Jahres ausgezeichnet. Gekonnt verknüpft Sundstøl die zwei Handlungsstränge, den Kriminalfall von 1892 mit dem aus der Gegenwart. Das Buch ist unterhaltsame Thrillerkost, flott und spannend, ein Buch mit großem Bogen und glaubhaften Ausflügen in die Psyche des Protagonisten. Ein routiniert komponierter Krimi mit wenigen seichten Stellen.

Etwas Besonderes wird der Roman, weil Sundstøl nicht beim Krimistoff bleibt. Der Autor hat selbst in Minnesota am Oberen See gelebt. Auf faszinierende und bedrückende Weise erzählt er von den zwei Wellen europäischer Besiedlung und von der Vertreibung der Ureinwohner.

Erst, ab dem 17. Jahrhundert kamen französische Pelzjäger in die Region, ab 1880 dann die Norweger. Lance Hansen, der Protagonist, vergleicht die Siedler mit einem Schwarm Heuschrecken. "Und noch immer fressen wir dieses Land kahl." Unter den Legenden von der friedlichen Landnahme der Norweger entdeckt der Historiker andere Geschichten. Blutige, schmutzige Geschichten, Lügen und Fälschungen.

"Traumland" ist ein Buch mit offenem Ende. Ranger Hansen weiß zuviel, er kommt mit diesem Wissen nicht zurecht. "Das ist lediglich der Anfang, dachte er." So lautet der letzte Satz des Romans, ein programmatischer Satz: Vidar Sundstøl hat die Story ausgeweitet zu einer Trilogie.

Besprochen von Uwe Stolzmann

Vidar Sundstøl: Traumland
Aus dem Norwegischen von Ulrich Sonnenberg
Hoffmann und Campe, Hamburg 2011