Sinistre Motive
Sie ist eine historisch verbürgte Sensationsfigur aus dem 10. Jahrhundert: Theophanu, eine byzantinische Prinzessin, die mit dem Thronfolger des Heiligen Römischen Reiches verheiratet wurde. Gabrielle Alioth durchleuchtet mit psychologischem Feingefühl ihre Protagonistin.
Weil es keine Zeitmaschinen gibt, die in entlegene Vergangenheiten entführen, boomen historische Romane. Besonders gerne spielen sie im Dunkel des von Quellen nur sparsam erleuchteten Mittelalters. Bevorzugtes Sujet sind seit jeher starke Frauen, die ihren Weg gehen, ob als Marketenderin oder Mätresse, Klosterschwester oder Königin. Umso erstaunlicher, dass bislang eine historisch verbürgte Sensationsfigur aus jener Epoche kaum Beachtung fand: Theophanu, eine byzantinische Prinzessin, die elf Jahre lang als Kaiserin die Geschicke des Abendlands bestimmte. 960 als Nichte des oströmischen Herrschers in Konstantinopel geboren, verheiratete man die Zwölfjährige in einer arrangierten Ehe mit dem Thronfolger des Heiligen Römischen Reichs, Otto II.
Vor diesem historischen Hintergrund erzählte Gabrielle Alioth im 2008 erschienenen Roman „Die Braut von Byzanz“ vom unerwarteten Aufstieg der schönen und gebildeten Orientalin am fränkischen Hof, stets auf Reisen zwischen Magdeburg und Rom. Im neuen (eigenständig zu lesenden) Folgeband „Die griechische Kaiserin“ entfaltet sie die aufregende Geschichte Theophanus um den Erhalt der Macht: Wie es ihr, die man die „Griechin“ nannte, gelang, sich nach dem Tod ihres Gatten, des deutschen Kaisers, gegen alle Widersacher zu behaupten, wie sie den Thron eroberte und so ihrem unmündigen Sohn, Otto III., die Nachfolge sicherte.
Die Handlung umspannt ein knappes Jahrzehnt, beginnend mit dem Tag im Herbst 980, als der Thronfolger geboren wird, bis zu Theophanus Tod im Jahre 991. Dazwischen entfaltet sich ein in kräftigen Farben aufgetragenes Panorama der Epoche, vom rauen Leben in den Burganlagen von Nimwegen bis zu philosophischen Disputen am prachtvollen Hof zu Ravenna, vom beschwerlichen Zug des Frankentrosses über die Alpen gen Rom bis zur pompösen Krönungsfeier im Dom zu Aachen, von der aussichtslosen Schlacht gegen die Sarazenen im Süden Italiens bis zur maliziösen Verschwörung deutscher Herzöge, die gleichfalls nach der Krone streben.
Mit psychologischem Feingefühl und Delikatesse durchleuchtet Gabrielle Alioth das Denken und Fühlen ihrer Protagonistin – ihre geheime (historisch zwar nicht verbriefte) Liebe zu dem empfindsamen Herzog von Schwaben etwa – und begleitet sie bei deren diplomatischen, von List und Raffinesse gesteuerten Schachzügen; meisterlich geschildert ist die Annäherung an die einstmals gehasste, missgünstige Schwiegermutter. Sie versteht es sogar, die sinistren Motive von Theophanus Feinden in durchaus zweckrationalem Licht erscheinen zu lassen.
Reizvoll ist die dreifach gebrochene Erzählperspektive des Romans. Zwischen langen auktorialen, in der Sprache von heute gehaltenen Passagen gibt die Autorin dem „Leben von unten“ eine Stimme. In Gestalt der Kinderfrau Theophanus fällt der Blick auf Armut, Schmutz, Plünderungen und die rohe Gewalt des Krieges. Die inneren Monologe des Astrologen Stephanos schließlich, zwischen Märchenton und aphoristischer Knappheit pendelnd, versehen den Roman mit jener Hellsicht, die ihn um einiges über die handelsübliche Ware hinaushebt.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Gabrielle Alioth, Die griechische Kaiserin
Verlag Nagel & Kimche, München 2011,
280 Seiten, 19,90 Euro
Vor diesem historischen Hintergrund erzählte Gabrielle Alioth im 2008 erschienenen Roman „Die Braut von Byzanz“ vom unerwarteten Aufstieg der schönen und gebildeten Orientalin am fränkischen Hof, stets auf Reisen zwischen Magdeburg und Rom. Im neuen (eigenständig zu lesenden) Folgeband „Die griechische Kaiserin“ entfaltet sie die aufregende Geschichte Theophanus um den Erhalt der Macht: Wie es ihr, die man die „Griechin“ nannte, gelang, sich nach dem Tod ihres Gatten, des deutschen Kaisers, gegen alle Widersacher zu behaupten, wie sie den Thron eroberte und so ihrem unmündigen Sohn, Otto III., die Nachfolge sicherte.
Die Handlung umspannt ein knappes Jahrzehnt, beginnend mit dem Tag im Herbst 980, als der Thronfolger geboren wird, bis zu Theophanus Tod im Jahre 991. Dazwischen entfaltet sich ein in kräftigen Farben aufgetragenes Panorama der Epoche, vom rauen Leben in den Burganlagen von Nimwegen bis zu philosophischen Disputen am prachtvollen Hof zu Ravenna, vom beschwerlichen Zug des Frankentrosses über die Alpen gen Rom bis zur pompösen Krönungsfeier im Dom zu Aachen, von der aussichtslosen Schlacht gegen die Sarazenen im Süden Italiens bis zur maliziösen Verschwörung deutscher Herzöge, die gleichfalls nach der Krone streben.
Mit psychologischem Feingefühl und Delikatesse durchleuchtet Gabrielle Alioth das Denken und Fühlen ihrer Protagonistin – ihre geheime (historisch zwar nicht verbriefte) Liebe zu dem empfindsamen Herzog von Schwaben etwa – und begleitet sie bei deren diplomatischen, von List und Raffinesse gesteuerten Schachzügen; meisterlich geschildert ist die Annäherung an die einstmals gehasste, missgünstige Schwiegermutter. Sie versteht es sogar, die sinistren Motive von Theophanus Feinden in durchaus zweckrationalem Licht erscheinen zu lassen.
Reizvoll ist die dreifach gebrochene Erzählperspektive des Romans. Zwischen langen auktorialen, in der Sprache von heute gehaltenen Passagen gibt die Autorin dem „Leben von unten“ eine Stimme. In Gestalt der Kinderfrau Theophanus fällt der Blick auf Armut, Schmutz, Plünderungen und die rohe Gewalt des Krieges. Die inneren Monologe des Astrologen Stephanos schließlich, zwischen Märchenton und aphoristischer Knappheit pendelnd, versehen den Roman mit jener Hellsicht, die ihn um einiges über die handelsübliche Ware hinaushebt.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Gabrielle Alioth, Die griechische Kaiserin
Verlag Nagel & Kimche, München 2011,
280 Seiten, 19,90 Euro