Singendes Ost-West-Projekt
Im brandenburgischen Falkensee beschlossen 1994 zwölf Sänger die Gründung eines Chors. Schon bald stießen weitere Mitglieder aus Berlin und aus dem Rest der Republik zum Kammerchor Falkensee hinzu.
Petzold: "Meine Chorherkunft ist, dass ich mit neun Jahren angefangen habe, im Sankt-Hedwigs-Knabenchor bei Rudolf Forster zu singen, und seitdem singe ich ununterbrochen."
Kerzengerade stehend, den Blick auf das Notenpult geheftet, die Stimmgabel immer in der Hand, leitet Hans-Martin Petzold die Probe. Er dirigiert den Kammerchor Falkensee von Anfang an. Seine Ehefrau singt im Sopran. In Berlin hat der pensionierte Grundschullehrer Physik unterrichtet und nebenbei Chorleiterseminare belegt.
"Zu Anfang waren ja fast ausschließlich Menschen zusammen, die aus der Musikkultur der DDR stammen, und ich komme aus der anderen Ecke, bin Westberliner gewesen, und habe da meine chorischen Erfahrungen gesammelt, und für uns war ganz klar, dass wir auch Komponisten der Moderne aufführten, da konnten die anderen erst mal ganz wenig damit anfangen."
Annette Heller musste 1999, bedingt durch den Beruf ihres Mannes, mit ihrer Familie das Rheinland verlassen. Seitdem wohnt sie in Falkensee.
Heller: "Der Chor ist für mich ein Projekt Ost-West, das muss ich einfach feststellen als Neuzugezogene. Man kam eben doch mit einer gewissen Angst hierher, und die Angst war auch andersrum da, jetzt kommen die Wessis, ja, und das hat sich für meine Person nicht bewahrheitet, und hier im Chor erst recht nicht."
Michal Jung singt im Bass. Dass bei seiner Entscheidung für den Kammerchor Falkensee pragmatische Überlegungen eine maßgebliche Rolle spielten, schmälert das Profil des A-cappella-Ensembles keineswegs.
Jung: "Ich bin Jurist, habe in Münster früher gesungen beim studentischen Madrigalchor und hab mir dann, als ich hier war, mal die Chorlandschaft angeguckt und gesagt, bevor ich extra nach Berlin fahre und dann die Chorprobe immer hin und her, die ganze Juckelei, such’ ich mir was vor Ort, und da war eben der Kammerchor das Richtige dafür."
Gotthelf August, der ursprünglich aus Halle kommt, sitzt entspannt in der ersten Reihe bei den Tenören. Die in der Baubranche üblichen saisonalen Krisen haben den selbstständigen Ingenieur vor ein paar Jahren unfreiwillig und vorzeitig zum Rentner gemacht. Seine freie Zeit nutzt er gezielt.
August: "Anfangs war es sehr anspruchsvoll, was der Herr Petzold von uns verlangte, sodass man ein bisschen unsicher war, ob man das überhaupt kann, aber ich hab’s selber gemerkt im Lauf der Jahre, dass ich doch immer mehr dazu gelernt habe, und davon profitiere ich auch in unserem Kirchenchor, wo ich der einzige Tenor bin ..."
Das Repertoire des Kammerchors umfasst heute mehr als 250 Werke von etwa 100 Komponisten. Darunter befinden sich auch Stücke vergessener Musiker wie der 1927 verstorbenen Luisa Adolpha le Beau, die das Stück "Nebeltag" geschrieben hat. Das Lied wurde für die erste CD des Kammerchores aufgenommen.
Als Glücksfall erwies sich auch ein Chorliederbuch, das Hans-Martin Petzolds Großvater 1898 gekauft hatte.
Petzold: "Es ist eine Fundgrube für romantische Kompositionen. Einen Komponisten, Ferdinand Büchler, habe ich aufgearbeitet aus seinem Nachlass und einige Dinge davon in Druck gebracht, die wahrscheinlich noch nie erklungen sind."
Zwar probt der Kammerchor Falkensee weltliche Lieder, aber geistliche Gesänge überwiegen im Repertoire. Zu den großen Herausforderungen zählte eine Komposition des 1942 in den Selbstmord getriebenen Hugo Distler.
Petzold: "Hugo Distler komponiert wortbetont und hält sich nicht an irgendwelche Taktierungen. Das kann man doch nicht singen, war dann die Reaktion. Selbst unsere Seniorin sagte dann in der vierten Probe, als ich das wieder anbrachte, bringst du heut wieder den Sch ... Distler mit … das war eine ausgesprochen heftige Reaktion."
