Singende Kinder

Lieder bleiben im Gehirn − ein Leben lang

Rundfunkchor Berlin
Beim gemeinsamen Singen gelingt Kindern vieles, woran es beim Sprechen noch hapert. © Rundfunkchor Berlin / Peter Adamik
Von Annette Weiss · 30.06.2015
Bei der Liederbörse stellen sich einmal im Jahr Berliner Schulchöre und die Chöre der Initiative SING! des Rundfunkchores Berlin vor. Im Konzert mit den Profis erleben schon Grundschüler die Faszination von Mehrstimmigkeit und Klangintensität.
Lied des Marmottenbuben: "Nun lasst mich nicht so gehen, ihr Herren... die Burschen und essen und trinken gerne."
Olga Kissilewa dirigiert mit großen Gesten die 24 Mädchen und den einzigen Jungen des Chores der Grundschule unter dem Regenbogen aus Marzahn. Bei der Generalprobe in der Philharmonie feilt die Chorleiterin an Aussprache, Klang und Einsatz:
"Anfang der Strophe einfach aufpassen: (singt vor) ich komme schon, nun lasst mich nicht, ich komme schon. Bis zum Samstag ein bisschen wiederholen, wir sind fertig."
Das Lied des Marmottenbuben von Beethoven hat Olga Kissilewa ausgesucht. Eine Herausforderung für Isabella, Jamie, Charlotte und Finn, denn die Dritt- bis Viertklässler hören sonst eher Popsongs. Das Singen im Chor ist etwas Besonderes:
− "Ich finde solche Lieder schön, weil sie mehr Gefühl haben und nicht so rausschreiend sind."
− "Also es ist für mich so ein bisschen Neuland. Also, klingt mir fremd."
− "Ich finde es auch toll, und immer wenn ich solche Lieder höre, frage ich mich, welche Sprache das ist."
− "Im Radio kommen ja nur so Lieder von Erwachsenen, aber dass Kinder auch so gut singen können ..."
Beim Singen gelingt den Schülern vieles, woran es beim Sprechen noch hapert, weiß Musiklehrerin Sylvia Bittner:
"Wir haben Kinder, die mit Inklusion mit uns lernen, also auch sprachliche Probleme haben, auch von der Artikulation, beim Singen verschwindet das fast vollständig, und sie sind so integriert, dass man sagen kann, sie gehören zur großen Gruppe dazu und fühlen sich entsprechend gut."
Zwei Tage später, kurz vor dem Konzert. Die Mädchen haben sich herausgeputzt, fast alle tragen Kleider und Sandalen und haben die Haare geflochten. Beim Marmottenchor der Grundschule am Regenbogen steigt das Lampenfieber:
"Jaaa – aber ich bin daran gewöhnt, weil ich letztes Jahr auch schon einen Auftritt hatte."
"Ich bin aufgeregt, ich freue mich auch sehr doll."
"Habt ihr nochmal geübt? − Ja, wir proben ja jetzt auch nochmal ein bisschen und danach – also, wir schaffen's."
Singen: "Springt da Hirsch übern Bach"
In einer ruhigen Ecke des Foyers proben Ferdinand, Elena und Sophie aus der Zinnowwaldschule. Ein bayerischer Hirsch, der ist für die Schüler aus Zehlendorf ein regelrechter Zungenbrecher.
Sophie/Elena: "Naja, wir haben es trainiert und wir haben es gelernt jetzt, In der dritten und vierten Strophe, da ist noch eines, Dirndl... – Dirndlbirndlbladl das ist richtig schwer, das schnell auszusprechen: Dirndlbirndlbladl."
Mit einem türkischen Volkslied eröffnen der Rundfunkchor Berlin und alle sieben Schulchöre das Konzert. Manche Schüler öffnen nur zaghaft den Mund, andere singen deutlich mit, wie Elena und Ferdinand. Können sie denn türkisch?
Elena/Ferdinand: "Nee, also Die Sprache kann ich nicht, aber das Lied kann ich mittlerweile, weil wir es ganz oft geübt haben, aber ich bin auch froh, wenn wir im Chor mal wieder ein deutsches Lied singen. Ich finde es prima, endlich mal 'ne Auslandssprache und wenn man einen türkischen Freund hat oder Freundin, dann kann man das mal vorsingen."
Nicolas Fink dirigiert für die Liederbörse den Rundfunkchor Berlin. Er hat ein Lied aus seiner Schweizer Heimat ins Repertoire aufgenommen:
"Das Lied heißt "Le renz de vaches" und der Text im Refrain ist: Lioba Bora Jo.. Joba. Bora Jo. Das heißt so viel wie "Kühe, kommt mal runter, ihr werdet jetzt gemolken!" (Kinder lachen)
Das Motto "Heimat" für die Erst- bis Sechstklässler hat Nicolas Fink gewählt. Denn Heimatlieder liegen ihm am Herzen:
"Ich glaube, wenn wir Kinderlieder singen, dann vermitteln uns diese Heimatlieder auch ein ganz starkes Gefühl von Geborgenheit. Das setzt sich ganz stark fest in unserem Gehirn und es bleibt für den Rest unseres Lebens da, man erinnert sich auch interessanterweise an die Strophen und Texte von früher, und ich glaube, das ist wichtig, dass Kinder diese Lieder auch singen."
Singen im Schulalltag einzubinden, ist dem Rundfunkchor wichtig, genauso das Singen ohne Noten, aber mit viel Bewegung. Besonders bei den Grundschülern funktioniert das Textlernen über die passende Choreografie.
Musik: "Eins, zwei drei wer hat den Ball - wem gehört die Erde?"
Auftritt der Peter-Petersen-Schule aus Neukölln: die rund 60 Kinder aus sechs verschiedenen Klassen wiegen und drehen sich, fassen sich an den Händen, schwingen die Arme über Kreuz und klatschen. Sie singen deutsch, englisch, türkisch und arabisch.
Im Chor der Neuköllner Schule singen Kinder aus zehn Nationen. Für Vanessa, Paula, Isabella und Sophie ist Heimat ...
− "Wo meine Familie ist und ich mich wohlfühle."
− "Aber hier ist das ist ganz anders als in Russland, in Russland gibt es ganz viel Natur, die Häuser sind ein bisschen altmodisch, aber die sind trotzdem schön. Essen in Russland ist auch ganz anders."
− "Ich wohne ja in Neukölln und dort ist ja auch meine Schule und ich finde es ... dort haben wir auch einen kleinen Garten, den wir uns mit anderen teilen."
− "Mein Papa kommt ja aus einem anderen Land, aus Nicaragua in Amerika, und da gibt es immer so schöne spanische Lieder."
Musik Peter-Petersen-Schule: "Wir sind Kinder einer Welt"
(Starker Applaus)
− "Es hat so Spaß gemacht bei Chor."
− "Super, ich fand es sehr schön, ich war das erste Mal dabei, es hat mir sehr gut gefallen."
− "Sehr schön, dass die Kinder integrieren sich zusammen."
− "Meine Tochter das erste Mal singen zu hören in so einem Chor, war toll."
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