Sinfonische Musik mit dem DSO Berlin

Musikalische Heldentaten

Der Pianist Jan Lisiecki
Der Pianist Jan Lisiecki © Mathias Bothor/DSO
28.06.2015
Heldentaten stehen zum Spielzeitende beim DSO Berlin auf dem Programm: Der junge Pianist Jan Lisiecki spielt Frédéric Chopins erstes Klavierkonzert. Ludwig van Beethovens „Egmont"-Ouvertüre und Richard Strauss' „Ein Heldenleben" bilden den Rahmen.
Das tragische Schicksal des Grafen Egmont, der Geniestreich des jugendlichen Frédéric Chopin, interpretiert von dem ebenso jugendlichen Jan Lisiecki, und die Helden(selbst)verehrung des früh gereiften Richard Strauss – das sind die drei Facetten musikalischer Heldengeschichten, die Tugan Sokhiev, der Chefdirigent des DSO, mit seinem Orchester zum Abschluss der Spielzeit präsentiert.
Im Herbst 1809 erhielt Ludwig van Beethoven den Auftrag, für eine Aufführung von Goethes Trauerspiel „Egmont" am Wiener Burgtheater eine Schauspielmusik zu schreiben. Goethes Tragödie vom Scheitern des niederländischen Grafen Egmont von Gavre – seine vergebliche Auflehnung gegen die spanische Fremdherrschaft Mitte des 16. Jahrhunderts und seine Hinrichtung als Hochverräter – trafen bei Beethoven auf einen politischen Nerv, stand doch auch Wien zu dieser Zeit unter napoleonischer (Fremd-)Herrschaft. Beethovens Opus 84 genießt heute nicht gerade überragenden Zuspruch, Beethoven selbst schätzte sein Werk aber hoch ein. Und zumindest die Ouvertüre hat es jenseits des Schauspiels auf das Konzertpodium geschafft.
Von politischen Tragödien ist in Richard Strauss' Tondichtung „Ein Heldenleben" hingegen keine Rede. Der „Held" hat sich rein musikalisch zu bewähren – einerseits gegen Krämerseelen, die ihn mit geräuschhaften und (wie der Ausdruck damals lautete) „kakophonen" Klängen traktieren, andererseits später gegen massive Angriffe von Blech und Pauken. Und natürlich spielt auch die Liebe eine Rolle in diesem Künstlerdrama.
Dieser Held trägt eine musikalische Kennung, die verdächtig an Beethovens „Eroica" erinnert, zahlreiche weitere Anspielungen lassen aber wenig Zweifel daran aufkommen, dass die Tondichtung wesentliche autobiographische Züge trägt. Im Abschnitt „Des Helden Friedenswerke" zitiert Strauss aus seinem eigenen Oeuvre. Weshalb „Ein Heldenleben" bis heute nicht wenigen Zuhörern als Beispiel für das überbordende Ego des Komponisten gilt. Richard Strauss selbst hat das allerdings von sich gewiesen: „Ich bin kein Held. Mir fehlt die nötige Kraft; ich bin nicht für die Schlacht gemacht; ich ziehe es vor, mich zurückzuziehen, Ruhe und Frieden zu genießen."
Als er sein „Heldenleben" schrieb, war Richard Strauss, der Frühvollendete, gerade einmal 34 Jahre alt. Als Frédéric Chopin seine beiden Klavierkonzerte zur Uraufführung brachte, war er 20. Genauso alt ist Jan Lisiecki, der im Abschlusskonzert des DSO den Solopart im Klavierkonzert Nr. 1 e-Moll op. 11 spielt. Und seit Jahren schon überschlagen sich einige Kritiker vor Begeisterung, wenn sie über die technischen und musikalischen Fähigkeiten des jungen Mannes schreiben. Die Skala reicht vom „Teenie-Genie" (das vor wenigen Wochen gewissermaßen zum „Twen-Genie" avancierte) bis zum „jungen Wilden".
Geboren ist Jan Lisiecki im kanadischen Calgary. Seine Eltern stammen aus Polen – und so führt für den außerordentlich begabten jungen Pianisten natürlich kein Weg an der Musik Frédéric Chopins vorbei. Seine erste CD-Veröffentlichung waren die beiden Klavierkonzerte, seine dritte CD eine Gesamtaufnahme der Etüden des polnischen Klavierkomponisten.
„Das kann man sich kaum vorstellen, so eine Reife und Kraft in diesem Alter", sagt Lisiecki über das e-Moll-Konzert des gleichaltrigen Chopin. „Ich liebe den Anfang! Als Solist braucht man einige Geduld während der Introduktion, aber wenn man dann einsetzt, ist das überwältigend. Dieses Leid, dieser Schmerz! Später dann auch die Wendung ins Positive – das ist einzigartig." In der Konzertpause unterhält sich Julia Kaiser mit dem jungen Pianisten.
Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 27. Juni 2015
Ludwig van Beethoven
Ouvertüre aus der Musik zu Goethes Trauerspiel "Egmont" op. 84
Frédéric Chopin
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 e-Moll op. 11
ca. 20.55 Uhr Konzertpause, darin: Julia Kaiser im Gespräch mit Jan Lisiecki
Richard Strauss
"Ein Heldenleben" Tondichtung für großes Orchester op. 40
Jan Lisiecki, Klavier
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Tugan Sokhiev