Siemens und der heilsame Druck

Von Ernst Rommeney |
Heinrich von Pierer zieht sich zurück. Gerhard Cromme rückt im Aufsichtsrat nach vorn. Aus der Symbolik nimmt diese Entscheidung ihre Kraft. Siemens nämlich kämpft um sein Ansehen. Dabei geht es dem Konzern wirtschaftlich glänzend. Und für dieses Ergebnis hat Heinrich von Pierer, als er noch Vorstandschef war, jahrelang gearbeitet.
Er wollte beweisen, dass ein deutsches Traditionsunternehmen erst innovativ und dann ertragsstark bleiben kann, wenn es nur bereit ist, sich zu verändern. Und er versuchte auch, die Interessen der Anteilseigner und der Mitarbeiter im Lot zu halten. Um ihrem Weltruf gerecht zu werden, muss sich eine börsennotierte Firma aber auch transparent zeigen.

Und dafür steht Gerhard Cromme. Er hat Krupp erst mit Hoesch und dann mit Thyssen fusioniert. Und ist noch heute deren Aufsichtsratsvorsitzender. Vor allem aber leitet er die Regierungskommission Corporate Governance, und bei Siemens gerade jenes Prüfungsgremium, das die Schwarze-Kassen-Affäre aufklären soll.

Heinrich von Pierer, der Münchner Siemens-Mann, hat nicht vermocht, was nun Gerhard Cromme, der externe Managerkollege aus dem Ruhrgebiet, leisten soll, dem Misstrauen zu begegnen, dem Misstrauen einer interessierten Öffentlichkeit und der Staatsanwaltschaft, des Kapitalmarkts und der Börsenaufsicht, allen voran der amerikanischen.

Mittlerweile scheint sich ein heilsamer öffentlicher Druck aufgebaut zu haben. Er speist sich aus all den negativen Schlagzeilen der Wirtschaftsseite unserer Tageszeitungen, ob Bilanzskandale in den USA, undurchsichtige Firmenübernahmen in Europa, überhöhte Managergehälter oder eben Korruptionsfälle.

Da setzt sich eine Einsicht durch, für die Transparency International seit langem wirbt: Wer besticht oder betrügt, der schädigt nicht nur andere, er zerstört auch die eigene Unternehmenskultur. Es sind vitale Interessen, die berechtigte Furcht vor der bösen Tat berührt. Nun reicht es nicht, erst hinterher sensibel zu werden. Daher überrascht es, wie fehlerhaft interne Kontrollsysteme im Hause Siemens gearbeitet haben.

Heinrich von Pierer zeigt sich enttäuscht, er fühlt sich nicht persönlich verantwortlich für die schwarzen Kassen seiner Vorstandszeit. Er mag darin Recht haben. Dennoch trifft der Skandal ins Mark seiner Kompetenz. Gute Unternehmensführung heißt immer auch erfolgreiches Controlling. Und dies hat bei Siemens versagt.

Ihn holt nun seine Vergangenheit als Vorstandschef ein. Gerhard Cromme hat in den deutschen Corporate Governance Kodex hineingeschrieben, dass Unternehmensbosse möglichst nicht aus der Spitze des Vorstands in die des Aufsichtsrates wechseln sollten. Er wollte dadurch die duale Leitung aus operativen Vorstand und kontrollierendem Aufsichtsrat international verständlicher machen.

Und so belegt der Abgang Heinrich von Pierers das Risiko eines solchen Wechsels. Allenfalls im ungetrübten Erfolg wird er zum krönenden Abschluss einer Karriere. Klüger wäre es, schon vorher einzusehen, dass ein angestellter Manager eben kein Familienpatriarch ist. Es geht um ein vernünftiges Prinzip.

Wenn sich Heinrich von Pierer zurückzieht, dann nimmt er Rücksicht auf Siemens und seinen Aufsichtsrat. Und insofern hat seine Entscheidung mehr mit Reputation als mit persönlicher Schuld zu tun. Sie steht derzeit nicht zur Debatte.