Singende Seeleute in den Hügeln
Der Männerchor, der stets in Uniform auftritt, wurde vor knapp 20 Jahren gegründet. Er präsentiert Seemannslieder in Mittelfranken - zwischen Burgen, Schlössern und Hügeln. Nun steht etwas Besonderes an: eine Konzertreise in den Vatikan.
Es stimmt alles: Akkordeon, Männerstimmen, dunkle Hosen und weiße Hemden, die goldenen Streifen auf den Schulterklappen. Fast alles. Die Kulisse ist fremd. Nirgendwo wogende See, keine Hafenkneipe. Sondern der Markplatz in Nürnberg, verwinkelte Gassen, das mächtige Gebäude des Polizeipräsidiums.
Joachim Stahl: "Man kann zwar im Binnenland wohnen, aber deswegen können einem die Shantys gut gefallen."
Günther Zillner: "Sie gefallen mir, weil sie ins Ohr gehen, und sie können in jedem Konzertsaal ein gewissen Klientel beobachten, da gehen die Lippen mit. Diese Lieder sind bekannt!"
Klaus Lehnert: "Seemannslieder, die kennt in jeder Sprache jeder. Man kann wunderbar singen und im Nu hat man einen Fanclub zusammen."
Wie kommen denn Seemannslieder nach Franken? Auf diese Frage hat Klaus Lehnert, der Vereinsvorsitzende, schon gewartet:
"Nun, wir haben einen großen Hafen, einen Staatshafen in Nürnberg, und wir haben den Rhein-Main-Donaukanal durchgängig. In Bayern gibt es 852 Kilometer Wasserstraßennetz, das ist eines der größten zusammenhängenden Wasserstraßennetze Europas."
Wasser also gibt es genug für Seemannslieder.
Günther Zillner ist Gründungsmitglied des Chores. Er hat ein altes Foto vom Polizeichor Nürnberg mitgebracht, es zeigt Männer in grünen Uniformen. Drei fallen auf, sie tragen blaue Jacketts mit goldenen Knöpfen in zwei Reihen. Es sind die Kollegen der Wasserschutzpolizei; sie wollten keine grüne Uniform anziehen.
Günther Zillner: "Viele Sänger waren bei der Kriegsmarine, denen das Liedgut Seemannsromantik zum Teil näher stand. Und so hat sich ergeben, dass man in lockerer Runde mehr fröhliche Seemannslieder gesungen hat als Bergsteigerlieder. Und so kam der Gedanke, wir sollten Shantys singen. Das stieß bei der Vorstandsschaft auf Widerstand, ist ja klar."
Deshalb gründeten die Männer in blauer Uniform am 7. März 1990 ihren eigenen Chorverein, den Nürnberger Shanty-Chor der Wasserschutzpolizei. Zwar gebe es zwischen den beiden Chören "nicht das beste Verhältnis”, sagt Klaus Lehnert, aber man nehme sich nichts weg. Der eine singe eben anspruchsvolle geistliche Lieder ...
Klaus Lehnert: "Und wer maritim ist und ein bisschen lebhaftere Musik genießen möchte, ist im Shanty-Chor gut aufgehoben."
Jeden Mittwochabend trifft sich der Chor für zwei Stunden zur Probe im Lehrsaal der Bereitschaftspolizeiabteilung Nürnberg, viele reisen aus dem Umland an. Es singen inzwischen nicht nur Wasserschutzpolizisten im Chor, nicht einmal nur Polizisten, sondern auch Männer, die außerhalb des Chores nie Uniform tragen.
Günther Zillner: "Das ist vom Ministerium genehmigt. Da sind wir eigentlich stolz, dass sich Bürger, Sänger, zu uns bekennen, unsere Uniformen tragen und sich darstellen und so geben, denn der Bürger im Konzertsaal, der weiß das nicht, der meint das sind alles Polizeiangehörige."
