„Silvio Forever“

Von Thomas Migge |
Renommierte Journalisten haben sich zusammen getan und zahllose, auch bislang unbekannte Fotos und Filmdokumente gesichtet, und daraus eine Filmbiografie des italienischen Medienzars gemacht. In Italien ist sie bereits im Kino angelaufen.
„Silvio ist so gütig, so generös. Alle, die ihn kennen, wissen das.“
Rosa Bossi Berlusconi starb vor einigen Jahren. Sie stand immer zu ihrem Silvio, „la mamma“, die, wie Berlusconi einmal mit Tränen in den Augen erklärte, einzige Frau, die er wirklich liebte.

Eine Mutter, die anscheinend bestimmte – nach den jüngsten Enthüllungen in Sachen Callgirls und Bunga bunga, Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen et cetera – private Umstände ihres Sohnemanns nicht wusste – oder nicht wissen wollte:
„Man wird nie ein Foto von Silvio sehen, wie er sich mit gewissen Frauen umgibt.“

Berlusconi und seine Mutter – das ist eines der vielleicht ergreifendsten Kapitel eines Films, der schon vor seinem Erscheinen für großes Aufsehen sorgt. Die Nicht-Berlusconi-Presse berichtet seit Tagen über den Film. Und Nicht-Berlusconi-Fernsehsender strahlen immer wieder den Trailer aus. Nur die öffentlich-rechtliche RAI spricht gar nicht über den Film. Kein Wunder, denn sämtliche RAI-Direktoren sind Personen von Berlusconis Gnaden.

„Silvio forever“ ist der erste Film über den Medienzaren. Eine Dokumentation aus bekanntem und bisher unbekanntem Filmmaterial. Regisseur ist Roberto Faenza, der 1996 mit seinem Film „Sostiene Pereira“ mit Marcello Mastroianni auch international bekannt wurde. Das Drehbuch zur Dokumentation schrieben zwei ausgewiesene Berlusconi-Experten: die Journalisten Sergio Rizzo und Gian Antonio Stella von der Tageszeitung „Corriere della sera“.

Regisseur Faenza träumte schon seit Jahren von einem Film über Silvio Berlusconi:
„Im Guten wie im Schlechten ist Silvio Berlusconi ein Star in diesem Land. Ich wundere mich, dass so ein Film nicht schon eher gedreht wurde.“

Faenza und die beiden Drehbuchautoren sichteten einen Riesenberg von Film- und Fotomaterial. Erzählt wird so die Lebensgeschichte Berlusconis, von der einfachen Kindheit – er war der Sohn eines Bankangestellten – über seine ersten finanziellen Abenteuer als Bauunternehmer über seinen Einstieg ins TV-Business und dann in die Politik.

Der Film fasziniert vor allem durch die vielen Einblicke in das Privatleben des reichsten Mannes seines Landes. Zum Beispiel in dieser Szene aus seiner Villa auf Sardinien, wo Berlusconi zusammen mit dem neapolitanischen Sänger Apicella ein Liedchen anstimmt. Das Publikum bilden viele junge Frauen und Männer. Ein Sommerfest.
Kritiker werfen den Filmmachern vor, dass ihre Biografie zu wenig über die Nähe Berlusconis zur Mafia, über seine illegalen Geschäfte und die Prozesse gegen ihn berichtet.

Sergio Rizzo, einer der Autoren des Films:
„Sicherlich ist seine Politik ein wichtiges Element, wenn man so einen Menschen darstellen will. Aber das ist nicht das einzige. Uns ging es vielmehr um die Frage, warum seit 16 Jahren so eine Person in Italien eine Mehrheit anspricht. In diesem Sinn ist unser Film eine journalistische Recherche.“

Intimes und Privates, Familienfotos und die Kunst berlusconischer Selbstdarstellungen, schon in den 80er-Jahren. Der Regierungschef als Medienikone, die aufgrund ihrer perfekten Selbstinszenierungsmechanismen Millionen fasziniert und sie von Dingen zu überzeugen weiß, die offensichtlich der Realität widersprechen.

Genau darum gehr es den Autoren: Sie wollen einen Mann vorstellen, der außerhalb der normalen politischen Routine steht, gewissermaßen auf einer Meta-Ebene, die er sich selbst konstruierte – mit seiner jovialen Art und seinen TV- und Printmedien – und so zum Opfer seiner selbst wird, weil er die italienische Wirklichkeit gar nicht mehr wahrzunehmen vermag.
Sergio Rizzo:
„Uns war klar, dass wir jene enttäuschen, die einen kämpferischen Film erwartet haben. Wir wollen die persönliche Seite dieses Mannes zeigen, der eine echte Figur der commedia dell’arte ist.“
„Silvio forever“ ist sicherlich ein witziger, auf jeden Fall aber ein erschreckender Film. Gezeigt wird ein Berlusconi, der in höhere Sphären entschwebt ist, sich über die Legalität und das demokratische Prozedere hinwegsetzt. Dargestellt wird dieses Entschweben in einen Zustand, den Berlusconi selbst „meine Heiligkeit“ nennt, nicht am Beispiel politischer oder wirtschaftlicher Zusammenhänge, sondern an zahllosen Aufnahmen seiner Person: so wie er sich sieht, wie er sich darstellt, wie er gesehen werden will.