"Sing into my mouth"

Wie ein Mixtape für einen guten Freund

Der aus South Carolina stammende Singer-Songwriter Sam Beam
Der aus South Carolina stammende Singer-Songwriter Sam Beam © dpa / EPA / Kabir Dhanji
Von Diviam Hoffmann · 15.07.2015
Sam Beam und Ben Bridwell gingen bisher eigene Wege: Beam mit wechselnder Begleitung unter dem Pseudonym Iron & Wine, Bridwell mit der Band Of Horses. Nun haben die beiden gemeinsam etwas auf die Beine gestellt und besinnen sich dabei auf Altbewährtes.
Vielleicht kennen Sie das. Sie haben einen besonderen Freund – oder eine besondere Freundin, mit der Sie seit Jahren Musik austauschen. Wahrscheinlich ist das sogar jemand, den Sie nicht so oft sehen. Irgendwann erstellte man Mixkassetten oder CDs. Auch wenn diese Form der musikalischen Kommunikation heute irgendwie aus der Mode gekommen zu sein scheint – die Freundschaft von Ben Bridwell und Sam Beam verband lange genau das.
"Ben und ich sind in der selben Stadt groß geworden, ich bin mit seinem älteren Bruder zur Schule gegangen, und wir waren gute Freunde. Abends haben wir zusammen rumgehangen und Musik gehört. Wir haben uns einfach gut verstanden, weil wir einen ähnlichen Zugang zur Musik hatten. Wir haben uns dann beide am Beginn unserer Karrieren geholfen – er hat mir meinen ersten Plattenvertrag bei Sub Pop verschafft, sowie ich ihm später mit der Band Of Horses. Wir haben uns gegenseitig immer unterstützt."
Um sich nicht aus den Augen zu verlieren, tauschten sie Musik aus. Neue Entdeckungen, aber bald auch, was sie selbst produzierten: Ben Bridwell schickte Demos von seiner Band Of Horses und Sam Beam zeigte ihm die Ideen für Iron & Wine. 13 Jahre ist es her, dass Iron & Wine sein erstes Album aufnahm – sein bekanntester Song bis heute ist „Such Great Heights" – eine Coverversion.
Sam Beam alias Iron & Wine ist ein oft ernst schauender Mann mit viel Bart, ein Akademiker im Holzfällerhemd, bei dem man immer wieder überrascht ist, was für sanfte Töne aus ihm herauskommen, wenn er singt.
Der Indie-Rock-Musiker Ben Bridwell, Kopf der "Band of Horses"
Der Indie-Rock-Musiker Ben Bridwell© dpa / Keystone / Gian Ehrenzeller
Aufarbeitung gemeinsamer musikalischer Leidenschaften
Viele Jahre nach dem Beginn der Freundschaft erscheint nun also die erste Zusammenarbeit: Beam und Bridwell machen sich an die Aufarbeitung ihrer gemeinsamen musikalischen Leidenschaft und nehmen Cover der Songs auf, die sie geprägt haben. Einige Stücke davon haben sie schon als Jugendliche, Bier trinkend, bei Bridwell zu Hause gehört.
Der Blick auf die Playlist verrät auch die musikalischen Wurzeln der beiden – bluesiger Country, alte Folksongs, Southern Rock – vor allem aus den 1970er Jahren. Das Album eröffnet aber ein Song der New Wave-Gruppe Talking Heads.
"Ich habe kein Problem damit, die Musik komplett umzuarbeiten, bis man sie kaum mehr erkennt. Aus irgendwelchen Gründen aber ist der Text heilig für mich. Ich kann Teile des Textes wiederholen oder weglassen, aber nicht komplett verändern – das ist das einzige, das unantastbar ist."
Als Eröffnungssong beinhaltet das Talking-Heads-Stück den Titel der Platte: "Sing Into My Mouth" – einerseits ein ironischer Verweis auf ihr Cover-Album, auf dem sie Worte Anderer singen. Andererseits steckt darin das Zusammenspiel mit dem Gegenüber – das Album entsteht zu zweit und hat einen Referenzpunkt in einer musikalischen Tradition. Sam Beam schätzt die Möglichkeiten, die einem Musik an die Hand gibt, die bereits in einem anderen Rahmen erschienen ist.
"Alle diese Songs sind wie Skripte für Theaterstücke, sind bereit, interpretiert zu werden. Und es sind gute Skripte, die uns viel bedeuten. Dieser Teil war sehr einfach: Schau, was du aus diesen starken Songs machen kannst, was im Original vielleicht noch nicht da war."
Beam und Bridwell setzen Durakkorde in Moll, bauen Atmosphäre und Stimmungen um, ergänzen Klänge und Instrumente – bis ihre ganz eigene Version der Musik entsteht, die sie seit über 20 Jahren begleitet. Nicht nur New Wave von den Talking Heads ist dabei, auch der stimmungsvolle Soul von Sade oder süßer Pop aus den 2000ern.
Konsistentes und logisches Ergebnis
Bei Sam Beam und Ben Bridwell wird aus dem Stück von El Perro del Mar ein sehnsuchtsvoller Song. Die vier repetitiv wiederholten Zeilen des Originals werden musikalisch durch verschiedene Gitarrenstimmen ergänzt, die den Gesang von Bridwell und Beam zu umkreisen scheinen. Sphärisch und ätherisch legen sich die Spuren um den Zuhörer.
"Das Stück kam von mir. Ich erinnere mich an die Zeit als der Song herauskam und viel im Radio gespielt wurde. Es ist so eine schöne, kleine und simple Melodie mit einem verheißungsvollen Text. Mir kamen sofort viele verschiedene Orte in den Sinn, meine Gedanken gingen buchstäblich auf eine Reise."
Für Sam Beam ist es spannend, genau diesen Song in einer dunklen, gebrochenen Atmosphäre zu interpretieren – eine Ebene, die das Original mitgibt, aber nicht in den Vordergrund stellt.
Auch wenn die Zusammenstellung der originalen Songs ungewöhnlich erscheinen mag, wirkt das Ergebnis konsistent und logisch. Der Sound der beiden Musiker tut sein übriges, ihre folkige und gefühlvolle Handschrift bleibt immer erkennbar. Wer befürchtet, dass dadurch so unterschiedlichen Songs eine gleichmachende Hülle übergestülpt wird, kann beruhigt sein. Am Ende behalten die Songs auf "Sing Into My Mouth" ihre Verschiedenheit und fügen sich zu einem Ganzen – wie bei einem guten Mixtape, das man für einen Freund oder eine Freundin zusammenstellt.
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