Antiziganismus

Das Z-Wort auf dem Schulhof

Luftbild vom Schulhof einer Grundschule.
Schulhof einer Grundschule: Für Roma-Kinder kann der Schulalltag schwer sein. © Imago / Hans Blossey
Am 2. August ist der Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma. Der Tag will auch auf die heutige Situation aufmerksam machen. Denn noch immer werden Sinti und Roma diskriminiert. Zum Beispiel an deutschen Schulen.
Sinti und Roma erfahren bis heute Diskriminierung in Deutschland. Und die Situation hat sich offenbar sogar deutlich verschlechtert. Allein im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der Bedrohungen und Diskriminierungen hierzulande im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Das geht aus dem zweiten Jahresbericht der Melde- und Informationsstelle Antiziganismus hervor.

Diskriminierung in der Schule

Sinti und Roma erfahren Diskriminierung in allen möglichen Alltagssituation - auch in der Schule. Für Romeo Franz war die Schule daher auch ein Leidensweg. Gleichaltrige beschimpften ihn mit abwertenden Begriffen, Lehrer verbannten ihn im Klassenraum in die hinterste Stuhlreihe. „Es war ein Spießrutenlauf mit Gewalt“, sagt der heutige Musiker und EU-Politiker.
Diese Erfahrungen führten dazu, dass ihm die Lust am Lernen verging. Heute sitzt der Grünen-Politiker als erster Vertreter der Roma im Europaparlament.
Nach wie vor erleben Sinti und Roma - ähnlich wie Romeo Franz - erhebliche Ungleichbehandlung in der Schule. Gleiche Bildungschancen zu schaffen ist ein Schlüsselelement, um der Diskriminierung entgegenzuwirken.
Dass es dringenden Bedarf dafür gibt, zeigt eine Studie der Arbeitsgemeinschaft RomnoKher aus dem Jahr 2021, bei der knapp 600 Angehörige der in Deutschland lebenden Sinti und Roma befragt wurden.
Etwa 40 Prozent der Befragten mit Kindern gaben an, dass ihr Nachwuchs Diskriminierung erlebt hat, dazu gehören vielfach auch Erfahrungen mit Gewalt. Teils handeln auch Lehrkräfte selbst diskriminierend.
80 Prozent der Befragten hielten dementsprechend Verbesserungen im Bildungsbereich für notwendig. Das empfiehlt auch die Unabhängige Kommission Antiziganismus, die die Bundesregierung 2021 einberufen hat.

Auf Schulhöfen beschimpft

„Schule ist tatsächlich kein sicherer Ort für Sinti und Roma“, sagt Viktoria Patoćková, Vorständin beim Verein RomaTrial. „Gerade das Z-Wort zum Beispiel ist ein gängiges Schimpfwort auf den Schulhöfen und die Kinder und Jugendlichen werden davor kaum geschützt. Die Lehrkräfte sind damit überfordert“, berichtet die Soziologin.
In Deutschland wurden Angehörige der Sinti und Roma früher oft als „Zigeuner“ bezeichnet. Dieser Ausdruck wird von den meisten Angehörigen der betroffenen Minderheit heute als diskriminierend abgelehnt. Darum wird der Begriff heute oft mit dem Terminus "Z-Wort" ersetzt.
Vertreter von ihnen einigten sich auf dem ersten Welt-Roma-Kongress 1971 auf die Bezeichnung Roma, die heute international gebräuchlich ist. Im deutschsprachigen Raum hat sich die Bezeichnung „Sinti und Roma“ durchgesetzt, weil hier vor allem Angehörige der Sinti leben.

Diskriminierung als europaweites Problem

Die EU-Agentur für Grundrechte hat die Lebenslage der Roma 2021 in einer Studie in zehn Ländern Europas untersucht. Dabei stellte sie fest, dass Roma in den meisten Ländern mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Das betrifft Diskriminierung in den Bereichen Bildung, Arbeit, Gesundheit und Wohnen.
Die Europäische Union hat deshalb in einem “strategischen Rahmen zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe der Roma“ Maßnahmen definiert, die jedes EU-Mitglied bis 2030 umsetzen soll. Ziel ist es, die Diskriminierung der Roma deutlich zu reduzieren.

Spanien: Vorbild bei der Integration

In Griechenland gilt die Situation der Roma als besonders schwierig. Seitdem dort nationale Maßnahmen im Zuge der EU-Anordnung umgesetzt wurden, hat sich die Situation im Bereich Bildung ein wenig gebessert. Mittlerweile besucht die Mehrheit der Roma-Kinder die Grundschule. Trotzdem gehen weniger als ein Fünftel von ihnen anschließend auf eine weiterführende Schule.
Spanien gilt hingegen als internationales Vorbild, was die gesellschaftliche Integration von Roma betrifft. „Zwar gibt es bei den spanischen Roma über 60 noch eine hohe Zahl von Analphabeten“, sagt Ioannis Dimitrakopoulos von der EU-Agentur für Grundrechte. Doch: „Je jünger die Menschen sind, desto mehr nähert sich ihr Bildungsniveau der allgemeinen Bevölkerung an. Bei spanischen Jugendlichen gibt es keinen Unterschied mehr, ob sie Roma sind oder nicht.“

Kultur der Roma als Schulstoff

Die Soziologin und Roma-Aktivistin Viktoria Patoćková beklagt, dass die Geschichte der Sinti und Roma in deutschen Schulbüchern nicht vorkomme. Dabei sei das wichtig, um Vorurteile abzubauen: „Es gibt keine Vorbilder und das Wissen, das in den Schulbüchern über Sinti und Roma zu finden ist, ist oft immer noch rassistisch geprägt.“
Eine Studie des Georg-Eckert-Instituts für Schulbuchforschung hat 50 Bücher gefunden, in denen das Z-Wort auftaucht. In etwa der Hälfte bleibe der Begriff komplett unkommentiert oder werde ohne Anführungszeichen geschrieben, bemängelt Patoćková.
Zu den zentralen Forderungen ihres Vereins RomaTrial und auch der Unabhängigen Kommission für Antiziganismus gehört, die Roma und ihre Geschichte als einen integralen Teil der deutschen und europäischen Gesellschaft zu sehen, der seit Jahrhunderten einen Beitrag zu Kultur, Wirtschaft, Politik und Demokratie leiste.
(tan)
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