Skandal um Abgastests

"Die Politik ist gefragt"

Abgase strömen aus dem Auspuff eines Fahrzeuges mit Dieselmotor, aufgenommen bei Saarbrücken (Saarland) am 03.08.2017.
Der Abgas-Skandal zieht immer weitere Kreise © dpa/Daniel Karmann
Johannes Wallacher im Gespräch mit Dieter Kassel  · 30.01.2018
Die Debatte um umstrittene Abgastests hat bei Volkswagen zu personellen Konsequenzen geführt: Der Generalbevollmächtigte Thomas Steg wurde beurlaubt. Der Wirtschaftsethiker Johannes Wallacher kritisiert eine unselige Interessenallianz von Autoindustrie, Politik und Verbrauchern.
Wegen des Skandals um fragwürdige Abgastests muss ein erster Manager bei Volkswagen den Hut nehmen. Thomas Steg, der für Außenbeziehungen und Nachhaltigkeit des Konzerns zuständig war, wurde von seinen Aufgaben entbunden, wie der VW-Konzern mitteilte. Volkswagen war wegen Abgastests mit Affen und Menschen in die Kritik geraten.

Fragen nach der Moral

Nach den Vorfällen stelle sich die Frage nach dem moralischen Hintergrund dieser Studien, die von der Automobilindustrie in Auftrag gegeben wurden, sagte Johannes Wallacher, Professor für Sozialwissenschaften und Wirtschaftsethik an der Hochschule für Philosophie in München. Er kritisierte im Deutschlandfunk Kultur die Mentalität, die nicht nur bei den Autofirmen, sondern auch in der Politik und bei den Verbrauchern verbreitet sei. Schließlich gehe es beim Auto um das liebste Spielzeug der Deutschen.
Umweltschützer protestieren gegen Diesel-Fahrzeuge: Umweltschutzverbände protestieren vor dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in Berlin paralell stattfindenden Nationalem Forum Diesel 
Nur vereinzelt kommt es zu Protesten von Umweltschützern gegen Diesel-Fahrzeuge© imago stock&people

Kritik an Interessenallianz

"Diese Mentalität hat lange funktioniert, dass man sagt, so schlimm wird es nicht sein", sagte Wallacher und verglich es mit einem ähnlichen Umgang mit dem Klimawandel, als könne man weitermachen wie bisher. "Das ist natürlich äußerst fragwürdig." Wallacher sprach von einer "implizierten Interessenallianz" zwischen den Herstellern, der Politik und den Verbrauchern. Ein Argument sei, dass die Automobilindustrie für das Selbstverständnis der deutschen Industriegesellschaft nach wie vor von immenser Bedeutung sei. Auch die Autofahrer wollten sich so etwas wie Fahrverbote und Einschränkungen ihrer individuellen Mobilität nicht vorstellen.

Verdrängung ist angesagt

Es werde ganz bewusst versucht, vorhandene Probleme zu verschleiern, zu verharmlosen und mit Intransparenz darauf zu reagieren. "Letztendlich ist die Politik gefragt, hier endlich rechtsstaatliche Vorgaben umzusetzen", sagte der Professor. "Wir leben in den Städten ja fast in einem rechtsfreien Raum, weil die Vorgaben seit langem nicht eingehalten werden." Die Politik sei nicht in der Lage, die Gesetze umzusetzen. Außerdem fehle bei den Verbrauchern die kritische Masse, die über die Empörungsrituale hinausgehe und grundlegend etwas ändern wolle.
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