Silvester 2020

Feierlaune diesmal ganz anders

05:52 Minuten
Brennende Wunderkerze vor dem Stadtbild von Görlitz.
Der Schein von Wunderkerzen dürfte dieses Jahr vielerorts die Silvester-Böllerei ersetzen. © picture-alliance/imago/ThomasxHurnyx
Manuel Trummer im Gespräch mit Ute Welty · 30.12.2020
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Wegen der Coronakrise fallen an Silvester einige Rituale aus. Feuerwerk wird es kaum geben und zum Jahreswechsel ist der Rückzug ins Private angesagt. Der Kulturwissenschaftler Manuel Trummer feiert mit Tele-Raclette und erwartet neue Gebräuche.
Der Kulturwissenschaftler Manuel Trummer begeht Silvester dieses Jahr im engsten Kreis der Familie mit einem Tele-Raclette, das ihn per Videoschalte mit Freunden verbindet. Es ist nur einer der neuen Gebräuche, die mit der Coronakrise Einzug halten könnten.


Die Übergangsphase vom alten ins neue Jahr sei eine unsichere Zeit und deshalb setzten Menschen an Silvestern gerne auf Rituale, sagt Trummer. Das vermittle das Gefühl von Sicherheit und schenke Orientierung. "Rituale sind in der Regel gemeinschaftliche Handlungen", so der Kulturwissenschaftler. "Das bietet in dieser hochindividualisierten Zeit eine wichtige Resonanzerfahrung."

Rückzug ins Private

Auf das Bleigießen zurückzugreifen, sei allerdings schwierig, sagt Trummer. Eine EU-Verordnung verbiete diese rund 150 Jahre alte Tradition seit 2018, weil dabei giftige Dämpfe freigesetzt werden. "Aber ich denke, dass sich mehr Menschen ins Innerhäusliche, ins Private zurückziehen und dort im kleinen Freundeskreis, der Familie feiern." Dabei werde es vermutlich Tischfeuerwerke geben oder Zinn- und Wachsgießen. Krisen und gesellschaftliche Veränderungen könnten das Brauchtum massiv beeinflussen.
Beim Blick in die Zukunft kann sich der Kulturwissenschaftler vorstellen, dass die Feuerwerksindustrie neue Angebote machen werde. "Womöglich ein weniger lautes Feuerwerk, ein umweltfreundlicheres Feuerwerk." Gleichzeitig könnten auch die Sitten anderer Länder Vorbild sein. In Frankreich stehe das gemeinsame Essen mit Champagner im Kreis der Familie im Vordergrund. "Hier ist auch schon das Raclettieren seit Jahren auf dem Vormarsch." Oder auch das Fondue.

Böllern als politische Aktion

Möglich sei aber auch, dass coronaskeptische Gruppen, Leute, die den Klimawandel leugnen oder aus der "Querdenkerszene" stammen, das Böllern zum politischen Statement machen. Sie könnten versuchen, ihren Protest nach dem Motto "Böller für die Freiheit" zu artikulieren.
(gem)
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