Silbersteinstraße in Berlin-Neukölln

Dicke Luft - die dreckigste Straße des Landes

Die Silbersteinstraße in Berlin-Neukölln
Die Silbersteinstraße in Berlin-Neukölln © Nadja Camesi
Von Nadja Camesi · 10.02.2016
Die Silbersteinstraße ist sehr stark befahren, bei Wetterlagen mit Ostwind wird Staub aus Polnischen Kraftwerken über die Grenzen geweht. Weil die Silbersteinstraße leicht abschüssig ist, sammelt sich dann an ihrer niedrigsten Stelle der Feinstaub - und macht die Silbersteinstraße zur dreckigsten des Landes.
Die dreckigste Straße Deutschlands. Mit diesem unschönen Namen wurde vor zwei Jahren die Silbersteinstraße in Berlin Neukölln bedacht. Hier hatte man die bundesweit schlechtesten Luftgüte-Werte gemessen das Problem: Schadstoffe und Feinstaub.
An der Ecke Karl-Marx-/Silbersteinstraße steht ein schrankgroßer Messkasten, der Luft ansaugt und filtert. Er sammelt Daten für das "Berliner Luftgütemessnetz", kurz BLUME. Sechzehn solche Messstationen gibt es und betrieben werden sie von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. Petra Rohland, Stellvertretende Sprecherin von der Senatsverwaltung, erklärt, woher die schlechte Luft kommt.
"Wenn man eine enge Straßenschlucht hat, dadurch kann sich die Luft schlecht bewegen. Natürlich kommt auch ein sehr, sehr hohes Verkehrsaufkommen – das ist einmal Dieselfahrzeuge, die sehr viel Stickoxide und eben auch Feinstaub in die Luft pusten. Und Feinstaub wird nur zum Teil aus dem Verbrennungsprozess heraus gebildet, fast 50% kommt wirklich aus Abrieb."
Abrieb heißt, dass etwa beim Bremsen kleinste Staubpartikel gelöst werden. Weitere Übel sind Baumaschinen, Baustellen, Busse, Heizungen mit Festbrennstoffen. Wenn's im Kamin gemütlich knistert, leidet die Luftqualität.
Messkasten in der Silbersteinstraße in Berlin-Neukölln.
Messkasten in der Silbersteinstraße in Berlin-Neukölln. © Nadja Camesi
Die Silbersteinstraße ist sehr stark befahren. Ihr Verlauf in Ost-West-Richtung ist auch nicht optimal. Bei Wetterlagen mit Ostwind wird Staub aus Polnischen Kraftwerken über die Grenzen geweht. Weil die Silbersteinstraße leicht abschüssig ist, sammelt sich dann ihrer niedrigsten Stelle – der Ecke Karl Marx – der Feinstaub.
Unweit dieser Stelle führt Gökhan Acikkol ein Elektrowarengeschäft und er kann die Belastung deutlich sehen.
"Es ist sehr staubig, im Sommer vor allem merkt man das anhand der Möbel, dass sehr viel Staub sich absetzt. Wenn man rausgeht und mal ein bisschen sich hinsetzen möchte, bekommt man das auch mit, was man einatmet. Vor allem wenn man mal niesen muss, oder so. Der ganze Staub, der sich von der Nase entlöst. Ist doch sehr staubig, ja."
Gemäss EU-Richtlinien dürfen Grenzwerte bei Feinstaub und Stickoxiden an höchstens 30 Tagen pro Jahr überschritten werden. In der Silbersteinstraße waren es vor 10 Jahren noch 70 Überschreitungen.
Knapp unterhalb der Umweltzone
2008 wurde in Berlin die Umweltzone eingeführt. In der Innenstadt dürfen nur noch sogenannt schadstoffarme Fahrzeuge unterwegs sein. Die Silbersteinstraße liegt knapp außerhalb der Umweltzone, was besondere Maßnahmen nötig macht, wie Petra Rohland erklärt. Länderreport KJ UdK Manuskript 10.02.2016 Nadja Camesi 3
"Bereits im Jahr 2000 wurde Tempo 30 dort angeordnet. 2000 haben wir ja die Stadtautobahn erweitert mit dem Britzer Tunnel und der große Teil des Verkehrs konnte jetzt auf die Stadtautobahn ausweichen. Wir haben ein LKW-Durchfahrverbot für die Silbersteinstraße erlassen."
...alles kleine Schritte, die zur Verbesserung der Luft beitragen sollen.
In der Silbersteinstraße in Berlin-Neukölln darf nur 30 km/h gefahren werden.
In der Silbersteinstraße in Berlin-Neukölln darf nur 30 km/h gefahren werden. © Nadja Camesi
Joe Trinh führt an der Ecke Karl Marx-/Silbersteinstraße seit zehn Jahren einen Asia-Supermarkt, und er hat seit dem Bau des Britzer Autobahntunnels Veränderungen bemerkt.
Ich merke, dass die Autos weniger geworden sind, seit dieser Autobahn. Doch. Ich merke auch, dass die Leute fährt ganz langsam. Das merke ich auch.
Obwohl die Messwerte der Silbersteinstraße heute den EU-Grenzwerten entsprechen, findet der Elektrowarenhändler Gökhan Acikkol, dass man mehr machen könnte.
"Ich denke, es sind sehr wenig Kontrollen und es ist ja gerade hier in Neukölln so, dass sehr viele Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen unterwegs sind. Sehr alte Fahrzeuge. Die weder einen Kat haben noch irgendeine TÜV-Überprüfung. Und ich denke auch, das macht sehr sehr viel aus, weil die ja keinen Russpartikelfilter oder irgendwas verwenden."
Bei der Senatsverwaltung arbeitet man weiter an Lösungen für die Luftbelastung in der Silbersteinstraße und ganz Berlin. Petra Rohland:
"Wo Luft sehr verschmutzt ist, gibt es auch gesundheitliche Schäden und die Berliner und Berlinerinnen haben natürlich ein Recht darauf, dass da auch was passiert."
Der aktuelle Luftreinhalteplan Berlins läuft 2017 aus. Die Senatsverwaltung hält an ihrem Konzept fest und wird einen nächsten Plan erstellen. Elektrofahrzeuge, neue Busse, Partikelfilter für Baumaschinen – das alles sind wichtige Faktoren, um die Luftqualität zu verbessern.
Und wenn die ganze Stadt bessere Luft hat, dann wird auch den Menschen in der Silbersteinstraße das Atmen leichter fallen.
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