Sehr diszipliniert verläuft die Probe. Ein paar Scherzworte aus der hinteren Reihe wirken wie ein lang erwartetes Kitzeln. Doch schnell wird das Gelächter "abgeklopft", und weiter geht’s. Schließlich wird im Herbst zum nächsten öffentlichen Konzert eingeladen.
Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.
Kerzengerade stehend, den Blick auf das Notenpult geheftet, die Stimmgabel immer in der Hand, leitet Hans-Martin Petzold die Probe. Er dirigiert den Kammerchor Falkensee von Anfang an. Seine Ehefrau singt im Sopran. In Berlin hat der pensionierte Grundschullehrer Physik unterrichtet und nebenbei Chorleiterseminare belegt.
"Zu Anfang waren ja fast ausschließlich Menschen zusammen, die aus der Musikkultur der DDR stammen, und ich komme aus der anderen Ecke, bin Westberliner gewesen, und habe da meine chorischen Erfahrungen gesammelt, und für uns war ganz klar, dass wir auch Komponisten der Moderne aufführten, da konnten die anderen erst mal ganz wenig damit anfangen."
Annette Heller musste 1999, bedingt durch den Beruf ihres Mannes, mit ihrer Familie das Rheinland verlassen. Seitdem wohnt sie in Falkensee.
Heller: "Der Chor ist für mich ein Projekt Ost-West, das muss ich einfach feststellen als Neuzugezogene. Man kam eben doch mit einer gewissen Angst hierher, und die Angst war auch andersrum da, jetzt kommen die Wessis, ja, und das hat sich für meine Person nicht bewahrheitet, und hier im Chor erst recht nicht."
Michal Jung singt im Bass. Dass bei seiner Entscheidung für den Kammerchor Falkensee pragmatische Überlegungen eine maßgebliche Rolle spielten, schmälert das Profil des A-cappella-Ensembles keineswegs.
Jung: "Ich bin Jurist, habe in Münster früher gesungen beim studentischen Madrigalchor und hab mir dann, als ich hier war, mal die Chorlandschaft angeguckt und gesagt, bevor ich extra nach Berlin fahre und dann die Chorprobe immer hin und her, die ganze Juckelei, such’ ich mir was vor Ort, und da war eben der Kammerchor das Richtige dafür."
Gotthelf August, der ursprünglich aus Halle kommt, sitzt entspannt in der ersten Reihe bei den Tenören. Die in der Baubranche üblichen saisonalen Krisen haben den selbstständigen Ingenieur vor ein paar Jahren unfreiwillig und vorzeitig zum Rentner gemacht. Seine freie Zeit nutzt er gezielt.
August: "Anfangs war es sehr anspruchsvoll, was der Herr Petzold von uns verlangte, sodass man ein bisschen unsicher war, ob man das überhaupt kann, aber ich hab’s selber gemerkt im Lauf der Jahre, dass ich doch immer mehr dazu gelernt habe, und davon profitiere ich auch in unserem Kirchenchor, wo ich der einzige Tenor bin ..."
Das Repertoire des Kammerchors umfasst heute mehr als 250 Werke von etwa 100 Komponisten. Darunter befinden sich auch Stücke vergessener Musiker wie der 1927 verstorbenen Luisa Adolpha le Beau, die das Stück "Nebeltag" geschrieben hat. Das Lied wurde für die erste CD des Kammerchores aufgenommen.
Als Glücksfall erwies sich auch ein Chorliederbuch, das Hans-Martin Petzolds Großvater 1898 gekauft hatte.
Petzold: "Es ist eine Fundgrube für romantische Kompositionen. Einen Komponisten, Ferdinand Büchler, habe ich aufgearbeitet aus seinem Nachlass und einige Dinge davon in Druck gebracht, die wahrscheinlich noch nie erklungen sind."
Zwar probt der Kammerchor Falkensee weltliche Lieder, aber geistliche Gesänge überwiegen im Repertoire. Zu den großen Herausforderungen zählte eine Komposition des 1942 in den Selbstmord getriebenen Hugo Distler.
Petzold: "Hugo Distler komponiert wortbetont und hält sich nicht an irgendwelche Taktierungen. Das kann man doch nicht singen, war dann die Reaktion. Selbst unsere Seniorin sagte dann in der vierten Probe, als ich das wieder anbrachte, bringst du heut wieder den Sch ... Distler mit … das war eine ausgesprochen heftige Reaktion."
Sehr diszipliniert verläuft die Probe. Ein paar Scherzworte aus der hinteren Reihe wirken wie ein lang erwartetes Kitzeln. Doch schnell wird das Gelächter "abgeklopft", und weiter geht’s. Schließlich wird im Herbst zum nächsten öffentlichen Konzert eingeladen.
Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.