Simbabwe vor der Wahl

Wie Theatermacher ein Tabuthema aufarbeiten

Von Leonie March · 29.07.2018
Ex-Präsident Mugabe selbst nannte es einen "Moment des Wahnsinns": das Massaker im Matabeleland mit 20.000 Toten. Seit dessen Sturz kocht dieses tabuisierte Thema in Simbabwe hoch. Vor allem ein Theaterstück sorgt dabei für Aufsehen.
Es ist still im Dorf. Doch der alte Mann kann die Stimmen der Gefolterten noch immer hören. Vor seinem inneren Auge sieht er, wie Familienmitglieder bei lebendigem Leib verbrennen. Er hört Granaten und Soldaten schreien: "Tötet sie alle!" Im Dorf sei es still, doch er werde nicht mehr länger schweigen, heißt es zu Beginn des Stückes "1983. Die dunklen Jahre".

Über 20.000 Menschen getötet

Thema ist ein traumatisches Kapitel der simbabwischen Geschichte: Gukurahundi, das Massaker an den Ndebele. Schätzungen zufolge hat eine Spezialeinheit der Armee damals über 20.000 Menschen getötet. Bis zu Mugabes Sturz im November sei dieses Thema tabu gewesen, betont Daves Guzha, der Leiter des "Theatre in the Park" in Harare:
"2012 ist das Stück verboten worden. Ich weiß gar nicht, ob diese Zensur noch in Kraft ist. Aber angesichts der größeren Meinungsfreiheit seit dem Putsch haben wir entschieden, es endlich auf die Bühne zu bringen. Es ist das erste Mal, dass eine öffentliche Auseinandersetzung mit den Gräueltaten von damals stattfindet. Bislang hieß es immer, man solle die Vergangenheit ruhen lassen. Doch das geht nicht. Man kann es weder unter den Teppich kehren, noch behaupten, es sei nie geschehen."

Die drastischen Szenen beruhen auf Zeugenaussagen

Die Darstellung auf der Bühne ist drastisch: Frauen werden vergewaltigt, ihre Kinder vor ihren Augen auf bestialische Weise umgebracht, ihre Männer öffentlich exekutiert. Die Schauspieler stammen selbst aus der Region, in der das Massaker verübt wurde. Die Szenen beruhen auf Zeugenaussagen und der Recherche von Menschenrechtlern.
Im Mittelpunkt steht eine junge Frauenfigur, die ihrer Familiengeschichte nachspürt. Im Namen der Opfer fordert sie eine Aufklärung und eine offizielle Entschuldigung. Nur durch Vergebung könne unser Land geheilt, vom Blut der Vergangenheit gereinigt werden und Frieden finden, sagt sie. Und spricht damit auch Daves Guzha aus der Seele:
"Bislang hatte es den Anschein, als ginge Gukurahundi nur das Matabeleland etwas an, wo dieses Massaker verübt wurde. Aber es betrifft ganz Simbabwe. Deshalb führen wir es auch in der Hauptstadt Harare auf. Hier wissen viele Bürger nur wenig darüber. Das liegt auch daran, dass damals eine Nachrichtensperre verhängt wurde. Aber heute müssen wir dafür sorgen, dass die gesamte Nation die Wut, Bitterkeit und Frustration der Opfer und ihrer Nachfahren versteht."

Schauspieler und Publikum diskutieren

Es hat Tradition in seinem Theater, dass Schauspieler und Publikum nach der Aufführung über das Stück diskutieren. Angesichts der Thematik wird diese Debatte besonders emotional geführt. Eine Zeitzeugin berichtet mit tränenerstickter Stimme von dem Tag, an dem Soldaten ins Haus ihrer Großmutter eingedrungen sind, um zu morden. Eine andere, findet es zu einseitig, immer nur die Perspektive der Opfer zu hören, und zweifelt die Fakten an. Und ein junger Mann betont die aktuelle politische Brisanz des Themas.
Emmerson Mnangagwa, der Präsident von Simbabwe
Emmerson Mnangagwa stürzte Robert Mugabe tritt nun zur Wahl an.© imago / Shaun Jusa
Emmerson Mnangagwa, der Mann, der Mugabe gestürzt hat und bei den Wahlen nun als Präsidentschaftskandidat antritt, war in den 80er-Jahren Minister für Staatssicherheit und Leiter des Geheimdienstes. Als solcher soll er für das Massaker mitverantwortlich gewesen sein, ebenso wie andere amtierende Regierungsmitglieder. Mnangagwa selbst bestreitet das.

Zeit reif für einen nationalen Dialog

Theatermacher Daves Guzha sieht die Zeit für einen nationalen Dialog gekommen: "Es sollte die vorrangige Rolle des Theaters sein, diese kritische Auseinandersetzung mit unserer künstlerischen Arbeit anzustoßen. Dazu laden wir sowohl die Bürger ein, als auch die Kommission für Frieden und nationale Versöhnung sowie Menschenrechtsorganisationen."
Ohne einen solchen Dialog kann auch die als historisch bezeichnete Wahl keinen wirklichen Neuanfang markieren. Die Regierungspartei muss sich auch unter neuer Führung mit ihren Altlasten beschäftigen. Mit Gukurahundi ebenso wie mit den Menschenrechtsverbrechen, der Korruption und Misswirtschaft unter Mugabe. Die Kulturschaffenden in Simbabwe sind bereit, ihren Beitrag zu diesem Dialog zu leisten.
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