Silvergamer - wenn Opa zur Konsole greift ...

Von Ralf Bei der Kellen |
Computer- und Videospiele waren bislang eine Domäne von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. In den letzten Jahren hat allerdings auch die Generation der über 50-Jährigen begonnen, sich für diese Spiele zu interessieren.
"So, liebe Spielefreunde, ich sag’s heute mal so, ich heiße Euch herzlich willkommen, ich freue mich, dass wir ein paar neue Spielergesichter dabeihaben, die sich auch mal hier ein bisschen sachkundig machen wollen, was wir hier so tun. Wir haben einige neue Spiele auf dem PC."

In einer Berliner Computerschule sind an einem Sommernachmittag Menschen zusammengekommen, um neue digitale Spiele auszuprobieren. Trotz Ferienzeit ist die Besucherzahl so hoch, dass nicht alle einen Platz an den Bildschirmen ergattern können.

"Mindestalter bei uns ist 50, aber so jungsche haben wir hier nicht. Also ich würde mal sagen, zwischen 60 und 80 ist alles dabei."

Senioren beim Computerspielen. Was vielen Menschen im ersten Moment ungewöhnlich erscheinen mag, ist für Mario Herla, den Gründer der Schule, ein ganz normales Bild.

"Heute ist der Spielenachmittag – der musste erschaffen werden, nachdem wir mal in unserem normalen Seniorencomputerkaffeeklatsch das Thema hatten 'Geistig fit durch Computerspiele', wo die Leute erst dagesessen haben und gesagt haben 'In unserem Alter, wir spielen doch nicht mehr.' Ja, und danach mussten wir einen Spielnachmittag einrichten nach der Veranstaltung. Also, die haben dann Blut geleckt."

Ein großer Teil der Menschen, die heute 50 Jahre und älter sind, hat die digitale Welt erst spät für sich entdeckt. Seit ein paar Jahren tummeln sie sich verstärkt vor dem PC und im Internet.

Da diese demographische Gruppe hierzulande über eine Kaufkraft von bis zu 90 Milliarden Euro jährlich verfügt, ist sie auch für die Hersteller digitaler Spiele interessant geworden. Aber welche Spiele spielen diese Menschen eigentlich?

"Ich spiele auch zuhause am Computer, am liebsten Strategiespiele, aber auch Kartenspiele, gelegentlich, aber in allererster Linie aus der Sicht der Entspannung."

"Na, ich spiele am liebsten Denkspiele. Die Gelenke und die grauen Zellen dürfen nicht einrosten. Und das gibt mir dann auch sehr viel, wenn ich bestimmte Level erreicht habe, wenn ich bestimmte Knobelaufgaben gelöst habe, ganz davon abgesehen, dass man auch die Fingerfertigkeit, die Bewegung mit der Maus dann weiter lernt und schulen kann. Also ich habe eigentlich durchs Spielen auch Freude gefunden, auch mehr zu machen am Computer."

Genau wie die jüngeren Gamer sucht auch die Generation 50 plus in digitalen Spielen Spaß am Spiel, Entspannung und Stressabbau. Eine Untersuchung der Universität Münster hat ergeben, dass sie sich in einem Punkt allerdings signifikant in ihrer Spielmotivation unterscheidet: Die Älteren wollen logisches Denken, Geschicklichkeit und Wissen trainieren und so einen Gewinn über das Spiel hinaus haben.

"Die meisten wollen einfach den Kopf wieder anstrengen. Das einzige, was sie nicht möchten, ist schnelle Reaktion. Die möchten überlegen, was sie da machen, wann sie’s machen, wie sie’s machen. Immer mit die Ruhe und dann mit’n Ruck."

Vivien Dollinger von der TU München erforscht dieses Thema im Rahmen einer Promotion. Sie bestätigt, dass diese Art des Trainings durchaus Früchte trägt.

"Da gibt’s auch schon relativ viele Studien zu, die eben belegen, dass digitale Spiele, gerade bei älteren Menschen das Reaktionsvermögen steigern, und auch verschiedene kognitive Fähigkeiten kann man damit trainieren wie beispielsweise Merkfähigkeiten und so weiter."

In anderen Teilen der Welt sind spielende Senioren bereits gang und gäbe – zum Beispiel in Japan. Dort entwickelte man in Hinsicht auf diese Zielgruppe Endgeräte, die sich ohne großes Technikwissen quasi intuitiv bedienen lassen. Mit der Serie "Touch Generations" entwickelte der Hersteller Nintendo zudem Spiele, die die Generation 50 plus, aber auch jüngere Menschen ansprechen. Ein Beispiel ist Dr. Kawashimas Gehirnjogging, eine von einem japanischen Hirnforscher entwickelte Software, mit der Jung und Alt ihre grauen Zellen fit halten können.

Ein interessanter Nebeneffekt dieses Trends: Es kommt zu Rückkopplungen innerhalb der Generationen, wie Stefan Gundelach, Pressesprecher bei Nintendo Deutschland, erklärt.

"Das Feedback, das wir jetzt bekommen, ist zum Beispiel, dass der Vater plötzlich die Videospielkonsole belegt, weil er Bowling mit seinen Freunden spielt, und der junge Spieler plötzlich mehr keine Chance hat, an die Konsole zu kommen, und dann aber die Möglichkeit hat, zu sagen: Vater, lass uns mal ein Videospiel zusammen spielen. Dass heißt, die gehen dann zusammen durch die Fantasywelten dann – was früher undenkbar gewesen wäre. Insofern gibt’s da schon ’ne gewisse Rückkopplung."

Computerlehrer Mario Herla kann das aus seiner Praxis bestätigen.

"Weil alle Leute, die hier gespielt haben und dann für ein Spiel sich entschieden haben, was ihnen besonders gefallen hat, sich das dann auch kaufen und zuhause installieren. Und dann kommt der Enkel nach Hause und dann wird der Enkel darangesetzt. Die Enkel kennen diese Spiele meistens gar nicht – und dann geht das umgekehrt, die Richtung. Nicht vom Enkel zur Oma, sondern die Oma sagt den Enkeln, was sie zu spielen haben oder was interessant ist."

Vivien Dollinger kann diese These aus Sicht der Wissenschaft unterstützen.

"Was man früher immer gesagt hat, dass der Computer und Computerspiele zur Vereinsamung führen und dazu, dass sich Menschen zurückziehen, alleine vorm PC sitzen und so weiter – da gibt’s momentan aus meiner Sicht einen starken Gegentrend eben über diese Konsole(n), die eben speziell Spiele fördern, die man eben wieder in der Gruppe und auch in der Familie gut spielen kann."
Bleibt es bei diesem Trend, werden sich Jugendliche daran gewöhnen müssen, dass sie nicht mehr nur mit Geschwistern um die Nutzung des PCs oder der Spielekonsole konkurrieren. Aber man kann ja auch Großvaters Hund ausführen, wenn der Senior mal wieder vor der Konsole sitzt.