Singen für den Sponsor

Von Stefan Keim |
Der Punkmusiker und Regisseur Schorsch Kamerun inszeniert am Theater Oberhausen einen Wettkampf zwischen Theaterleuten und Fußballern um die Gunst eines reichen Investors aus dem Nahen Osten. Die Idee hat großen Charme.
"Sehen Sie die Frau mit der roten Jacke?" Die Schauspielerin zeigt aus dem Fenster des Busses. "Die hat 7500 Euro Schulden." Die Dame wurde nicht ausspioniert, wenn man die Verbindlichkeiten der überschuldeten Stadt Oberhausen auf die Bürger verteilen würde, käme diese Summe heraus. Ein Damoklesschwert schwebt über der Kommune. Einige Bäder sind bereits geschlossen worden, in den anderen wurde die Wassertemperatur abgesenkt, Busse fahren nur noch bis 21 Uhr. Für das Theaterprojekt "Abseitsfalle" des Punkmusikers und Regisseurs Schorsch Kamerun machen die Verkehrsbetriebe eine Ausnahme. Denn die Zuschauer werden in die Sporthalle der Gesamtschule im Stadtteil Osterfeld kutschiert, um einem skurrilen Wettkampf beizuwohnen.

Ein reicher Investor aus Abu Dhabi ist bereit entweder den Fußballclub Rot-Weiß Oberhausen – in der 2. Bundesliga in der unteren Tabellenhälfte zu finden – oder das Stadttheater zu finanzieren. Zwei Teams dieser Institutionen kämpfen nun in einer "Vier-Chancen-Tournee" – Schorsch Kamerun mag Wortspiele – gegeneinander. Sie malen, singen und tanzen für den Sponsor, beide Gruppen führen die erste Szene aus Shakespeares "König Lear" auf. Die Botschaft: Ein neuer Herrscher ist willkommen im Ruhrgebiet.

Die Theatermannundfrauschaft besteht nicht nur aus Schauspielern, sondern auch aus dem Pförtner, einer Dramaturgin und einem befreundeten Unternehmer. Die Profifußballer von Rot-Weiß machen nicht mit, dafür Fans, eine Spielerfrau und der "Präsi" Hajo Sommers, der mit blauen Strumpfhosen, klassischem Wams und traditionellem "Hömma"-Dialekt einen hinreißend volksnahen Lear spielt. Das Fußballteam hinterlässt mit natürlicher Spielfreude und mit heißem Herzen vorgetragenen falschen Tonfällen den besseren Eindruck. Aber auch die Theaterleute schlagen sich gut mit einem schrägen Opferfest, in dem sie sich geißeln und mancherlei seltsame Rituale aufführen, um sich für den neuen Geldgeber seelisch und körperlich zu reinigen.

Der Abend fängt stark an. Die Idee hat großen Charme, der allgegenwärtigen, das Ruhrgebiet fast schon erdrückenden Finanzkrise einmal nicht mit Diskussionen und Demonstrationen, sondern mit einer Theaterperformance zu begegnen. Der Sängerbund der geschlossenen Gute-Hoffnungs-Hütte bereichert die Vorstellung mit einem Arbeiterchor im Eisler-Stil und singt auch die Huldigung an "Arab Petrol" des Stadttheaters mit. Doch bei allem Spaß gerät die Ernsthaftigkeit der Krise aus dem Blick, die Satire hat wenig Biss. Schorsch Kamerun hat eine große Begabung im Umgang mit Menschen, gerade die Leute, die sonst nicht auf der Bühne stehen, fühlen sich erkennbar wohl. Doch dadurch bekommt die Aufführung eine Kuscheligkeit, die auf Dauer nicht zuträglich ist.

Am Schluss fehlt eine gute Pointe. Da lässt der Schauspieler Marek Jera mit dschinnblau geschminktem Gesicht und langem Märchenkinnbart das Publikum abstimmen. Er zählt gar nicht nach, erklärt das Theater zum Sieger, da klingelt das Telefon. Aus ökonomischen Gründen, sagt der Sultan, geht das Geld doch an den Fußballverein. Das war´s, der Aufführung geht die Luft aus. Dabei hätte zum Beispiel die Wendung auf der Hand gelegen, dass auch der arabische Sponsor inzwischen verarmt ist und um einen Job als VIP-Betreuer bei Rot-Weiß bettelt. (Nur als Vorschlag.)

Die Rückfahrt macht wieder Spaß. Da vermengt ein Schauspieler per Bussprechanlage Dürrenmatts "Besuch der alten Dame" mit Kommentaren zum nächtlichen Oberhausen. An einer Haltestelle steigt eine Milliardärin ein, die Hoffnung der Stadt. Aber es gehört ihr schon alles: das Kaufhaus, die Tankstelle, der Videoladen, sogar McDonald´s. Sie hat die Stadt aus Langeweile aufgekauft und lässt sie nun verrotten. Vielleicht bleibt in der Krise ja doch nur noch das Kuscheln. Wenn bald im Kulturhauptslum Ruhr 2010 die Lichter und die Heizung ausgehen.
Karte und Infos: 0208 – 8578 184. www.theater-oberhausen.de
"Abseitsfalle" am Theater Oberhausen