Signa performed "Das ehemalige Haus"

Von Christoph Leibold |
Unter dem Titel "Das ehemalige Haus" thematisiert die dänisch-schwedisch-österreichische Gruppe Signa in einem real existierenden Haus in Salzburg das Thema Mädchenhandel. Das Stück umfasst die Zeit vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die Gegenwart.
Das "ehemalige Haus" ist echt. Es steht leer im Salzburger Stadtteil Maxglan und wurde vom Künstler-Kollektiv Signa ausgewählt als Spielort seiner neusten Performance-Installation. Von außen präsentiert es sich mit verschlossenen Fensterläden, im Innern erwartet die Besucher die scheußliche Spießigkeit des mutmaßlichen Original-Mobliliars - mit der unvermeidlichen Massivschrankwand im Wohnzimmer und Einbaubetten unterm Heiligenbild im Schlafzimmer. Zusätzlich haben die Signa-Performer die Zimmer zugemüllt. Überquellende Aschenbecher und allerhand umherliegender Unrat vermitteln den Eindruck der Verkommenheit.

Pro Vorstellung werden nur 20 Zuschauer eingelassen, aufgeteilt in Fünfergrüppchen, die dann von Raum zu Raum geführt werden, um so in die Geschichte der (fiktiven) Bewohner einzutauchen, die unter Totenmasken auf Stühlen, Sofas und Betten ruhen. Das "ehemailge Haus", erfährt der Zuschauer, existiert eigentlich schon gar nicht mehr. Es ist niedergebrannt - und seine Bewohner mit ihm. Ein Reich der Toten also, die nur für den kurzen Moment, da die Zuschauer sie in ihren Räumen aufsuchen, ihrer Masken entledigt zu sprechen beginnen.

Im Zentrum der Geschichte steht die mittlerweile greise Wally, die als 15-Jährige im zweiten Weltkrieg von Russen vergewaltigt wurde. Neun Monate später kam ihr Sohn Josef zur Welt, der später Besitzer zweier Bordells werden sollte, in denen sich verschleppte osteuropäische Mädchen zwangsprostituieren müssen. Auch Russinnen. Josefs späte Rache!

Ihnen allen begegnet das Publikum im ehemaligen Haus: Wally, Josef, den Prostituierten, ihren Zuhältern und einigen anderen.

Inhaltlich ist die Geschichte, die sich beim Gang von Zimmer zu Zimmer im ehemaligen Haus zusammenpuzzelt, nicht allzu komplex. Der Clou bei Signa ist, wie immer bei den installativen Theaterstücken der Truppe, dass der Zuschauer nicht Zuschauer bleibt. Er wird zum Mitspieler. Oder soll es zumindest werden. Doch die Möglichkeiten des Mitwirkens sind begrenzt. Die Produktion ist zwar darauf angelegt, dass sich die Besucher des ehemaligen Hauses, zu dem verhalten, was sie in den Räumern erleben, eine drastische Vergewaltigungsszene zum Beispiel. Aber ist "echtes" Verhalten nicht wirklich möglich, weil selbst die täuschend echteste Darstellung einer Vergewaltigung in hyperrealitischer Kulisse Fiktion bleibt, also: das Spiel von Schauspielern, eine Show, wenn auch eine äußerst scheußliche. Und kann man einem Schauspieler, der einen Vergewaltiger spielt, von seinem Opfer wegreißen und niederschlagen, wie man dass mit einem echten Vergewaltiger tun müsste, vorausgesetzt man hätte den Mumm? Wohl kaum. Ebenso möchte man es sich doch auch verbitten, von einem Schauspieler tätlich angegangen zu werden. Hier also hat die Simulation der Realität, bei der Signa den Zuschauer in heikle Situationen bugsieren und vor schwierige Entscheidungen stellen will, ihre unüberwindbaren Grenzen. Weshalb die ganze schöne Signa-Konstruktion bald einstürzt wie ein Kartenhaus. Und so weicht der beklemmenden Eindruck, den diese Real-Life-Kulisse anfangs durchaus macht, schnell dem mäßigen Unheimlichkeitsgefühl, das man in einer Geisterbahn mit lebenden Geisterdarstellern empfindet. Wozu die Dauerbeschallung mit billiger Spukmusik verstärkend beiträgt. Echt ist eben nur das Haus, der Rest ziemlich flauer Fake.