Manchmal, sagt Günther Zillner, müsse man ein paar Herren allerdings daran erinnern, dass sie Uniform tragen. Denn selbst ein locker aufgeknöpftes Hemd verwundere manchen Bürger, es seien ja Staatsbeamte, und die haben sich ordentlich zu benehmen. Eine Uniform verpflichtet. Kurt König macht sie stolz. Früher arbeitete bei einer Versicherung, heute ist er in Rente:
"Ich fühle mich sehr wohl in dieser Uniform, man kommt sich um 15 Jahre jünger vor. Man hat alle Kollegen im gleichen Dress, wie beim Sport, und da fühlt man sich in der Gemeinschaft wohl."
Dass Franken Seemannslieder singen, daran haben sie sich hier gewöhnt. Aber wenn ein Shantychor der Polizei Kirchenlieder singt, muss schon etwas Besonderes anstehen: eine Konzertreise in den Vatikan. Bei der Generalaudienz des Papstes werden die Herren nämlich kein Seemannslied singen, sondern eine eigens für den Chor geschriebene Version des Fatíma-Liedes "Kinder dieser Erde". Zu Weihnachten hat es der Shanty-Chor in Nürnberg uraufgeführt. Dann bekam Klaus Lehnert ein Fax aus dem Vatikan:
"Ein ganz unscheinbares. Erst einmal hab ich es nicht glauben können, eine Einladung mit dem Logo vom Papst."
Ein Polizeibeamter ist an seltsame Schreiben gewöhnt. Er überprüft, bevor er etwas hinnimmt.
Klaus Lehnert: "Und hab da drauf mich gemeldet und geantwortet, die Nummer hat auch gestimmt, und ich bekam wieder eine anständige Antwort."
Der Nürnberger Shanty-Chor der Wasserschutzpolizei wird am 10. Juni auf der Freitreppe des Vatikans ein geistliches Lied vor vielen tausend Menschen und vor dem Papst singen. Wenn er darüber nachdenkt, findet Klaus Lehnert das gar nicht so ungewöhnlich:
"Durch dass das wir einen deutschen Papst haben, dessen Vater war Polizeibeamter in Passau, und er ist stolz, wenn das ein Polizeichor singt."
Wenn alles gut läuft und der Papst nach der Audienz Zeit hat, dann werden sie für ihn Seemannslieder singen. Unter den Fresken von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle.
Lehnert: "Da will er sich eine halbe Stunde Zeit nehmen, das wäre die absolute Krönung."
Service:
Der Nürnberger Shanty-Chor der Wasserschutzpolizei sucht zurzeit neue Sänger.
Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.
Joachim Stahl: "Man kann zwar im Binnenland wohnen, aber deswegen können einem die Shantys gut gefallen."
Günther Zillner: "Sie gefallen mir, weil sie ins Ohr gehen, und sie können in jedem Konzertsaal ein gewissen Klientel beobachten, da gehen die Lippen mit. Diese Lieder sind bekannt!"
Klaus Lehnert: "Seemannslieder, die kennt in jeder Sprache jeder. Man kann wunderbar singen und im Nu hat man einen Fanclub zusammen."
Wie kommen denn Seemannslieder nach Franken? Auf diese Frage hat Klaus Lehnert, der Vereinsvorsitzende, schon gewartet:
"Nun, wir haben einen großen Hafen, einen Staatshafen in Nürnberg, und wir haben den Rhein-Main-Donaukanal durchgängig. In Bayern gibt es 852 Kilometer Wasserstraßennetz, das ist eines der größten zusammenhängenden Wasserstraßennetze Europas."
Wasser also gibt es genug für Seemannslieder.
Günther Zillner ist Gründungsmitglied des Chores. Er hat ein altes Foto vom Polizeichor Nürnberg mitgebracht, es zeigt Männer in grünen Uniformen. Drei fallen auf, sie tragen blaue Jacketts mit goldenen Knöpfen in zwei Reihen. Es sind die Kollegen der Wasserschutzpolizei; sie wollten keine grüne Uniform anziehen.
Günther Zillner: "Viele Sänger waren bei der Kriegsmarine, denen das Liedgut Seemannsromantik zum Teil näher stand. Und so hat sich ergeben, dass man in lockerer Runde mehr fröhliche Seemannslieder gesungen hat als Bergsteigerlieder. Und so kam der Gedanke, wir sollten Shantys singen. Das stieß bei der Vorstandsschaft auf Widerstand, ist ja klar."
