Sir John Falstaff - Ritter von der fetten Gestalt

Zu Gast: Jürgen Kesting, Moderation: Karl-Dietrich Gräwe |
"Es gibt nur einen Weg, noch besser Schluss zu machen als mit 'Otello', nämlich siegreich mit ‚Falstaff‘ zu enden. Nachdem Sie alle Schreie und Klagen des Menschenherzens ertönen ließen, mit einem Ausbruch von Heiterkeit abzuschließen."
Mit diesen Worten gelang es dem Librettisten Arrigo Boito, den greisen Verdi nach dem Erfolg des "Otello" zu einem weiteren Projekt zu überreden. Nach kurzem Zögern erhielt der Dichter (der selbst ein versierter Komponist war) die Antwort des Maestro: "Amen, so möge es geschehen! Machen wir ‚Falstaff‘!"

"Falstaff", auf Shakespeares "Lustigen Weibern von Windsor" fußend, ist eine Komödie, eine Musikkomödie. Aus ihren Grundzügen ließe ebenso gut eine Tragödie machen, so wie fast alle Opern Verdis Tragödien sind. Deren Muster besteht darin, dass ein Einzelner sich gegen die Mehrheit behaupten muss. In diesem Sinne ist die Gardinenpredigt zu verstehen, die Sir John Falstaff, der unangepasste, weil unzeitgemäße Ritter und Soldat, den Spießbürgern von Windsor hält: "Dutzendmenschen jeder Sorte treiben mit mir ihren Spaß und bilden sich darauf noch etwas ein."

Ein Außenseiter hat eine geschlossene Gesellschaft herausgefordert, und die hat sich an ihm gerächt, hat es ihm in einer Verkleidungs- und Verstellungsorgie ohnegleichen heimgezahlt, ihm eine exorzistische Walpurgisnacht bereitet. Und doch bleibt Falstaff nur scheinbar unterlegen. Aufs Ende gibt es keine eindeutigen Sieger und Besiegten. Das Fazit aus Verdis und Boitos Theatrum mundi: Wo immer Menschen zusammentreffen und Einzelne mit einer Mehrheit in Konflikt geraten, sind sie einer unglücklichen und einer glücklichen Wendung der Dinge, sind sie einem tragischen und einem burlesken Ausgang gleich nahe. In einer Komödie reichen sich Freund und Feind die Hände. Die Welt ist ein Narrenhaus, und im günstigsten Fall gibt es keine Toten.