"Sing Street" - Musikfilm von John Carney

Rock 'n' Roll bedeutet Risiko

Von links: Die Schauspieler Jack Reynor, Ferdia Walsh-Peelo, Lucy Boynton und Mark McKenna bei der Premiere von "Sing Street" auf dem Sundance Festival.
Von links: Die Schauspieler Jack Reynor, Ferdia Walsh-Peelo, Lucy Boynton und Mark McKenna bei der Premiere von "Sing Street" auf dem Sundance Festival. © picture alliance / dpa / EPA / GEORG FREY
Von Anna Wollner · 25.05.2016
Mit "Sing Street" kehrt Regisseur John Carney zurück ins Kino. Bekannt wurde Carney mit dem oscarprämierten Film "Once" in 2007. Mit "Can A Song Save Your Life" produzierte Carney eine Hipster-Wohlfühl-Romanze, die in New York angesiedelt ist.
Es ist die älteste Geschichte der Welt, die Regisseur und Drehbuchautor John Carney hier erzählt. Auf den ersten Blick zumindest.
O-Ton Film: "Willst du in einem Video mitspielen? Für meine Band. Du bist in ner Band? Ja."
Boy meets Girl - Junge trifft Mädchen. Aber das Mädchen bleibt unbeeindruckt:
"Wenn du ne Band hast, sing mir was vor. Take on me. Weiter weiß ich nicht."
Und ihm bleibt mit gemeinsam mit seinen Klassenkameraden nur eines übrig.
"Wir müssen ne Band gründen. Was?"
"Sing Street" erzählt auf ganz wunderbare Art und Weise die Geschichte des 14-jährigen Conors, der im Irland der 80er-Jahre aufwächst, von heute auf morgen die Schule wechselt und sich im Haifischbecken Klassenzimmer behaupten muss. Sein einziger Halt im pubertären Chaos sind seine Band "Sing Street", die Liebe zu einem unerreichbaren Mädchen und die Lebensweisheiten seines älteren Bruders.
"Rock 'n' Roll bedeutet Risiko. Du riskierst dich lächerlich zu machen. Aber ich kann keine Songs schreiben. Mach die Tür zu und setz dich. Das wird ne verdammt lange Nacht. Ich muss morgen zur Schule. Das ist Schule."
Die Coming-Of-Age-Geschichte ist ein visuell-musikalischer Ritt durch die 80er, von New Romantics bis Synthie-Pop, von Joe Jackson, Duran Duran und Motorhead zu The Cure.
Die Jungs um Conor kopieren schamlos in modischen Stilfragen und musikalisch bei ihren großen Idolen.
"Wir sind noch Anfänger. Wir müssen erst lernen wie man spielt. Haben die Sex Pistols gelernt wie man spielt? Ihr müsst überhaupt nichts lernen. Seid ihr Steely Dan? Ihr müsst nur lernen wie man nicht spielt, Connor. Das ist der Trick."
Und doch schreiben sie auch eigene Songs, drehen ganz laienhaft und überambitioniert Musikvideos, um ihre Gefühle zu verstehen und in den Griff zu bekommen.
John Carney erzählt mit "Sing Street" eine autobiographisch geprägte Geschichte, von seiner eigenen Jugend in Dublin Mitte der 80er Jahre. Für den 44-jährigen Regisseur eine ganz bewusste Zeitreise zurück in die eigene Vergangenheit.
John Carney: "Es war erschreckend. Auf der einen Seite haben wir uns zurück in eine Zeit versetzt, in der Irland im wirtschaftlichen Abschwung war. Es war eine Zeit, in der die Kirche noch viel zu sagen und das gesellschaftliche Leben fest in der Hand hatte. Eine Zeit, in der man sich nicht scheiden lassen durfte, in der Homosexualität strafbar war. Das war also schon mal beängstigend. Und dann die Mode. Seien wir doch mal ehrlich, klamottentechnisch waren die 80ziger ein katastrophales Jahrzehnt."
Andererseits, so sagt Carney, waren die 80er das letzte große Jahrzehnt der Popmusik. "Sing Street" ist eine Huldigung, eine cineastische Verbeugung vor eben dieser musikalischen Epoche.

Eine Ode an die 80er-Jahre

Gemeinsam mit dem schottischen Songwriter und Produzenten Gary Clark hat Regisseur Carney für den Film acht Songs geschrieben und produziert. Songs, die das Seelenleben der pubertierenden Figuren widerspiegeln. Songs über Zukunftsängste, Mädchen und Schulprobleme.
John Carney: "Ich bin ja nur Hobbymusiker. Klar war ich vor ein paar Jahren mal in einer Band, aber das war eine Erfahrung, die ich im nach hinein bereue. Das ständige Touren, der Umgang mit Plattenfirmen, das war nichts für mich. Ich wollte meine Berufung, mein Talent nicht zur Arbeit machen. Als wir dann mit der Arbeit am Film anfingen, bin ich mein Iphone durchgegangen und fand über fünfzig verschiedene Melodien, die ich über die Jahre geschrieben habe. Ein paar waren nur Refrains, ein paar richtig mit Strophen. Ich bin also mit diesen halbfertigen Ideen zu Gary gegangen. Mal hier eine Zeile, da mal ein Vers den ich mochte und aus dem er dann einen ganzen Song machen musste. Um ehrlich zu sein, blieb die ganze Arbeit an ihm hängen und er hat dafür gesorgt, dass die Songs gut klingen."
Aber gerade da gab es bei den Dreharbeiten die größten Herausforderungen. Die Musik durfte nicht perfekt klingen. Für den authentischen Sound einer jungen Band mussten die angeheuerten Studiomusiker absichtlich falsch spielen.
John Carney: "Das ist schon lustig, denn man bittet ausgebildete Musiker die Töne absichtlich nicht zu treffen und naiver zu spielen. Nur verbringt ein Musiker den Großteil seines Lebens damit besser zu werden. Das wieder loszuwerden dauert. Um schlecht spielen zu können, muss man erstmal überhaupt gut spielen können. Sonst ist es nur Krach. Ich wollte auf keinen Fall, dass die Musik schlecht klingt. Das Potential der Band sollte von Anfang an durchschimmern. Sie sollten keine austauschbare, durchschnittliche Schulband von nebenan sein. Ich wollte keinen Film mit Scheißmusik machen."
Das ist "Sing Street" auch nicht geworden. Vielmehr ist der Musikfilm melancholisch und energiegeladen zugleich. Eine Ode an die 80ziger, die Jugend und die Liebe. Ein Film mit Ohrwurmgarantie
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