Deshalb gründeten die Männer in blauer Uniform am 7. März 1990 ihren eigenen Chorverein, den Nürnberger Shanty-Chor der Wasserschutzpolizei. Zwar gebe es zwischen den beiden Chören "nicht das beste Verhältnis”, sagt Klaus Lehnert, aber man nehme sich nichts weg. Der eine singe eben anspruchsvolle geistliche Lieder ...
Klaus Lehnert: "Und wer maritim ist und ein bisschen lebhaftere Musik genießen möchte, ist im Shanty-Chor gut aufgehoben."
Jeden Mittwochabend trifft sich der Chor für zwei Stunden zur Probe im Lehrsaal der Bereitschaftspolizeiabteilung Nürnberg, viele reisen aus dem Umland an. Es singen inzwischen nicht nur Wasserschutzpolizisten im Chor, nicht einmal nur Polizisten, sondern auch Männer, die außerhalb des Chores nie Uniform tragen.
Günther Zillner: "Das ist vom Ministerium genehmigt. Da sind wir eigentlich stolz, dass sich Bürger, Sänger, zu uns bekennen, unsere Uniformen tragen und sich darstellen und so geben, denn der Bürger im Konzertsaal, der weiß das nicht, der meint das sind alles Polizeiangehörige."
Manchmal, sagt Günther Zillner, müsse man ein paar Herren allerdings daran erinnern, dass sie Uniform tragen. Denn selbst ein locker aufgeknöpftes Hemd verwundere manchen Bürger, es seien ja Staatsbeamte, und die haben sich ordentlich zu benehmen. Eine Uniform verpflichtet. Kurt König macht sie stolz. Früher arbeitete bei einer Versicherung, heute ist er in Rente:
"Ich fühle mich sehr wohl in dieser Uniform, man kommt sich um 15 Jahre jünger vor. Man hat alle Kollegen im gleichen Dress, wie beim Sport, und da fühlt man sich in der Gemeinschaft wohl."
Dass Franken Seemannslieder singen, daran haben sie sich hier gewöhnt. Aber wenn ein Shantychor der Polizei Kirchenlieder singt, muss schon etwas Besonderes anstehen: eine Konzertreise in den Vatikan. Bei der Generalaudienz des Papstes werden die Herren nämlich kein Seemannslied singen, sondern eine eigens für den Chor geschriebene Version des Fatíma-Liedes "Kinder dieser Erde". Zu Weihnachten hat es der Shanty-Chor in Nürnberg uraufgeführt. Dann bekam Klaus Lehnert ein Fax aus dem Vatikan:
"Ein ganz unscheinbares. Erst einmal hab ich es nicht glauben können, eine Einladung mit dem Logo vom Papst."
Ein Polizeibeamter ist an seltsame Schreiben gewöhnt. Er überprüft, bevor er etwas hinnimmt.
Klaus Lehnert: "Und hab da drauf mich gemeldet und geantwortet, die Nummer hat auch gestimmt, und ich bekam wieder eine anständige Antwort."
Der Nürnberger Shanty-Chor der Wasserschutzpolizei wird am 10. Juni auf der Freitreppe des Vatikans ein geistliches Lied vor vielen tausend Menschen und vor dem Papst singen. Wenn er darüber nachdenkt, findet Klaus Lehnert das gar nicht so ungewöhnlich:
"Durch dass das wir einen deutschen Papst haben, dessen Vater war Polizeibeamter in Passau, und er ist stolz, wenn das ein Polizeichor singt."
Wenn alles gut läuft und der Papst nach der Audienz Zeit hat, dann werden sie für ihn Seemannslieder singen. Unter den Fresken von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle.
Lehnert: "Da will er sich eine halbe Stunde Zeit nehmen, das wäre die absolute Krönung."
Service:
Der Nürnberger Shanty-Chor der Wasserschutzpolizei sucht zurzeit neue Sänger.
Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.