Sittengemälde aus der Weimarer Zeit

19.12.2008
Lion Feuchtwangers Roman "Erfolg" ist der erste Teil seiner "Wartesaal-Trilogie". In dem Band entwirft Feuchtwanger ein Sittengemälde Bayerns wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg. Im Audio Verlag ist "Erfolg" nun als Hörbuch und in einer Hörspielfassung erschienen.
"Zuerst, ganz unten, war der Komfort. Die vielen Annehmlichkeiten des Alltags. Dann, etwas höher oben, stand Reisen, die Freude an der Mannigfaltigkeit dieser Welt."

Diese Annehmlichkeiten wird Dr. Martin Krüger längere Zeit entbehren müssen. Der Direktor der Staatlichen Gemäldesammlung München ist tief gefallen. Angeklagt wegen Meineids, sitzt er im Gefängnis. Ihm wird der Prozess gemacht. Degradiert zu einer Nummer erinnert sich Krüger in seiner Zelle an Zeiten, die ihm freundlicher gesinnt waren. Damals hatte er eine Skala der Werte aufgestellt.

"Dann wieder eine Stufe höher standen Frauen, alle Dinge verfeinerter Lust und nochmals einen Grad höher stand der Erfolg. Ja, Erfolg war gut. Erfolg schmeckte gut."

"Erfolg" so heißt der 1930 erschienene Roman Lion Feuchtwangers. Der 1884 in München geborene Autor erzählt im ersten Teil seiner "Wartesaal-Trilogie" die Geschichte Martin Krügers, doch sein Schicksal ist nur eines von vielen, das Feuchtwanger in seinem Roman verfolgt. Im Zentrum des in Bayern spielenden Sittengemäldes wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg stehen, so Feuchtwanger, "Gruppen von Charakteren und nicht Einzelindividuen". Dem "Manne Krüger" wird sein Kunstverstand zum Verhängnis. Ihn will man disziplinieren, weil er in der Staatsgalerie Gemälde ausgestellt hat, die unter den biederen Sittenwächtern für moralische Empörung sorgten. Deshalb soll nach den Bildern nun Krüger beseitigt werden.

"Der Angeklagte des Prozesses, der Doktor Martin Krüger, war so recht ein Gewächs der üblen Zeit nach dem Krieg."

Percy Adlon liest Feuchtwangers zwischen 1927 und 1930 entstandenen Roman, indem er der erzählerischen Kraft des Wortes vertraut. Äußerst konzentriert inszeniert Adlon Feuchtwangers Roman, indem er neben der Sprache nur einen weiteren Hauptakteur auf der Lesebühne einsetzt: seine Stimme. Dezent betonend, die Tempi variierend, stellt sich Adlon in den Dienst des Textes und zwingt die Hörer zur Konzentration. Für diese Aufmerksamkeit belohnt er sie, indem er ihnen den Weg zu einem stilistischen Meister der deutschen Sprache ebnet. Diese gelungene Hörbuchaufnahme muss sich allerdings der Konkurrenz im eigenen Hause erwehren. Ebenfalls im "Audio Verlag" ist eine Hörspielfassung von Feuchtwangers Roman "Erfolg" aus dem Jahr 1984 in der Regie von Hartmut Kirste erschienen.

"Meineid, Hm, drei Jahre gibt es dafür. Ihn, Klenk, haben auch die missliebigen Bilder nicht gestört. Von mir aus hätt der Krüger Subdirektor bleiben können, bis er schwarz wird. Er selber hat Sinn für Bilder. Nur frech werden, Herr Doktor, das hätten sie nicht sollen. Sich mokieren, die Regierung kann sie am Arsch lecken, das, Herr Doktor Krüger, lass ich mir, Otto Klenk, nicht gefallen. Wenn’s um bayrische Dinge geht, mein Lieber, da kennen wir kein Genieren."

"Das Land Bayern", so hat es Feuchtwanger formuliert, "ist der eigentliche Held meines Romans", in dem der Autor unterschiedliche Zeitgenossen zu Wort kommen lässt. Sittenstrenge Beamte sind sich mit "unbescholtenen Bürgern" im Hass gegen das "jüdische Weltkapital" einig und gemeinsam sympathisieren sie mit einem Mann wie Rupert Kutzner, alias Adolf Hitler. Während Kutzner immer mehr Anhänger findet, engagieren sich für den unschuldig inhaftierten Martin Krüger nur seine engsten Freunde, zu denen auch Johanna Krain zählt. Als Erzähler sind Axel Corti und Walter Andreas Schwarz zu hören, Johanna Karin wird von Hannelore Elsner gesprochen.

"Wie soll ich, Johanna Krain – Johanna Krain –, von etwas Vermögen und Einnahmen aus graphologischen Analysen mäßig lebend – wie soll ich zu gesellschaftlichen Beziehungen kommen. Nur ein Gesicht ist ihr eingefallen – Immer wieder dieses Gesicht – Sie hat es auf der Geschworenenbank gesehen, im Prozess, während ihrer peinlichen Aussage. […] Heßreiter – […] Sie hat ihn einfach antelefoniert. Martin sagt, ich hab einfach keine Kinderstube – Zieht aus, um gesellschaftliche Beziehungen anzuknüpfen, wie auf eine Abenteuerfahrt in ein unbekanntes Land."

Die fast sechsstündige Hörspielfassung, die grandios inszeniert und gesprochen ist, stellt ein Klangerlebnis höchster Güte dar. Hartmut Kirste ist es gelungen, die von Feuchtwanger beschriebene Zeit, überzeugend szenisch und atmosphärisch umzusetzen. Beide Hörbücher machen sehr eindringlich auf einen Roman aufmerksam, den man sich unbedingt anhören sollte.

Rezensiert von Michael Opitz

Lion Feuchtwanger: Erfolg
Gelesen von Percy Adlon
6 CDs, 473 Minuten, 27,99 Euro
Ders.: Erfolg, Hörspiel
Regie: Hartmut Kirste, mit Axel Corti, Hannelore Elsner u.v.a.
5 CDs, 355 Minuten, 25,99 Euro